Seitenanfang:

Link zum InhaltLink zum MenüLink zur Suche

Inhalt:

Rubrik: Lesen statt Hören
13. Dezember 2009

Warum ich tanze, was du tanzt

von Redaktion

„Warum ich tanze, was du tanzt“ war der Titel eines Workshops für behinderte und nicht behinderte TänzerInnen beim diesjährigen Impulstanzfestival in Wien. Freak Radio war dabei und hat mit einer Workshopleiterin und mit einigen TeilnehmerInnen gesprochen. Willkommen in der Welt des Tanzes.

Teilnehmer: Die Musik war schön. Also das Tanzteam war eigentlich ein Traum. Es war ein Traum für … so ein Tanzteam kriegt man eigentlich nicht mehr mit so zwölf Personen, die jeden Tag das probieren dann von Montag bis Samstag. Also, das war ein Traum, so etwas.

Teilnehmerin: Ach Gott, unbeschreiblich! Es ist wirklich schwer zu beschreiben, weil ja irgendwie bin ich mir vorgekommen wie eine Prinzessin im Wunderland, der ein Traum in Erfüllung geht, weil, wie gesagt, es war immer schon ein Kindheitstraum von mir, zu tanzen.

Teilnehmer: Was ich jetzt erzähle, ist nicht in Worte zu fassen so einfach. Ich müsste wahrscheinlich zwei Stunden bei Ihnen sitzen und selbst dann wäre es nicht genug für diese bravouröse Leistung.

Katharina Zabransky: Maud Paulissen erklärt den Titel der Veranstaltung und betont den gegenseitigen Lernprozess beim Tanzworkshop.

Maud Paulissen: Der hießt „Tanz für Menschen mit und ohne Behinderung“ mit dem Untertitel „Warum ich tanze, was du tanzt“. Dieser Titel hat viel damit zu tun, dass es einfach einen gegenseitigen Lernprozess gibt. Teilnehmer beeinflussen auch uns als Workshopleiter in dem Tun und die spannendste Geschichte ist gerade, dass was als Angebot kommt von der Bewegung her, aufzugreifen und das einzufügen in das Konzept, das wir vorbereitet haben.

Katharina Zabransky: Wie war der Workshop in diesem Jahr?

Maud Paulissen: Er war sehr spannend und es war ja von vornherein geplant, dass wir eben eine Vorführung machen wollten, also uns damit auseinanderzusetzen wollten, ein Stück zu machen. Und ich denke, dass gerade diese Choreografie ganz gut gelungen ist, weil es möglich war, diese unterschiedliche Freude an der Bewegung und Können einfach abzuholen und da zu versuchen, eine Form zu finden. Das ist natürlich etwas, was vor allem Fabianna einfach kann.

Katharina Zabransky: Maud Paulissen ist Tanzpädagogin. Ihre Ausbildung war zunächst Musikpädagogik und Klavier in Holland. Danach kam sie nach Wien. Sie beschäftigte sich mit Schulmusik, gleichzeitig studierte sie Tanzpädagogik an der damaligen Hochschule für Musik und darstellende Kunst bei Rosalia Kladek. Maud Paulissen war lange Zeit in der Tanzpädagogikausbildung tätig. In den letzten zwölf Jahren arbeitete sie mit Menschen mit Lernschwierigkeiten. Der Workshop von Fabianna Pastorinni und Maud Paulissen war diesmal der dritte Kurs für Menschen mit und ohne Behinderung beim wiener Tanzfestival. Angemeldet waren 26 Teilnehmer.

Maud Paulissen: Es waren einige Menschen mit Lernschwierigkeiten in dem Kurs, dann waren auch einige Menschen, die wirklich körperliche Behinderungen haben und den Rest so genannte „normale“ Menschen. Und ich denke, vom Gleichgewicht her hat es sich gut verteilt. Also es waren auch viele da, die halt immer wieder einfach ihre Dynamik eingesetzt haben, damit also alle von dem profitieren konnten. Ja, ich denke, sie waren sensibel und keck. Also es war einfach eine sehr gute Mischung, Neugierde, wobei man nicht sagen kann, dass … Es waren natürlich auch Menschen da mit sehr viel Tanzerfahrung, einige mit sehr wenig, aber es hat also wirklich sehr rasch eine eigene Dynamik bekommen und die haben wir versucht, aufzugreifen.

Katharina Zabransky: Alle TeilnehmerInnen des Kurses sollten am Ende des heurigen Tanzfestivals bei einer Aufführung im großen Saal des Arsenals tanzen.

