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Rubrik: Leichter Lesen
27. Januar 2008

Verloren im Behördendschungel

von Redaktion

Unterstützung in schwierigen Situationen: Viele Menschen erwarten sich Unterstützung von Behörden, Gerichten und der Politik, wenn sie Hilfe brauchen.

vier Langstempel hängen nebeneinander

Stempel im Amt (Bild: www.pixelio.de)

Nicht immer kommen die Leute zu ihrem Recht. Denn es gibt oft Zeitdruck bei Ämtern und Gerichten. Oder die Bedingungen sind dort für die Beamten so schwierig, dass sie ihre Arbeit nur schlecht machen. Und so gibt es viele, die verzweifelt sind, weil sie nicht die Unterstützung bekommen, die sie brauchen. Das betrifft auch behinderte Menschen.

Hilfe von Vereinen

Gerda Ressl arbeitet im Verein Behindertenombudsmann. Sie berät oft Leute, die nicht mehr weiter wissen. Wer Schwierigkeiten hat, nimmt dann alle Unterlagen zu einem Gespräch mit Gerda Ressl mit. Sie sieht sich dann alles genau an und versucht herauszufinden, was passiert ist.

Oft findet sie den Grund für eine schlimme Situation: Sie sagt: »Wo Menschen arbeiten, passieren Fehler. Ich versuche, herauszufinden, wo Fehler passieren - und wie man diese Fehler beseitigen kann.«

Ein Richter erzählt

Magister Michael Hengl arbeitet als Richter am Bezirksgericht im 10. Wiener Bezirk Favoriten und ist Experte für Familienrecht.

Er empfiehlt Menschen, die Schwierigkeiten haben, sich ans Gericht zu wenden, wenn die Sache etwas mit dem Gericht zu tun hat.

Wenn das Gericht für eine bestimmte Sache einen Akt hat, dann kann man darüber Auskunft bekommen. Überall dort, wo Richter entscheiden können, kann man sich auch beraten.

Einmal in der Woche gibt es Sprechstunden der Richter, den sogenannten »Amtstag«. Dann kann jeder kostenlos Auskünfte bekommen. Meistens ist das am Dienstag vormittag.

Auskunft auch telefonisch

Frau Renate S. war verzweifelt, weil sie in einer Sache nicht mehr weiter wusste. Sie hat viel Geld bezahlt, aber es ist nichts weiter gegangen. Bei einer Sendungsaufzeichnung im ORF-KulturCafe hat sie sich an Gerda Ressl gewandt, die ihr dann weiterhelfen konnte. 

Auch die neue Ombudsstelle des Justizministeriums bietet Hilfe an: Die Telefonnummer ist 0800 800 440-11.

 Auch im Internet kann man sich beraten: http://www.justiz.gv.at.

An diese Ombudsstelle hat sich auch Elfriede N. gewendet. Niemand hat ihr geglaubt, »dass so ein Horror passieren kann«. Es war ein Glück, dass sie einen neuen Richter bekommen hat: »Dort habe ich Menschlichkeit erfahren.«

Was alles schiefgehen kann..

Die Hausverwaltung von »Wiener Wohnen« hat Frau N. aufgefordert, verschiedene Sachen wegzuwerfen, damit sie in ihrer Gemeindewohnung bleiben kann. Diese Sachen hat sie aber verpackt in ihrer Wohnung gehabt, weil sie bald umziehen wollte. Frau N. hat einen Termin bekommen, bis wann sie alles aus der Wohnung bringen muss. Weil sie aber starke Rückenprobleme hatte, wusste sie schon im vorhinein, dass sie das nicht schaffen wird.

Deshalb hat sie das Gericht um Hilfe gebeten. Das Gericht hat ihr einen Sachwalter zur Seite gestellt, um ihr in dieser Sache zu helfen.

Gerda Ressl spricht von einem Missverständnis: Das Gericht und der Sachwalter haben geglaubt, dass in den Kisten nur wertloser Müll ist, der weggebracht werden muss. In Wirklichkeit waren darin aber neue Dinge, die sie im Haus ihres Sohnes benutzen wollte. Natürlich hat sich Elfriede N. gewehrt. Sie wollte nicht, dass das weggebracht und weggeworfen wird. 

Deshalb hat sie ihr Sachwalter, der ihr helfen sollte, ins Irrenhaus (=psychiatrisches Krankenhaus) geschickt.

Wie schnell bekommt man einen Sachwalter?

Eigentlich ist es ungewöhnlich, dass jemand, der sich für eine Verfahrenshilfe ans Gericht wendet, einen Sachwalter bekommt. Denn dieser Sachwalter kann alle Entscheidungen treffen. Dagegen kann man selbst nicht so leicht etwas tun.

Der Richter, Mag. Michael Hengl berichtet: Normalerweise bekommt jemand nur dann einen Sachwalter, wenn er oder sie ausdrücklich sagt, dass er oder sie einen Sachwalter haben möchte.

Sachwalter werden ansonsten meistens von anderen gefordert: wenn jemand nicht mehr mit alltäglichen Dingen zurecht kommt.

Mittlerweile hatte das Gericht für Frau N. Experten geholt: Die haben festgestellt, dass sie sich weiter behandeln lassen muss: Denn sie hat sich ja geweigert, die angeräumte Wohnung freizuräumen.

Dass extreme Rückenschmerzen der Grund waren, haben die Gutachter (Experten) nicht gelten lassen: Und auch nicht, dass der angebliche Müll ganz neu und für eine neue Wohnung war.

