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Rubrik: Lesen statt Hören
19. August 2007

Wenn der Rubel rollt

von Christoph Dirnbacher


Menschen mit Behinderungen und ihre behinderungsbedingten Ausgaben sind zweifellos ein erheblicher Wirtschaftsfaktor. Doch der Markt ist heiß umkämpft und die Krankenkassen sind chronisch defizitär. Lässt sich in Zeiten der Globalisierung überhaupt noch etwas verdienen? Ist Kostensenkung tatsächlich der einzige Weg, um zu überleben? Oder geht jegliche Rationalisierung auf Kosten der Betroffenen?

Freak-Radio, Christoph Dirnbacher: Willkommen bei Freak-Radio. Das Thema unserer heutigen Sendung lautet "Wenn der Rubel rollt - Verdienen mit Behinderung". Neben mir im Studio Platz genommen hat Herr Wolfgang Tschiedel von der Firma Frühwald.

Wolfgang Tschiedel: Die Firma Frühwald beschäftigt sich mit Rehabilitationstechnik und Hauskrankenpflege, Rollstühlen, Elektrorollstühlen, Krankenbetten und dergleichen.

Freak-Radio: Weiters Platz genommen hier im Radio Kulturcafé in der Argentinierstraße hat Herr Thomas Haller. Herr Haller, Sie sind selbst Betroffener und haben einen Fahrtendienst gegründet.

Thomas Haller: Das ist richtig. Ich bin seit einundzwanzig Jahren selbstständiger Taxi- und Mietwagenunternehmer und habe einen der größten Fahrtendienste in Wien. Wir bieten also Kranken- und Behindertentransporte an, wo wir auch Schultransporte machen und können so zur Beweglichkeit der behinderten Menschen in Wien beitragen. Ich bin selber von Geburt an Spastiker.

Freak-Radio: Den Weg zu uns gefunden hat auch Herr Volker Litschel von der Firma Care Tec. Das Unternehmen ist spezialisiert auf Heilbehelfe für blinde und sehbehinderte Menschen. Können Sie uns aus Ihrer Arbeit, die schon mehrfach mit Preisen bedacht wurde, berichten?

Volker Litschel: Wir von der Firma Care Tec sind einerseits ein Entwicklungsunternehmen, das heißt wir haben etliche Produkte die wir entwickelt haben und dann auch europaweit respektive weltweit vertreiben, wir haben uns spezialisiert in einem Nischenmarkt, nämlich dem Markt der Blinden und Sehbehinderten in einem noch größeren Nischenmarkt der Produkte mit Sprachausgabe. Was für viele wahrscheinlich am Geläufigsten ist sind sprechende Personenwaagen und wir haben unsere Produkte in dreißig verschiedenen Landessprachen, das umfasst alle europäischen Sprachen, einige asiatische Sprachen, hebräisch, arabisch und auch ein paar außergewöhnliche Sprachen wie estnisch und portugiesisch. Also wir haben ein sehr großes Vertriebsnetz.

Freak-Radio: Der Herr, ich glaube ich darf das sagen, mit der größten Erfahrung hier in der Runde ist Herr Ludwig Gassinger. Herr Gassinger, Sie sind Orthopädietechniker, jetzt schon quasi außer Dienst, sie haben ja Ihren Betrieb 1995 an Ihren Sohn übergeben, der sich ja glaub ich von der Orthopädiesparte - sag ich einmal vorsichtig - wegentwickelt hat. Wie kam es dazu?

Ludwig Albin Gassinger: Ich habe 1962 den Orthopädiebetrieb von meinem Großvater übernommen und habe dann 1995 den Betrieb an den Junior übergeben. Wir hatten zu der Zeit circa siebzig Mitarbeiter. Es ist etwas schwieriger geworden und der Junior ist der Meinung gewesen er sucht sich eine andere Branche wo man genauso in der Technik sprich Gesundheitstechnik tätig ist. Er hat sich aber mehr für die Kosmetikrichtung entschlossen und ist heute damit glücklich.

Freak-Radio: Woher rührten diese Schwierigkeiten?