Maud Paulissen: Normalerweise haben wir immer so zwischen 45 und 50 Teilnehmer. Insofern war es diesmal eine andere Herausforderung und für uns wichtig, dass es auch nicht zu viele Teilnehmer gegeben hat, weil das Konzept ja so angelegt war, dass wir wollten, dass eine Choreografie entsteht, um halt eben auch beim Abschluss der Expressions also vorzuzeigen.

Katharina Zabransky: Wie kann man den Ablauf und die Atmosphäre gestalten, damit so viele Menschen in einer Gruppe zusammenarbeiten können?

Maud Paulissen: Funktionieren tut es deswegen, denke ich, weil mit dem Tanz zunächst nicht umgegangen wird als eine Weitergabe einer Technik, sondern es wird versucht, Dinge anzubieten auch Richtung Tanztechnik, aber immer auch im Sinne von spielerischem Ausprobierens und dann zu versuchen, da weiterzugehen.

Katharina Zabransky: Was ist für Maud Paulissen beim Workshop wesentlich?

Maud Paulissen: Was für mich als Leiterin dieses Workshops einfach eine wichtige Geschichte ist, dass es möglich ist, einfach alle Menschen, die da drin sind, abzuholen und mit ihnen daran zu arbeiten, dass das ein Stück werden kann.

[Musikeinspielung]

Maud Paulissen: Was ich gerne sagen möchte ist, ein großes Dankeschön an alle Leute, die mitgemacht haben, weil sie einfach, ja, einfach diesen Prozess getragen haben, dass sie ständig bereit waren, dranzubleiben in dieser langen Zeit, die wir miteinander gearbeitet haben. Wir hatten ja jeden Tag immerhin vier Stunden zur Verfügung. Ja, es waren alle bereit, also auch immer wirklich auszuhalten, dass sie manchmal warten mussten, nicht dran waren und dafür gilt mein großes Dankeschön.

Katharina Zabransky: Die in Wien lebende Studentin Tanja Erhart war eine der Teilnehmerinnen am Workshop. Ein Workshop bei Vera Rebel hat sie neugierig gemacht. Deshalb hat sie sich für alle drei Orability Workshops beim Impulstanzfestival angemeldet. Sie hat bereits bei einer Aufführung mit Vera Rebel auf der Bühne in Wien getanzt. Shiga Hereb ist professioneller Tänzer im Theater. Zwei Jahre lang war er an der Staatsopernbalettschule in Wien. Sieben Jahre lang tanzte er an deutschen Theatern klassisches und neoklassisches Ballett. Fabianna Pastorinni war seine Modern-Dance-Lehrerin. 2009 nahm er zum vierten Mal beim Workshop von Fabianna Pastorinni und Maud Paulissen teil.

Tanja Erhart: Ja hallo, mein Name ist Tanja Erhart. Seit wann tanze ich? Also eigentlich immer schon. Tanzen ist eigentlich ein Kindheitstraum von mir. Also in meinen vier Räumen habe ich für mich immer schon getanzt, aber auf Konzerten tanze ich leidenschaftlich gerne. Professionell habe ich keine Ausbildung. Ich mache nur seit Herbst 2008 nehme ich bei einem Workshop teil, und zwar ist das der Workshop von Vera Rebel, Danceability, hier in Wien.

[Musikeinspielung]

Shiga Hereb: Hallo! Ja mein Name ist Shiga Hereb und ich tanze, seit ich 13 Jahre alt war, aber ich habe immer getanzt in meinem Zimmer oder überall und es ist mein Traumberuf und mein Traumjob.

[Musikeinspielung]

Katharina Zabransky: Wie hat Ihnen der Workshop gefallen?

Teilnehmerin: Sehr gut, auf alle Fälle. Es war sehr, sehr bereichernd für mich und was mir ganz besonders gefallen hat, war die Mischung aus Improvisationstanz und Choreografie, was ich so auf die Art und Weise noch nicht kenne und erlebt habe. Das war sehr spannend.

Shiga Hereb: Es ist immer wieder etwas Neues, weil natürlich kennt man sich nicht und es ist immer wieder interessant, wie ich einen anderen Menschen berühren kann oder mit ihm tanzen, was darf ich machen, wie kann ich das machen und es ist immer spannend. Es ist ganz besonders, weil man kennt sich nicht, das ist der Ausgangspunkt. Man weiß nichts über jemand anderen, woher er kommt, ob er überhaupt getanzt hat oder nicht und ja, das ist etwas ganz Besonders.

