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Rubrik: Freak Aktuell
30. April 2010

Social Media: Facebook & Twitter im Wandel der Zeit

von Jo Spelbrink

Social Media haben die Internetnutzung stark verändert. In Österreich nutzen ungefähr zwei Millionen Menschen Facebook. Auch Twitter ist inzwischen medial ein Begriff. Eine Öffentlichkeit, die jedem zugänglich ist – mit Chancen und Risiken.

Grafik von Spinnennetz mit @ - Zeichen

copyright: pepsprog

Soziale Netzwerke hat es schon immer gegeben, nicht erst seit es das Internet gibt. Es ist zutiefst menschlich, sich auszutauschen und die Erfahrungen mit anderen Menschen zu teilen. Der Kommunikationsraum und die Möglichkeiten haben sich verändert. Die Vernetzung nimmt sozusagen stets zu, sie überwindet geografische und scheinbar natürliche Grenzen.

Stellen wir uns die Erde als ein riesiges Nervensystem vor, das immer neue Synapsen hervorbringt und damit neue Zusammenhänge ermöglicht. Beobachtet man die historische Entwicklung von Netzwerken, dann stellt man fest, wie sie anfangs hierarchisch organisiert waren und nun immer mehr verflachen, weitmaschiger und in Zukunft vielleicht dezentralisierter sein werden.

Social Media vereinen das soziale Netzwerk mit den Möglichkeiten des multimedialen Publishing im Internet – Bild, Text, Ton und Video. Das besondere daran ist, der Austausch und das Teilen von Informationen geschieht über weitaus mehr beteiligte Menschen, als es je möglich war, und die technischen Einstiegsbarrieren sind niedriger denn je. Welchen Wert die Informationen haben oder wie banal sie sind, sei dahingestellt. Das liegt in der Verantwortung jedes einzelnen Users – theoretisch.

Facebook

Ursprünglich war Facebook ein virtuelles Studentennetzwerk auf der Harvard University in Cambrigde bei Boston im US-Staat Massachusetts, welches nur dortigen Studenten oder Akademikern zugänglich war. Von dort weitete es sich auf ganz Nordamerika und schließlich weltweit aus. Dann wurde der Zugang auch Nichtakademikern geöffnet und entwickelte sich zu dem, was Facebook heute ist.

Facebook ist gleichzeitig ein vielfältig verknüpfter Medienkanal, wo unterschiedliche Inhalte eingestellt werden und vom Netzwerk konsumiert oder auch kommentiert werden können. Anfangs spielte sich alles geschlossen innerhalb von Facebook ab, doch mit der Zeit ging es immer stärker nach außen. Die Fanpage, die ursprünglich aus der Gruppenfunktion heraus entstand, ist nach außen offen, als wäre sie eine herkömmliche Website.

Aktuell versehen klassische Internetmedien ihre Webartikel mit Facebook Like-Buttons, auf die man klicken kann, je nachdem, ob ein Artikel gefällt oder nicht. Gleichzeitig wird ein Link im Facebook-Netzwerk sichtbar und somit werden Webartikel auch für andere Nutzer zugänglich. Das steigert wiederum die Zugriffe auf diese Artikel. Es gibt weiters unzählige Anwendungen auf Facebook, die auf Userdaten zurückgreifen. Diese Daten werden im Netzwerk ausgetauscht. Natürlich geschieht dies nicht ohne das Einverständnis des Users.

Dabei ist nicht zu übersehen, dass die Grenzen immer durchgängiger werden und die Möglichkeiten auf Facebook sich erweitert haben. Gleichzeitig veränderte sich im Laufe der Zeit die ursprüngliche, vom System vorgesehene Privatsphäre. Das bedeutet, der einzelne User wurde immer öffentlicher. Obwohl man den Grad der Privatsphäre einstellen kann, muss man sie mit der Zeit immer wieder anpassen. Für den Durchschnitts-User sind diese "schleichenden" Veränderungen meist nicht erkennbar. Dieser Umstand wird von Datenschützern kritisiert.

Twitter

Ein anderes Social-Media-Beispiel ist Twitter, dessen Wurzeln in den Blogs liegen. Pro Eintrag, den man Tweet nennt, stehen jedoch nur 140 Zeichen zur Verfügung. Ein Account auf Twitter stellt ein Microblog dar.

