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Rubrik: Freak Aktuell, Newsletter Versand, Lebens und Arbeitswelten
29. Juli 2011

Wiener Erklärung von Studierenden mit Behinderung

von Gerhard Wagner

Am 19.Juli wurde der Studierendeninitiative "Ride for Your Rights", die für Rechte von Studierenden quer durch Europa fährt, eine Resolution übergeben. Beziehungsvoll vor dem UN-Gebäude übergaben Studierende mit Behinderung diese Erklärung dem Fahrradteam.

Julian Walkowiak mit der Erklärung vor der UNO mit anderen Radfahrern

Bild der Erklärung mit Überschrift in weißer Blockschrift auf königsblauem Hintergrund

UN-Gebäude in Wien

Gruppenbild im Arkadenhof mit Rollstuhlfahrerin und Radfahrern

 Danach gab es eine gemeinsame Radfahrt über Reichsbrücke und Ring zur Universität Wien, wo es eine Begrüßung der Behindertenbeauftragten Birgit Virtbauer und ein vom Rektorat gesponsertes Buffett gab. Freak-Radio bringt hier exklusiv die Erklärung im Wortlaut:

WIENER ERKLÄRUNG STUDIERENDER MIT BEHINDERUNGEN IN ÖSTERREICH

Zuerst möchten wir auf zahlreiche nationale und internationale Gesetze und Verträge aufmerksam machen, die die Gleichstellung von behinderten und nicht behinderten Studenten festlegen, wie etwa:
• Die EU-Charta der Grundrechte
• Die UNO-Resolution über die Rechte von Menschen mit Behinderungen
• Zahlreiche nationale Verfassungen, wie etwa im Artikel 7 des österreichischen Bundes-Verfassungsgesetzes: »Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden«.
• Zahlreiche gesetzliche Bestimmungen wie das österreichische Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz – BGStG und das Bundes-Behindertengleichstellungs-Begleitgesetz
Wir stellen fest, dass es im Alltag noch viele Herausforderungen für eine umfassende Gleichstellung im Studium gibt. Deshalb haben wir die folgende Erklärung verfasst:

ALLGEMEIN

Wir erwarten, dass
• behinderten Studierenden prinzipiell der Zugang im gesamten tertiären Bildungsbereich offen steht. Studieneinschränkungen aufgrund von Behinderungen wie etwa »erforderliche Sprech- und Stimmleistung« oder »körperlich-motorische Eignung für die Bachelorstudien zur Erlangung des Lehramtes für Volksschulen und für Sonderschulen« (Hochschul-Zulassungsverordnung – HZV des BMUKK) widersprechen dem oben erwähnten Recht auf Gleichstellung
• Lehrende sowie unsere Studienkolleginnen und –kollegen mit unseren Behinderungen selbstverständlich umgehen können und es Sensibilisierungsveranstaltungen gibt. So sollten Gebärdensprachkurse für Studierende und Universitätsmitarbeiter kostenlos angeboten werden
• es im Sinne der Selbstbestimmung Persönliche Assistenz und ähnliche Dienstleistungen für Menschen mit verschiedenen Behinderungen im Universitäts-Alltag gibt. Dazu gehören auch Ansprech- und Beratungsstellen, die etwa in Gebärdensprache kommunizieren können
• in allen Belangen, die behinderte Studierende an den Universitäten und Hochschulen betreffen, Expertinnen und Experten in eigener Sache beigezogen werden
• an allen Universitäten und Hochschulen notwendige abweichende Prüfungsmethoden zugelassen werden
• es das Recht gibt, den behinderungsbedingten Mehraufwand erstattet zu bekommen
• Auslandsaufenthalte und internationale Mobilität Menschen mit Behinderungen ebenso wie allen anderen Studierenden prinzipiell zugänglich sind

STUDIERENDE MIT BEWEGUNGSBEHINDERUNGEN

Wir erwarten, dass
• die Gebäude der Universitäten und Hochschulen barrierefrei zugänglich sind. Dies betrifft etwa Seminarräume und Hörsäle, Zimmer von Lehrenden, Bibliotheken, Aufenthaltsbereiche, WC-Anlagen, aber auch das Mobiliar. Zur Gleichberechtigung gehört z.B. auch, dass die Eingänge für behinderte Menschen prinzipiell die Haupteingänge sein sollen, da Nebeneingänge diskriminieren und mit Umwegen und Absonderung von anderen verbunden sind.
• Expertinnen und Experten für barrierefreies Bauen bei sämtlichen Neu- und Umplanungen beigezogen werden

STUDIERENDE MIT SEHBEHINDERUNGEN

Wir erwarten, dass
• alle Webseiten und Lernplattformen der Universitäten und Hochschulen für blinde und sehbehinderte Studierende barrierefrei zugänglich sind
• die Gebäude mit Blindenleitsystemen, akustischen Ansagen in den Liften etc. ausgestattet sind und adäquate Information über die Lage von Räumen allen blinden und sehbehinderten Studierenden zugänglich ist
• Sämtliche Literatur, die für das Studium benötigt wird, zugänglich ist (etwa durch Digitalisierung, vergrößerte Ausdrucke etc.)