Katharina Zabransky: Tanja Erhart, wie fanden Sie den Workshop beim Impulstanzfestival?

Tanja Erhart: Sehr, sehr, sehr spannend. Wie gesagt, es waren so viele unterschiedliche Menschen dabei, die wir alle nicht gekannt haben vorher. Für mich war es halt auch spannend, wie ich mit ihnen umgehen kann, also jetzt speziell im Tanz, weil man weiß ja nicht, wie reagiert der Mensch, wenn ich ihn stupse oder keine Ahnung. Das sind halt Dinge, die muss man ausprobieren und es sind da Momente entstanden, die ich so noch nie erlebt habe, also sehr intensive und sehr tief greifende Momente, die eine sehr starke Beziehung dann herstellen zu einem Menschen, den man eigentlich nicht kennt.

Shiga Hereb: Tanz verbindet wirklich Menschen. Ich sehe wirklich, ich versuche zumindest, immer eine Person als Mensch zu sehen, der tanzen kann, auch wenn man eine Behinderung hat, aber ich versuche, zuerst den Menschen zu sehen und wie er sich bewegt und was er mit seinem Körper macht und dann versuche ich auch, dazuzukommen und mit ihm oder mit ihr etwas … es entsteht ein neues Bild, eine neue Form.

[Musikeinspielung]

Katharina Zabransky: Was sagen Sie zur Leitung des Workshops?

Tanja Erhart: Ja, Fabianna und Maud, was mir sehr gut gefallen hat war einfach, wie sie auf spielerische Art und Weise die Thematiken uns näher gebracht haben und eigentlich Thematiken wie zum Beispiel das Ja-/Nein-Sagen oder Hilfe anzunehmen, zu geben oder abzulehnen. Das sind Thematiken, wo ich glaube, dass es gerade für Menschen mit Behinderung sehr prägnant ist im Leben. Es ist nicht leicht, solche Dinge zu erarbeiten usw., aber es hat extrem viel Spaß gemacht, obwohl es eine große Überwindung meinerseits gebraucht hat, aber sie haben das auf tolle Art und Weise uns beigebracht und das hat sehr viel Spaß gemacht. Und ich habe menschlich und für mich einfach sehr viel mitgenommen.

[Musikeinspielung]

Katharina Zabransky: Tanja Erhart und Shiga Hereb tanzten bei der Aufführung ein Duett, ein Part-de-Deux. Was ist da wirklich passiert, also was ihr Tanzpartner sozusagen mit Ihnen gemacht, Sprünge, Rollen, Drehen, was weiß ich?

Tanja Erhart: Ja, es war alles, alles, alles…

Shiga Hereb: Alles.

Tanja Erhart: …in einem. Es war sehr abwechslungsreich und ich glaube, auch sehr sinnlich. Ja, ich bin einbeinig, sage ich jetzt einmal, ich habe mit Krücken getanzt. Was mir auch so sehr gefallen hat ist, das wir das alles mit hineingepackt haben, weil früher ist es mir eigentlich sehr schwer gefallen, mit Krücken zu tanzen, improvisiert zu tanzen und habe sie immer weggelegt. Jetzt habe ich aber immer mehr versucht, sie zu inkludieren und das hat wahnsinnig Spaß gemacht, weil wir haben sie wirklich in unseren Tanz, in alles mit reinfließen lassen. Wie gesagt, er hat mich hochgehoben und ich bin dann mit den Armen und den Krücken geschwungen und dann sind wir wieder am Boden runter und … es ist schwer zu beschreiben, wenn man es nicht gesehen hat.

Shiga Hereb: Es war wunderschön, sich zusammen zu bewegen, sie hochzuheben, sich mit ihr, diese Berührungen. Das war alles eine Entdeckung, wie es sein soll, weil bei jedem Part-de-Deux muss ein Gefühl entstehen, eine Geschichte. Ich kenne die beiden ja schon ein paar Jahre und ich weiß, wie die arbeiten und es stimmt, sie versuchen, das spielerisch zu machen und auch natürlich, dass man wirklich auch an sich selbst arbeitet als Mensch und dann versucht, irgendwie zu tanzen und sich zu bewegen und irgendwie einen eigenen Bewegungsraum oder Bewegungsspiel zu finden und auch zu einem anderen Menschen zu finden. Das ist für jeden, auch beim professionellen Tänzer, schwierig. Es ist nicht einfach. Man muss wirklich immer wieder ein bisschen kämpfen mit sich selbst, ein paar Sachen überwinden und dass man dann wirklich frei tanzen kann.