Ludwig Albin Gassinger: Dazu gibt es viel zu sagen. Das eine ist: wir haben immer stärkeren Kostendruck spüren müssen, zum Zweiten sind entsprechende Tarife nicht nachgegangen in der Größenordnung in der wir sie gebraucht hätten und der Junior wollte ganz einfach nicht meine Arbeitszeit, die bis zu hundert Stunden in der Woche war, auch leisten. Somit habe ich seine Entscheidung entgegen genommen und das Betriebsgebäude wird jetzt verkauft.

Freak-Radio: Herr Tschiedel wenn Sie den Aussagen Ihres Kollegen zuhören von wegen Kostendruck und schwieriger Markt, können Sie sich da wiederfinden?

Wolfgang Tschiedel: Da kann ich mich zweifellos wiederfinden, wenn man bedenkt dass der Stundensatz, den ein Betrieb wie der unsere auf höchstqualifizierte Mitarbeiter wie Elektroniker oder Mechaniker bekommt, bei 45 Euro liegt. Für dieses Geld bekomme ich heutzutage nicht einmal einen Fliesenleger. Ich möchte das jetzt aber gar nicht als Kritik an dem Stundensatz verstanden wissen per Definition, weil es Firmen wie unseren ja freisteht mit Krankenkassen, mit Gebietskrankenkassen Verträge abzuschließen und diese Tarife zu akzeptieren oder eben zu einem beliebigen Stundensatz am freien Markt zu arbeiten. Man hat mit den Kassen einen Vertrag, da hat man ein kontinuierliches Geschäft zu keinem sehr hohen Salär, das ist das eine. Was aber daraus resultiert ist mein naturgemäßes Wehren gegen den Titel der Sendung, wenn ich den gleich einmal so aufgreifen darf, "Wenn der Rubel rollt". Der rollt in unserer Branche nicht mehr und insofern kann ich dem Herrn Gassinger voll inhaltlich beipflichten. Es mag vor meiner Zeit - ich bin noch nicht so alt, also nicht so lange in der Branche - zweifellos so gewesen sein, dass im Gesundheitsbereich und gerade im Gesundheitsbereich viel Geld verdient worden ist. Mittlerweile ist das auf ein sehr vernünftiges, wie ich glaube wirtschaftlich vertretbares Maß zusammengeschrumpft. Man bezahlt für eine Leistung und die, die wir erbringen ist nicht ohne. Wir verkaufen ja nicht nur eine Ware, sondern erbringen auch einen sehr hohen Anteil an Dienstleistung. Weil ein Rollstuhl ja nicht nur als Ware in der Schachtel über den Ladentisch verkauft wird sondern da sehr viel Dienstleistung mit dranhängt, das Verhältnis ist ungefähr fünfzig-fünfzig. Wenn man sich das ausrechnet, wieviel der Dienstleistungsfaktor beträgt und Dienstleistung ist teuer, und die ist aber in dem Preis des Rollstuhls versteckt. Sie zahlen den Preis für den Rollstuhl und kaufen die Dienstleistung versteckt mit.

Freak-Radio: Das heißt kurz und knapp zusammengefasst: das Service macht den Rollstuhl teuer?

Wolfgang Tschiedel: Das Service und das Rundherum machen den Rollstuhl teuer. Wenn Sie sich heutzutage einen Eiskasten kaufen und den nach Hause bringen lassen, vom Elektrohändler anschließen und aufstellen lassen werden Sie ihn nicht zu dem Preis bekommen zu dem Sie ihn bei Geizhals.at im Internet finden und ihn irgendwo selbst abholen können. Bedauerlich ist jetzt, dass natürlich die Behinderten nicht ausweichen können, weil sie nicht mobil sind. Die müssen die Dienstleistung in Anspruch nehmen und sich den Rollstuhl liefern lassen. Aber die Behinderten, die Betroffenen, die Kranken müssen auch andere medizinische Dienstleistungen in Anspruch nehmen, von Ärzten, von Therapeuten, von allen möglichen Gesundheitseinrichtungen. Und dort arbeiten überall Menschen die Familien haben, die am Monatsende ihr Geld verdienen wollen, sonst würden sie nicht dort arbeiten um ihre Kinder durchzufüttern. Und die jetzt zu verteufeln und zu sagen, die sind die Bösen, die mit der Krankheit anderer Menschen Geld verdienen, das ist etwas was mir persönlich widerstrebt.