STUDIERENDE MIT HÖRBEHINDERUNGEN

Wir erwarten, dass
• es barrierefreie Gebäude (Lichtsignalanlagen, Videotelefon/SMS, Induktionsanlagen…) gibt
• Gebärdensprachdolmetschung (ÖGS), Tutoring in LVs und Mitschreibkräfte ausreichend zur Verfügung stehen, sodass wir unser Studium im vorgeschriebenen Zeitrahmen absolvieren können
• dass Lecture-Screening mit Gebärdensprachdolmetschung zur Verfügung gestellt wird
• es Workshops zur Einführung in die Wissenschaftssprache gibt (schriftlich und in ÖGS)

STUDIERENDE MIT PSYCHISCHEN BEHINDERUNGEN

Wir erwarten, dass
• unsere unsichtbaren Behinderungen anerkannt werden und dass eine Ent-Stigmatisierung von Menschen mit psychischen Behinderungen aktiv gefördert wird
• es das Recht auf Beurlaubung gibt
• für uns adäquate abweichende Prüfungsmethoden zugelassen werden (etwa schriftliche Präsentationen statt mündlicher Referate)

STUDIERENDE MIT CHRONISCHEN KRANKHEITEN

Wir erwarten, dass
• es das Recht auf abweichende Prüfungsmethoden und Beurlaubung gibt

PERSONEN MIT LERNBEHINDERUNGEN

Wir erwarten, dass

• individualisierte Förderung dazu führt, dass auch Personen mit Lernbehinderungen ihr Recht auf Bildung an Hochschulen verwirklichen können – wie es internationale Beispiele beweisen, zumal es bereits Akademiker mit Down-Syndrom oder mit Autismus gibt.

WIEN, AM 19. JULI 2011


Diese Resolution wurde von verschiedenen Studierenden mit Behinderungen im Juli 2011 erstellt und wird von internationalen Studierenden des international und EU-weit anerkannten Projekts »Ride for Your Rights« im Zuge Ihrer Europa-Tour für die Rechte von Studierenden übernommen und nationalen sowie internationalen Stellen übergeben.

Eine detailliertere Auflistung gibt es in einem zusätzlichen Papier des Vereins österreichischer gehörloser Studierender (VÖGS)

______________________________________________________________

 

Die Forderungen von VÖGS:

Für alle schwerhörigen und gehörlosen Studierenden in Österreich Barrierefreiheit!

 

Konkret bedeutet dies:

·         Das Behindertengleichstellungsgesetz muss im gesamten tertiären Bildungssektor in Österreich umgesetzt werden, um ein barrierefreies Studium zu ermöglichen
 
·         DolmetscherInnen-Einsatz in Österreichischer Gebärdensprache in Lehrveranstaltungen
 
·         SchriftdolmetscherInnen in den Lehrveranstaltungen
 
·         Ständige TutorInnenbegleitung
 
·         Gebärdensprachkompetente Service- und Beratungsstellen an den Unis und FHs
 
·         Diskriminierungsfreier Zugang zur Ausbildung für alle Berufe
 
·         Aktuelle Vorlesungsskripten sind online zu stellen
 

Primäre Ziele:

 
·         DolmetscherInnen-Einsatz (ÖGS und/oder Schrift nach Wahl des Studierenden) in aller Lehrveranstaltungen, die ein gehörlose/schwerhöriger Studierender im Semester besucht
 
·         TutorInnen (für gebärdensprachige Studierende in ÖGS und für schwerhörige Studierende in Lautsprache)
 
·         Begleitung in den Tutorien von den LV (fachlicher Inhalt)
 
·         Unterstützung bei wissenschaftliches Schreiben (Seminararbeiten)
 
·         Mitschreibkräfte
 
·         Inhaltliche Aufklärung der Mitschrift
 
·         Etablierung einer universitäts- und fächerübergreifenden und permanenten Servicestelle, die Organisation und Bezahlungsmodalitäten von Dolmetscher sowie von Mitschreibehilfen und Tutorien übernimmt (Minimierung der Doppelbelastung).
 
·         Permanente gebärdensprachige Beratungsstelle für gehörlose und schwerhörige Studierende (Servicezentrum) Orientierungsseminar (Ablauf Uni, Organisation, Erstellung Stundenplan, etc.) in Zusammenarbeit mit anderen studentischen Organisationen
 
·         Freie Wahl der Prüfungsmodalität
 
·         Diskriminierungsfreien Zugang zur Ausbildung für alle Berufe (z.B. Hörunfähigkeit darf kein Grund für Zulassungsverweigerung sein)

Sekundäre Ziele:

·         Bereitstellung von ÖGS - Dolmetscher für administrative Wege, Sprechstunden mit Lehrenden, etc.
 
·         Verlängerung der Familienbeihilfe
 
·         Förderungsdauer ohne Altersgrenze auch bei Berufstätigkeit
 
·         Workshops und Seminare in ÖGS (Einführung in die Wissenschaftssprache, wissenschaftliches Schreiben, wissenschaftliche Fachgebärden, etc.)
 
·         Barrierefreie Gebäude (Lichtsignalanlagen, Videotelefon/SMS, Induktionsanlagen, ...)
 
·         Skriptenpflicht für alle aktuellen Lehrveranstaltungen (Vorlesungsinhalt)
 
·         Sensibilisierungsveranstaltungen für Studierende, Mitarbeiter und Lehrende
 
 Mehr Informationen über den VÖGS findet man auf:
 
www.voegs.at
 
www.twitter.com/voegs
 
www.facebook.com/voegs.at

 


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