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Rubrik: Freak Aktuell
28. April 2010

Von Powerfrauen, Karrieren und Rollstühlen

von Margarete Endl

Romana Müller und Astrid Lanscha arbeiten bei IBM Österreich wie 1.400 andere Menschen auch. Mit einem Unterschied: Sie benutzen einen Rollstuhl.

Porträt Astrid Lanscha

Romana Müller, IBM

Porträt Romana Müller

Astrid Lanscha, IBM

Wenn Romana Müller morgens auf der Schwedenbrücke über den Wiener Donaukanal rollt, blinzelt sie oft vergnügt in die Sonne. Manchmal zerzaust der Wind die blonden Haare der zierlichen jungen Frau. Nach der Brücke biegt sie links in die Obere Donaustraße 95, fährt durch die Glastür des Bürogebäudes und verabschiedet sich dort von ihrer Assistentin, die sie jeden Morgen in die Arbeit begleitet und am Abend wieder abholt.

Romana Müller ist seit September 2007 Bürokauffrau-Lehrling bei IBM. Derzeit bearbeitet sie Vertragsautorisationen von neuen Businesspartnern und betreut die bestehenden Partner. Auch andere Unternehmen beschäftigen Menschen mit Behinderungen, doch IBM hat das explizite Ziel, Diversität bei den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen zu fördern.

Auch Astrid Lanscha nimmt täglich die U-Bahn zum Schwedenplatz und rollt dann über den Donaukanal in ihr Büro, auch sie wird von ihrer persönlichen Assistentin begleitet. Sie ist seit September 2006 Verkaufsassistentin bei IBM. Sie unterstützt die Verkäufer bei ihrer Arbeit, trägt Informationen in Datenbanken ein, betreut Businesspartner, koordiniert Termine.

Die zwei Frauen haben einiges gemeinsam: Sie haben seit ihrer Geburt spastische Diparese beziehungsweise Tetraparese, sie benutzen deshalb einen Rollstuhl, sie sind offen und kommunikativ, und sie arbeiten beide im administrativen Bereich.

Warum sich Vielfalt auszahlt

Romana Müller und Astrid Lanscha zählen zu den rund 1.400 Mitarbeitern, die für IBM Österreich tätig sind. Wie viele Menschen mit Behinderungen insgesamt darunter sind, gibt das Unternehmen nicht bekannt. Für die Förderung der Vielfalt von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen hat IBM Österreich in den vergangenen Jahren jedenfalls alle möglichen Preise abgeräumt. Im Februar 2010 erhielt das Unternehmen den DiversCity-Preis der Wiener Wirtschaftskammer. Bei der Bewertung dieses Preises werden alle Diversity-Kriterien – Geschlecht, Alter, ethnische Herkunft, Religion, sexuelle Orientierung und Behinderung – berücksichtigt. Für das Engagement für schwule und lesbische Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen erhielt IBM Österreich 2009 den Meritus-Award. Die Initiative „Taten statt Worte“ zeichnete IBM mehrfach als frauen- und familienfreundlichen Betrieb aus.

Die Vielfalt liegt durchaus im ökonomischen Interesse des Unternehmens. „Es erweitert das Bewusstsein, wenn man mit möglichst unterschiedlichen Menschen gemeinsam arbeitet“, so Dagmar Gaugl. Damit diese Menschen ihre „Unterschiede“ als etwas Positives erleben und sich untereinander austauschen können, bietet IBM eine Reihe von Netzwerkgruppen an. „Wir haben Gruppen für Frauen, für Teilzeit-Arbeitende, für multikulturelle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sowie eine Gay Lesbian Bisexual Transgender-Gruppe“, sagt Gaugl. „Diese Gruppen stehen natürlich allen offen, die sich dafür interessieren, nicht nur denen, die direkt betroffen sind.“ Je nach Gruppe finden zehn, zwanzig oder dreißig Personen zusammen.

Für IBM, wie für die meisten US-Konzerne, ist das Bestreben nach Vielfalt Teil der offiziellen Unternehmenskultur. Das liegt an den strengen Gesetzen gegen Diskriminierung und den hohen Entschädigungen, die Unternehmen in den USA zahlen müssen, wenn sie wegen Diskriminierung verurteilt werden. Um solchen Klagen vorzubeugen, betreiben viele US-Unternehmen eine aktive Diversity-Politik.

In Österreich ist die gesetzliche Notwendigkeit dazu nicht vorhanden – das gesetzliche Diskriminierungsverbot ist zahnlos. Doch internationale Konzerne wissen aus Erfahrung, dass es auch profitabel ist, in einem möglichst großen Pool an Talenten zu fischen. „Wir überlegen uns gezielt, welche Gruppen wir ansprechen können, um die Diversität bei unseren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen weiter zu erhöhen“, sagt Dagmar Gaugl. So gäbe es beispielsweise enge Kontakte mit dem integrativ geführten Schulzentrum in der Ungargasse in Wien.

Mit Initiative und Offenheit punkten

Astrid Lanscha hat in der Ungargasse die Handelsakademie besucht und bereits als Schülerin Kontakt mit IBM aufgenommen. „Eine Professorin hat mir das IBM-Mentoring-Programm vorgestellt. Daran habe ich mich beteiligt.“ Sie bekam einen IBM-Marketingmanager als Mentor, die beiden schrieben einander zwei Jahre lang regelmäßig E-Mails. „Er hat mir seine Aufgaben, seine Sicht der Dinge erklärt und meine Fragen beantwortet.“ Im Sommer vor der Matura machte sie in der Abteilung ihres Mentors ein Praktikum, nach der Matura erhielt sie ein Jobangebot in einer anderen Abteilung. Seither arbeitet sie bei IBM.

Romana Müller hat ein neusprachliches Gymnasium in der Steiermark besucht. Irgendwann wollte sie nicht mehr weitermachen, später studieren wollte sie auch nicht, also suchte sie eine Lehrstelle. Computer hatten sie schon als Kind eher als Puppen interessiert. Dass sie bei IBM landete, gefällt ihr. „Ich habe nette Kollegen, ich wurde wie in einer Familie aufgenommen, und die Arbeit freut mich.“

Eine gewisse Scheu ihr gegenüber, eine Unsicherheit ihrer Kollegen habe es anfangs sicher gegeben, meint Astrid Lanscha. Doch durch ihre offene Art habe sie das gut überwinden können. „Ich spreche die Dinge direkt an, ich sage auch, wann ich Hilfe brauche.“ Nun hätten beide Seiten viel voneinander. „Ich profitiere von der Akzeptanz, von der Kollegialität im Team. Meine Kollegen profitieren davon, dass sich ihr Blickfeld durch meine Anwesenheit erweitert hat, dass sie nun hellhöriger und sensibler für Barrieren sind.“ Ein praktisches Beispiel: Wenn irgendwo ein Meeting mit einem Kunden vereinbart wird, achten nun alle ganz selbstverständlich darauf, dass der Ort auch barrierefrei zugänglich ist. 

Dieser Beitrag ist im Rahmen des Projektes "Lebens- und Arbeitswelten" erschienen.


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