Freak-Radio: Herr Litschel, gehören Sie auch zu den Bösen oder würden Sie sich davon distanzieren wollen?

Volker Litschel: Bei uns ist es ein bisschen anders, weil unsere Produkte eigentlich nicht gefördert oder nur in den seltensten Fällen gefördert werden. In manchen Ländern ist es wahr, dass es gefördert wird und dementsprechend ist es eine gewisse Eigentümlichkeit dass gewisse Produkte in gewissen Ländern zu anderen Preisen verkauft werden. Das ist ein Spezifikum in unserem Markt, ich weiß jetzt nicht, wie es bei meinen Kollegen ist. Für uns ist es so, dass wir sehr wohl den Kostendruck spüren, es ist eine immer stärker werdende Konkurrenz, es sind genug Mitanbieter da. Unser einziger Ausweg ist letztendlich die Überinternationalisierung, das heißt wesentliche Märkte neu aufmachen, auch wenn sie zugegeben sehr bescheiden sind. Und das andere ist einfach extrem innovativ zu sein, jedes Jahr mit zwei, drei Produkten herauszukommen. Wir sind dieses Jahr, jetzt muss ich einmal nachdenken, schon mit zwei Produkten neu herausgekommen, das heißt wir sind ständig am Arbeiten damit wir nachlegen. Letztendlich teile ich die Lebenssituation meiner Vorredner insofern als wir ein Familienunternehmen sind und man kennt dann diese Arbeitszeiten, dass es halt mehr als vierzig Stunden sind, um das mal gelinde gesagt zu sagen. Und dass eigentlich auch der Verdienst kein großartiger ist, also ich bin jetzt nicht mit meinem Mercedes vorgefahren, sondern mit dem Fahrrad.

Freak-Radio: Herr Haller, Sie sind Anbieter eines Fahrtendienstes und haben somit eine andere Dienstleistung im Programm als jene der drei Herren, die hier außer Ihnen noch sitzen. Wie schaut das in Ihrer Branche aus?

Thomas Haller: Es ist zwar richtig, dass wir etwas anderes anbieten, aber was die finanzielle Situation betrifft oder was Salär betrifft, muss man schon sagen, ist es nicht wesentlich anders, weil wir genauso von den öffentlichen Diensten, sprich Sozialversicherungsträgern, Magistraten und so weiter, abhängig sind und da bekommen wir zwar stetig unser Geld aber nicht sehr viel. Insofern ist es nicht viel anders als bei den anderen. Noch dazu muss ich sagen haben wir einen sehr, sehr hohen bürokratischen Aufwand, weil für jede Fahrt Zettelwirtschaft - so drücken wir das aus - gemacht werden muss und das verlangen die Krankenkassen, sonst bezahlen sie es nicht und das macht die ganze Situation nicht gerade einfacher.

Freak-Radio: Das heißt der Preis ein Fixpreis?

Thomas Haller: Der Preis ist grundsätzlich ein Fixpreis, den man aushandelt und wir können uns natürlich genauso überlegen wollen wir den Vertrag oder wollen wir den Vertrag nicht. Wir müssen halt dann versuchen das Beste daraus zu machen noch dazu wo wir, vielleicht entgegen der anderen, einen wesentlich höheren Aufwand haben, weil wir halt pro Auto einen Mitarbeiter brauchen. Wir können ungefähr rechnen, dass ein umgebautes Rollstuhlauto netto ungefähr fünfundvierzigtausend Euro kostet. Bis wir das also netto eingenommen haben und die Kosten für den Fahrer dazu, da müssen wir schon einige Jahre fahren damit das funktioniert.

Freak-Radio: Ohne Geschäftsgeheimnisse auszuplaudern - kann man den Hörern sagen in welchen Dimensionen sich ein solcher, ich nenne es jetzt "Fahrtkostensatz" bewegen kann?

Thomas Haller: Die Krankenkasse zahlt für eine gehende Person, also jemanden der mit Krücken gehen kann und nicht getragen werden muss und nicht im Rollstuhl sitzt, innerhalb von Wien neun Euro fünfundfünfzig. Das ist gleich ob sie vom 23. in den 22. oder vom 23. in den 23. Bezirk fährt und wir haben, was noch dazu kommt, Beförderungspflicht, das steht im Vertrag. Das heißt, egal ob wir das jetzt hereinbekommen oder nicht, wir müssen befördern. Für einen Rollstuhltransport bekommen wir von der Krankenkasse zurzeit neunzehn Euro einundsiebzig. Da ist aber der Aufwand des Autos auch wesentlich größer.