[Musikeinspielung]

Katharina Zabransky: Tanja, was haben Sie sich vor dem Workshop sozusagen erwartet/vorgestellt und was ist dann wirklich passiert?

Tanja Erhart: Also erwartet habe ich mir gar nicht wirklich was, weil ich habe sie eben vorher nicht gekannt und ich war wirklich ahnungslos, was auf uns zukommen wird, aber habe gewusst, es wird wieder ganz anders werden und passiert ist wirklich Unglaubliches. Man hat sehr stark sich selber kennen gelernt, aber auch sich selber in Beziehung zu anderen und wie man auf andere reagiert, die besondere oder andere Bedürfnisse haben. Wie kann man in Beziehung mit ihnen gehen? Wie traut man sich, sie anzugreifen oder nicht? Oder einfach Dinge entstehen zu lassen, das war für mich ganz was Besonderes, dass man so im Improvisationstanz Dinge einfach im Augenblick entstehen lassen kann und dass alles erlaubt ist. Es gibt nichts, was nicht sein darf. Das war wunderschön.

Katharina Zabransky: Haben Sie vorher schon einmal mit einem Profitänzer getanzt?

Tanja Erhart: Nein, das war Premiere.

Katharina Zabransky: Und wie war das?

Tanja Erhart: Ja, ach Gott, unbeschreiblich. Es ist wirklich schwer zu beschreiben, weil ja irgendwie bin ich mir vorgekommen wie eine Prinzessin im Wunderland, der ein Traum in Erfüllung geht, weil wie gesagt, das war immer schon ein Kindheitstraum von mir, zu tanzen. Und dann mit jemandem, der einfach eine Kraft hat und Kraft hat, einen hochzuheben und herumzuwirbeln und es war wunderschön. Also es, wie gesagt, ein Kindheitstraum ist in Erfüllung gegangen in gewisser Weise. Und einfach auch dann das Gefühl zu haben, das ist es, das ist das, was ich machen will!

[Musikeinspielung]

Tanja Erhart: Die Chance alleine, dass wir da auftreten dürfen, das ist ja schon einmal unglaublich schön. Also für mich, ich kann jetzt nur für mich sprechen, für mich war es einfach unglaublich. Und es war nur einmal ein Stück intensiver bei der Aufführung, weil du einfach total da bist und dein Bestes geben willst und es …

Shiga Hereb: Ja.

Tanja Erhart: Also die Reaktionen, die ich auch bekommen habe von den Zuschauern und Zuschauerinnen war unglaublich. Eine Freundin hat mir erzählt, es ist plötzlich ganz still geworden im ganzen Publikum und die Leute haben gespannt zugeschaut und waren teilweise so berührt, dass sie auch weinen mussten. Das ist einfach das schönste Feedback, was man kriegen kann.

[Musikeinspielung]

Katharina Zabransky: Thomas Weisenbacher war Fotograf beim Workshop. Für ihn war der Tanzkurs harmonisch. Alle Teilnehmer wurden gut abgeholt.

Thomas Weisenbacher: Was zur Behinderung selbst zu sagen ist, mit oder ohne Behinderung, sie schienen zu verschmelzen. Da hat es keine Reibungsmomente gegeben. Es war gut abgeholt. Es war mehr eine Performance, Platz greifende Performance mit sehr viel vorherigen Einstudierungen, Übungen, dass sich dann im Schluss hin immer mehr verbessert hat zum wirklich schon professioneller, Platz greifender Ausartung. Total wichtig, liebe Maud, liebe Fabianna, ich möchte haben, dass nächstes Jahr, dass ihr das wieder auf die Füße stellt, vielleicht auch eine andere Geschichte wieder, aber genauso temporeich wie dieses Mal.

Katharina Zabransky: Somit sind wir am Ende der heutigen Sendung. Falls Sie sich für Tanzen und Bewegung, ob mit oder ohne Behinderung interessieren, finden Sie Hinweise dazu auf unserer Homepage. Am Mikrofon verabschiedet sich Katharina Zabransky. Guten Abend!

[Musikeinspielung am Ende]


Link speichern auf:addthis.comFacebookYiggItMister Wongstumbleupon.comdel.icio.usMa.gnoliaask.comdigg.comTechnoratiYahooMyWeblive.com
Seitenanfang