Die Gemeinsamkeit der Social-Media-Plattformen ist, dass man sich erst einmal vernetzen muss, damit man die Informationen austauschen kann, so auch bei Twitter. Im Vergleich zu Facebook verfolgt Twitter einen anderen, freieren Ansatz. Man kann jedem folgen ("follow"), dem man folgen will, ohne dass dieser zurückfolgen muss. Es gibt bei Twitter sozusagen auch einseitigen Informationsfluss gibt.

Twitter war jedoch von Anfang an offen, wie man es von Blogs kannte. Natürlich gibt es die Möglichkeit, diesen Microblog nur seinem eigenen Netzwerk zugänglich zu machen. Dies ist leicht einzustellen und auch dem User wesentlich transparenter und nachvollziehbarer als bei Facebook.

Twitter hat aufgrund seiner Beschränkung einen wesentlichen Vorteil, es wird stärker als eine Austauschmöglichkeit für Wissen genutzt, oft direkt von Veranstaltungen, wenn User im Publikum besondere Statements via Twitter weiterleiten. Es gibt inzwischen sogar Leute, die ihre Twitter-Usernamen auf die Visitenkarten drucken lassen oder sogar komplett auf Karten bzw. echte Namen verzichten und einfach nur die Usernamen austauschen.

Das Konzept von Twitter erschließt sich nicht jedem auf den ersten Blick, wenngleich es von der Grundidee her nicht kompliziert ist. Es braucht eine gewisse Zeit, bis man alle Möglichkeiten verstanden hat und nutzen kann. Man hat ein unkompliziertes System mit Zeichen und Kürzeln zu lernen. Dies ist einer der Hauptgründe, wieso Twitter nicht so viele User wie Facebook hat. Der Vorteil von Twitter jedoch ist, dass schon früh eine Programmierschnittstelle existierte, wodurch eine Fülle von Software und Webapplikationen entstanden ist, die der Verbreitung enormen Vorschub leistete. Vor allem dem Neuen aufgeschlossene Meinungsführer aus vielen Bereichen haben die Vorzüge zu schätzen gelernt. Facebook hat dies aufgegriffen und bietet inzwischen mit Facebook Connect ebenfalls eine Schnittstelle an.

Die Verbreitungsgeschwindigkeit auf Twitter ist so schnell, dass sogar die klassischen Medienagenturen nicht mehr mitkonnten. Im Frühsommer 2008 beispielsweise gab es in China ein Erdbeben, welches als Nachricht via Twitter binnen kürzester Zeit um die Erde ging, schneller als die klassischen Nachrichtenagenturen reagieren konnten. So waren sie erstmals überholt worden.

Die Mundpropaganda erreichte bislang unbekannte Dimensionen. Sie stellte die klassischen Medien vor eine enorme Herausforderung, welche bisherige Gewohnheiten auf den Kopf stellte. Doch auch aufgeschlossene Journalisten nutzen inzwischen Twitter für ihre Arbeit, sei es zur Recherche, direkten Kontakt mit ihrer Rezipienten oder zur Verbreitung von Medieninhalten. Viele Onlineportale nützen Social Media als zusätzlichen Kanal für die Verbreitung ihrer Inhalte. Manche User haben Twitter über Anwendungen mit Facebook verknüpft, sodass Tweets auch als Status im Facebook verbreitet werden.

Privatsphäre

Social Media haben eine Fülle von neuen Möglichkeiten geschaffen und somit eine neuartige Öffentlichkeit für jeden, die bei manchen auch für Kopfzerbrechen sorgt. Ein Beispiel ist die Privatsphäre. Während Twitter von Anfang die Dimension seiner Öffentlichkeit klar darstellte, war das bei Facebook nicht der Fall. Die Betreiber versuchten, den Erfolg von Twitter als Echtzeitmedium zu „kopieren“. Mit der Folge, dass die Privatsphäre immer mehr aufgeweicht wurde, entgegen dem Willen der User. Denn nicht jedem User von Facebook ist bewusst oder nachvollziehbar, wie es um die eigenen Privatsphäre bestellt ist.