Freak-Radio: Jetzt sind sich alle vier Herren an diesem Tisch relativ einig darüber, dass die Situation wirtschaftlich gesehen nicht leicht ist. Ich würde jetzt gerne eine Frage in die Runde werfen und erörtern was denn am Heilmittel- und Fahrtendienstmarkt das Besondere ist. Was unterscheidet sich denn - wenn man es überspitzt formuliert - ob ich Gemüse verkaufe oder Heilbehelfe?

Wolfgang Tschiedel: Also für mich ist der wesentliche Unterschied grundsätzlich einmal der, dass die Leute wenn Sie am Monatsersten ihr Geld bekommen und sich etwas Gutes tun wollen oder Freude damit haben wollen, dann gehen sie in die Innenstadt, gehen bummeln, gehen in eine Boutique und kaufen sich dort irgendein schönes Sakko oder ein schönes Leiberl und haben Freude an dem ganzen Vorgang. In ein Geschäft, das Rollstühle verkauft kommen die Leute nicht freiwillig sondern sie kommen weil sie notwendigerweise dorthin kommen müssen, sie kommen dann oftmals nicht selbst sondern ein Angehöriger muss kommen für die Oma, die betroffen ist. Der hat ohnedies schon keine Zeit, für den ist das vielleicht noch zum Drüberstreuen eine lästige Pflicht. Das heißt es ist so, dass die Leute mit einer ganz anderen Grundstimmung einkaufen kommen oder ihre Sachen beziehen kommen und das färbt natürlich auf diese ganze Situation ab. Keiner hinterfrägt in einer Boutique wenn er hundertzwanzig Euro für das Sakko oder das Leiberl ausgibt dass es vielleicht in einem Abverkauf oder bei einem Billig- oder Diskontanbieter ein Leiberl gibt das auch so rosa ist und nur zehn Euro kostet. Der will das haben und dafür ist er bereit Geld auszugeben und da gibt es keine Diskussion und er hat noch Spaß dabei. Und bei uns ist es genau anders. Bei uns kommt er, weil er kommen muss, will eigentlich gar nichts ausgeben und wenn er dann noch zehn Euro ausgeben muss die an Selbstbehalt irgendwo zu zahlen sind, dann fragt er noch, warum er die zahlen muss.

Freak-Radio: Herr Gassinger welche Geschichten fallen Ihnen dazu ein, wenn ich die vorher gestellte Frage beantwortet wissen möchte?

Ludwig Albin Gassinger: Ich möchte noch eines erweitern, es sind nicht nur Heilmittel sondern Heil- und Hilfsmittel. Ein großes Spektrum sind die Hilfsmittel in unserem Bereich. Das heißt es beginnt bei der Schuheinlage und reicht bis hinauf zu Schwerstbehinderungen, Querschnittgelähmten-Versorgungen, Rollstühle mit Sitzschalen und so weiter. Das heißt ich kann auch nur, wie Herr Tschiedel gesagt hat, eines sagen: die Leute kommen nicht aus Freude zu uns sondern erwarten von uns eine Hilfestellung, egal ob technisch oder auch psychologisch. Das ist ein schwieriges Problem. Wir können also nicht mit dem Verkäufer in einem Sportgeschäft verglichen werden, sondern wir sind wirklich hohe Spezialisten.

Freak-Radio: Das heißt wenn ich sie jetzt richtig verstanden habe jenseits von Kostendruck ist der Rollstuhlmechaniker auch ein Stück weit Psychologe?

Ludwig Albin Gassinger: Der Rollstuhlanpasser ist ein Psychologe, noch ein größerer Psychologe ist natürlich notwendig, wenn jemand amputiert wird. Für den bricht dann eine Welt zusammen. Der Arzt sagt dann, na es gibt doch heute die besten Prothesen und wir müssen das dann dem Kunden beibringen, dass er natürlich nicht alles kann, was er früher konnte, aber wir können ihm viel Lebensqualität zurückgeben.