Sechs Wochen in der Psychiatrie

Nachdem der Sachwalter sie in die Irrenanstalt geschickt hat, musste Frau N. sechs Wochen dort bleiben. Doch als sie wieder zurückkam, war alles anders. Alles, wofür sie sich eingesetzt hatte, war umsonst.

Frau N. erzählt: Nach dem Tod ihres Mannes hat sie beschlossen, im Sommer im Haus ihres Sohnes zu wohnen, weil ihr Sohn in eine andere Gegend gezogen ist. Vier Jahre hat sie sich auf den Umzug vorbereitet und sich schöne Sachen gekauft. Sie hat sich schon auf die neuen Sachen in der neuen Wohnung gefreut. Wiener Wohnen hat sie gesagt, dass das kein Müll ist. Aber die haben sie nicht verstanden.

Mein Sachwalter hat sich überhaupt nicht gekümmert...

»Der Anwalt hat sich nicht gekümmert, was in den Schachteln ist.« Vieles ist auf irgendeiner Mülldeponie verschwunden, auch wichtige Dokumente. Als Frau N. aus der Psychiatrie herausgekommen ist, konnte sie auch nicht mehr auf ihre Sparbücher zugreifen, hatte kein eigenes Konto mehr. Alles hatte der Anwalt in der Hand. Niemand hat sich darum gekümmert, wo sie wohnt oder wie sie wohnt. Auch das Familiengrab wurde nicht weiter bezahlt - fast wäre es weggewesen. Auch die  Rechts-schutzversicherung und die Gasrechnung wurden nicht bezahlt. 

»Frau N. braucht gar keinen Sachwalter«

Eine Cousine wurde dann die neue Sachwalterin. Die Kosten dafür waren sehr hoch: Ein eigener Rechtsanwalt musste bezahlt werden.

Die Cousine hat dann rasch alle Rechnungen bezahlt. Bei der Rechtsschutzversicherung war es schon zu spät. Mittlerweile war auch ein anderer Richter in Gänserndorf für sie zuständig. Und der hat andere Gutachter und Experten befragt. Die haben festgestellt, dass sie vor ihrer Sachwalterschaft die Rechnungen immer pünktlich eingezahlt hat. Und dann hat man festgestellt, dass Frau Neubauer eigentlich keinen Sachwalter braucht.  

Aber wie kommt sie jetzt zu ihrem Recht? Dadurch, dass der Sachwalter die Rechtsschutzversicherung nicht bezahlt hat, hat sie viel Geld verloren - und niemand kann ihr das mehr ersetzen.

Heirat mit Hindernissen

Frau Renate S. ist verheiratet. Ihren Mann kennt sie schon sehr lange, sie waren Jugendfreunde.

Im Jahr 2000 hat sie ihn wiedergesehen. Es ging ihm nicht gut, denn er hatte kurz zuvor einen Schlaganfall: Ein Schlaganfall ist eine Blutung meist im Gehirn. Danach haben die Menschen oft Schwierigkeiten, sich (richtig) zu bewegen oder zu sprechen oder sich zu erinnern. Manchmal werden diese Behinderungen viel besser, manchmal aber nicht.

Auch Herr S. hatte einen Sachwalter. Für all das, was er gebraucht hat, hat er immer nur 400 Euro bekommen, nicht mehr.

Als Frau S. helfen wollte und zum Sachwalter mitgegangen ist, wurde sie unfreundlich behandelt. »Ich wurde gefragt: "Wer sind sie eigentlich und was wollen sie von uns?"« Damals waren sie noch nicht verheiratet. 

Danach musste Herr S. wieder ins Spital. Er konnte dann zwar wieder nach Hause, aber dort hat sich niemand um ihn gekümmert. Frau S. hat von ihrem Geld einiges bezahlt, was sich Herr S. wegen des schmalen Taschengelds nicht leisten konnte.

Zu seinem 70.Geburtstag hat ihr Herr S. einen Heiratsantrag gemacht. »Er ist ein sehr lieber Mensch«, also wollten wir beide heiraten.

Aber das Gericht und die Sachwalterschaft waren damit nicht einverstanden.

Weil es keine Dokumente gegeben hat, haben sie und ihr Mann Kopien gemacht und sie haben geheiratet. Doch bis diese Heirat anerkannt war, hat es lange gedauert.

Da Frau S. nachweisen konnte, dass sie sich nicht bereichert hat, sondern im Gegenteil selbst etwas bezahlt hat, konnte sie schließlich selbst die Sachwalterin werden. Damit gab es kein Hindernis mehr für die Anerkennung der Ehe.

Tipps vom Richter

Magister Hengl berichtet, dass das Gesetz vorsieht, dass ein naher Verwandter die Sachwalterschaft bekommen sollte.

Das neue Sachwalterschafts-Gesetz sieht zusätzlich vor: 

  • eine Vorsorgevollmacht: Dadurch kann man, bevor man einen Sachwalter braucht, festlegen, wer das einmal machen soll - für den Fall, dass es notwendig ist...
  • Nahe Angehörige können die Geschäfte für eine behinderte Person übernehmen - statt eines Sachwalters
  • Schon länger gab es die Möglichkeit, Miss-Stände und Mängel dem Gericht zu melden. Das Gericht ist verpflichtet, diesen Hinweisen nachzugehen.

Frau Ressl fasst zusammen: Man soll nicht aufgeben, wenn man sich ungerecht behandelt fühlt. Es gibt immer Möglichkeiten, eine Sache neu aufzurollen. Durch das neue Sachwalterschafts-Gesetz ibt es jetzt auch mehr Möglichkeiten.


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