Der User ist aufgrund der Fülle der Möglichkeiten leicht überfordert oder kommt gar nicht auf die Idee. Deshalb ist Facebook derzeit mit einer Austrittswelle konfrontiert, der man mit einer Vereinfachung der Einstellungen für die Privatsphäre entgegenwirken will. Ob dies gelingt, wird sich zeigen. Denn eines ist klar festzuhalten: Das Vertrauen der User darf man nicht leichtfertig verspielen. Dies ist die Macht, welche die User im Kollektiv haben.

Barrierefreiheit

Die Barrierefreiheit von Social-Media-Anwendungen war nicht von Anfang an gegeben und ist es teilweise immer noch nicht. Trotzdem gibt es Menschen mit Behinderung, welche Social Media sofort für sich entdeckt haben. Facebook wurde sehr schnell von den gehörlosen Usern genutzt, was eigentlich recht erstaunlich ist. Selbst Webprofis hat es überrascht. Sie waren bisher davon ausgegangen, dass bei Gehörlosen „nur“ Gebärdensprachvideos Sinn machen. Ein Eindruck, der durch die Richtlinien zu Barrierefreiheit im Internet entstanden ist. Dies trifft aber nicht zu, der besondere Mix macht es aus. Kurze, einfache Texte und die „visuellen“ Interaktionsmöglichkeiten mit den Freunden bei Fotos und Videos senkten die Hemmschwelle enorm.

Social Media sind geradezu ein Segen für die visuell sowie im Web sehr  kommunikationsorientierten Gehörlosen. Sie sind so gut wie mit dem gesamten privaten gehörlosen Bekanntenkreis – der weltweit verstreut ist – auf Facebook vernetzt.

Selbst viele Veranstaltungen werden via Facebook organisiert und bekannt gemacht. Die weltweiten Kontakte lassen sich auf diese Weise leichter pflegen. Selbst wenn sie unterwegs sind, mit Smartphones sind sie schnell im Netz.

Es gibt auch blinde User, die Social Media nutzen. Und es ist erstaunlich, wie viel man aus ihrer Lebensrealität erfährt. Das gilt auch für andere Behinderungsarten. Facebook wie auch Twitter waren für diese User ursprünglich überhaupt nicht barrierefrei, doch es tut sich sich einiges, wenn auch nur langsam. Eine Fülle von Applikationen und Geräten hat die Möglichkeiten verbessert. Nur muss man herausfinden, welche Anwendungen wofür geeignet sind.

Das Bewusstsein für Barrierefreiheit hat etwas zugenommen, auch bei Social Media. Durch die ständige Interaktion wird auch auf Probleme der Barrierefreiheit aufmerksam gemacht. Selbst vor Geräten macht diese Entwicklung nicht halt, wie es Apple mit dem iPhone längst schon beweist.

Das iPhone ist standardmässig mit einem Screenreader ausgestattet, den man früher extra um teures Geld anschaffen musste. Das bedeutet jedoch noch lange nicht, dass die Probleme verschwinden, kaum gibt es etwas Neues, und schon sind die nächsten Probleme da. Es ist zwar menschlich, doch es braucht auf der Entwicklungsebene noch immer einfachere Tools, damit die Barrierefreiheit leichter nachvollzogen werden kann.

Veränderung der Internetnutzung

Social Media haben die Internetnutzung verändert. Facebook hat Google in den Zugriffszahlen eingeholt. Und Twitter ist ein ernsthafter Medienkanal geworden, der selbst von den klassischen Medien inzwischen zur Distribution genutzt wird. Die Zukunft hat bereits begonnen, mit Anwendungen für Geodaten wird der öffentliche Raum zur Social-Media-Plattform.

Mit den neuesten bzw. zukünftigen Smartphones wird Augmented Reality das soziale Erleben im öffentlichen Raum erweitern, indem das Livebild von einem Ort in Echtzeit mit dazupassenden Informationen versorgt wird. So schön die neuen Möglichkeiten klingen, die Probleme mit der Privatsphäre werden für weitere Debatten sorgen. Anderderseits eröffnen sich dadurch neue Chancen für Menschen mit Behinderung. Jede Entwicklung hat zwei Seiten. Dennoch ist die Welt noch mehr verbunden als sie es je war, sie ist auf der Userebene näher zusammengerückt.

Dieser Beitrag ist im Rahmen des Projektes "Lebens- und Arbeitswelten" erschienen.


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