Freak-Radio: Herr Haller haben Sie auch schon überlegt Ihre Mitarbeiter, Ihre Fahrer und Fahrerinnen, psychologisch zu schulen oder gab es diese Notwendigkeit noch nicht?

Thomas Haller: Meine Mitarbeiter werden sogar psychologisch geschult, wir haben einen eigenen Firmenpsychologen und bieten in der Firma Supervision an, weil das was speziell unsere Fahrer leisten gar nicht wirklich honoriert und auch finanziell nicht honoriert werden kann. Es ist natürlich sehr, sehr anstrengend den ganzen Tag mit kranken, psychisch kranken, geistig behinderten oder auch körperlich behinderten Menschen zusammen zu sein. Wobei ich die Sache ein bisschen anders sehe, als die Herren, weil zu uns kommen ja die Menschen wenn sie krank sind, aber ich sehe das so dass wir ihnen dafür die Möglichkeit geben trotz ihrer Krankheit oder ihrer Behinderung mobil zu sein. Das heißt wir geben ihnen die Möglichkeit in das Krankenhaus zu kommen und dort die Behandlung machen zu können. Wenn es uns nicht gäbe könnten sie das nicht und wären nur zu Hause.

Freak-Radio: Da gab es aber auch in der Vergangenheit die Diskussion um Einkommensgrenzen für den Fahrtendienst.

Thomas Haller: Diese Diskussion gab es nicht nur, die gibt es nach wie vor und ich sehe das aber auch so, wenn jemand genug verdient und genug Geld bekommt vom Staat oder auch von sonstwo dann hat er es nicht wirklich notwendig. Warum soll der dann um einen Euro sechzig, das ist das Fahrtendienstsalär heute für eine Fahrt, mit dem quasi Taxi quer durch Wien fahren können und andere Menschen die es sich nicht leisten können haben diese Möglichkeit vielleicht irgendwann nicht mehr weil es sich die Stadt nicht mehr leisten kann. Weil die Freizeitfahrtensache eine freiwillige Leistung der Stadt Wien ist und wir ja schauen wollen, dass wir diese erhalten.

Freak-Radio: Das heißt sie stehen zu diesen tausendfünfhundert Euro, wenn ich da jetzt richtig informiert bin.

Thomas Haller: Ich stehe dazu, ja.

Freak-Radio: Und haben auch kein Problem damit, dass manche sagen "der U-Bahnchauffeur fragt mich ja auch nicht ob ich reich genug sei um mir ein Taxi zu leisten"?

Thomas Haller: Nein, ich stehe dazu weil die Leistung eines Fahrtendienstes ist ähnlich zu sehen wie die Leistung des Taxis. Und wenn sich die Stadt Wien das dann nicht mehr leisten kann, dann haben die Leute die dann vielleicht nur tausend Euro verdienen auch nicht mehr die Möglichkeit. Dann sind wir wieder dort wo wir vor dreißig Jahren waren, dass die Leute die nicht genug Geld haben zu Hause sitzen und zu Hause sterben und nicht die Möglichkeit haben einmal zum Heurigen zu gehen oder die Verwandtschaft zu besuchen.

Freak-Radio: Herr Litschel wie ist das bei Ihren Produkten, inwiefern unterstützen Sie Ihre Kunden in der Lebensführung? Ich habe da zum Beispiel gelesen vom Sherlock, wie funktioniert ein solches Produkt und welche Vorteile kann das für den Betroffenen, die Betroffene haben?

Volker Litschel: Ja also für uns ist eine Produktentwicklung immer wie eine überlange Schwangerschaft, man trägt das mit sich, meistens dauert es auch länger als man es gerne hätte. Man hat sehr viele Informationen von Kunden die einem Tipps geben, Ideen geben, Einsatzgebiete vorschlagen, der Pool an Ideen und Einsatzgebieten ist ein unerschöpflicher. Sherlock ist ein Etikettierungssystem basierend auf RFID, das ist eine relativ neue Technologie, die sich jetzt à la longue auch im normalen Leben durchsetzen wird sag ich jetzt einmal. Mit diesem Etikettierungssystem können Sie CDs etikettieren, das heißt, Sie geben einen Aufkleber auf Ihre CD und mit dem Gerät selber wird die Etikette erkannt und man kann etwas aufsprechen. Derzeit sind wir bei einer Aufnahmekapazität von zwanzig Minuten pro Etikette, das heißt es ist sehr erschöpfend. Wir wissen auch um gewisse Limitierungen dieses Produktes und wir haben schon für das Produkt, das wir nächstes Jahr bringen wollen eine Erweiterung und auch schon mehrere Ideen, wie wir die Erfahrungen die wir jetzt mit dem Sherlock gemacht haben weiter umsetzen und verbessern.

Freak-Radio: Weil jeder Kaufmann auch ein Stück weit vom Glück und vom Schicksal abhängig ist, möchte ich nun um die Zuspielung des Wienerliedes "Wenn der Herrgott nicht will" bitten.

Musik: Wenn der Herrgott nicht will

Freak-Radio: Die Zeit läuft uns wieder einmal davon, ich möchte die letzten fünf Minuten dieser Sendung noch nutzen um auf die strategische Ausrichtung von Betrieben zu sprechen zu kommen, die sich mit Behinderungen beschäftigen. Darf ich da einmal in die Runde fragen, wie sich zum Beispiel bei Ihnen, Herr Haller, Ihr Unternehmen zukünftig entwickeln wird, entwickeln soll und welche Visionen es da für die Zukunft gibt?

Thomas Haller: Also meine Visionen waren eigentlich von Anfang an immer die gleichen und zwar möglichst vielen Menschen in Wien, die eine Behinderung oder eine Krankheit haben ein Stück Mobilität zu geben und ein Stück das Gefühl zu geben, sie sind genauso integriert und können alles machen so wie alle anderen.

Freak-Radio: Zur Firma Frühwald, wohin wird sich das Unternehmen zukünftig entwickeln?

Wolfgang Tschiedel: Ja also das Vorhaben geht dahin, dass ich es gerne hätte den Betroffenen, den Behinderten die Hilfsmittel zukommen zu lassen, die Zeit angedeihen zu lassen, die sie brauchen um mehr Freude zu haben wenn sie zu uns kommen, die Mobilität zu geben, soweit es möglich ist. Und gleichzeitig den Mitarbeitern die mit diesen Aufgaben betraut sind die Möglichkeit und dieselbe Freude zu geben, damit sie am Wochenende zu ihren Familien nach Hause kommen und sagen: "Ich arbeite in einer Firma, da mache ich erstens etwas sinnvolles und zweitens kann ich dabei auch noch Geld verdienen und für meine Kinder den Lebensunterhalt damit schaffen." Und beides würde ich gerne auch in Zukunft unter einen Hut bringen.

Freak-Radio: Das heißt kein weiteres Wachstum geplant, sondern das was jetzt ist erhalten?

Wolfgang Tschiedel: Das Wachstum der Firma Frühwald war immer sehr langsam. Wenn wir heute achtzig Mitarbeiter haben, die Firma ist achtzig Jahre alt, dann ist es durchschnittlich ein Mitarbeiter pro Jahr. Also so gesehen könnten wir in den nächsten zwanzig Jahren bis wir dann hundert sind hundert Mitarbeiter haben. Ich glaube das ist kein überdurchschnittliches Wachstum und Betriebe die nicht langsam und kontinuierlich wachsen sind auch auf dem absteigenden Ast. Ein Betrieb muss investieren und wachsen damit er gesund sein kann.

Freak-Radio: Herr Litschel, wie schauen Ihre Visionen für die Zukunft aus, wohin möchten Sie sich mit Care Tec wirtschaftlich entwickeln?

Volker Litschel: Es hat einen Bundeskanzler gegeben der gesagt hat "wenn man Visionen hat, muss man zum Arzt". So ist es bei uns nicht. Wir haben sehr viele Ideen, seien es Produktideen, wir haben sehr viele Ideen wie wir neue Märkte eröffnen werden. Wir haben spezielle Ideen, weil wir gezwungen sind sehr flexibel zu sein, sehr innovativ zu sein und auch sehr dynamisch zu sein. Das heißt wir werden vielleicht à la longue auch andere Zielgruppen ansprechen, wir werden auch nächstes Jahr im Frühjahr ein Ladengeschäft in Wien eröffnen. Und es gibt so viele Sachen, ich könnte stundenlang reden, aber wir haben, glaube ich, keine Zeit mehr dazu.

Thomas Haller: Ganz abschließend gesagt bei uns ist es einfach, unser Hauptgeschäft betrifft natürlich Wien, aber wir versuchen natürlich Mobilität überall hinzubringen wo die Kunden hinwollen und das beinhaltet auch ganz Österreich oder auch angrenzende Länder. Es besteht natürlich jederzeit die Möglichkeit mit uns zu fahren wenn der Kostenpunkt stimmt.

Freak-Radio: Aber Sie selber denken jetzt nicht über internationale Kooperation, zum Beispiel, nach?

Thomas Haller: Das ist in unserem Gewerbe eher nicht vorgesehen.

Freak-Radio: Gut, dann frage ich noch abschließend Herrn Gassinger als jemanden der sich jetzt schon einige Zeit in diesem Bereich bewegt: Wohin glauben Sie wird sich die Branche als solche entwickeln?

Ludwig Albin Gassinger: Die Branche wird sich so hin entwickeln, dass wir uns noch mehr spezialisieren um damit auch konkurrenzfähig gegenüber dem Ausland zu sein und die Entwicklungen weiter voranzutreiben. Ich muss nur sagen, ich bin auch nicht ganz untätig, ich habe einen kleinen Industriebetrieb der orthopädische Produkte industriell fertigt und da sind wir heute in der ganzen Welt unterwegs. Wenn man also Visionen hat und sie umsetzt und auch immer schaut, dass man am letzten Stand der Technik ist, wird auch unsere Branche mit Sicherheit weiter überleben.

Freak-Radio: Das heißt wenn ich Sie jetzt richtig verstanden habe wird Internationalisierung in Zukunft durchaus eine Rolle spielen?

Ludwig Albin Gassinger: Leider ja, wir haben jetzt erst das Problem gehabt, dass aus der Bundesrepublik ein Unternehmen nach Österreich wollte, das relativ viel Kapital hinter sich hat, durch Kapitalgeber. Dieser Firma ist aber scheinbar unser Markt doch zu uninteressant gewesen. Es heißt spezialisieren, unser Beruf ist so vielseitig, dass man nicht mehr alles abdecken kann, sondern versuchen muss, das was man besonders gut kann zu forcieren um nicht irgendwo in einen Leerlauf hineinzukommen.

Freak-Radio: Was sagen die anderen drei Herren zu diesem eben von Herrn Gassinger getätigten Statement?

Wolfgang Tschiedel: Die Internationalisierung kann nur dann klappen wenn ich ein Betrieb bin der etwas industriell produziert oder herstellt. In dem Moment wo ich, so wie unsere Firma, die Kunden vor Ort betreue hab ich einen maximalen Einzugsradius von achtzig, hundert Kilometern. Weiter weg ist es den Betroffenen nicht zumutbar zu uns zu kommen und weiter weg ist es auch unseren Fahrern und unseren Technikern nicht zumutbar zu einem Service zu fahren. Das heißt wir sind ein regional großes Unternehmen aber immer nur ein Regionalunternehmen, das sich im Raum Wien, Niederösterreich, Burgenland sein Betätigungsfeld suchen muss.

Freak-Radio: Ich glaube bei Ihnen, Herr Litschel, schaut es da etwas anders aus. Sie kooperieren jetzt schon mit Deutschland.

Volker Litschel: Wir haben schon seit mittlerweile fünf Jahren eine deutsche Vertriebstochter, die in allen deutschsprachigen Ländern sehr prominent und gut unterwegs ist, also von dem her war seit jeher der deutsche Markt wichtig, aber das ist bei uns einfach so, weil unser Markt wesentlich kleiner ist als der Markt der Kollegen hier in der Gesprächsrunde.

Freak-Radio, Christoph Dirnbacher: Ich würde die hier anwesenden Vertreter gerne zu einer nächsten Sendung bitten und jetzt aber zum Abschied leise Servus sagen. Am Mikrofon verabschiedet sich Christoph Dirnbacher, für die Technik danken wir Robert Pablicka, auf Wiedersehen bis zum nächsten Mal.


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