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Rubrik: Lesen statt Hören
10. Februar 2002

Österreich und die Hospiz-Idee

von Hubert Wallner

Hubert Wallner und Katharina Zabransky berichten über Möglichkeiten, Menschen menschlich beim Sterben zu begleiten und befragen dazu Univ. Prof. Dr. Zulehner.

Steinstatue eines Engels

www.pixelio.de copyright: lemontree

Moderator, Hubert Wallner: Grüß Gott und herzlich willkommen bei Freak-Radio. Das Schwerpunktthema dieser 14 Tage, zwei Sonntage hintereinander, ist das Thema Sterben. Sterben ist in unserer Gesellschaft ein Tabuthema. In der Gesellschaft zählt nur der, der Steuern zahlt und arbeitet. Wer aber nicht mehr arbeiten kann, naja, über die, die redet man nicht gerne.

Ein Mann, der sich darüber den Kopf zerbrochen hat, wie man das Sterben menschlich machen kann, ist Herr DDr, Michael Zulehner.
Ich möchte zunächst einen Satz eines Behindertenvertreters, des Herrn Oechsner zitieren: Ich möchte an der Hand eines Menschen sterben, aber nicht durch die Hand eines Menschen. Und damit sind sie dran, Herr Professor!

Univ.Prof. DDr. Paul Michael Zulehner: Also zunächst, glaube ich, ist es sehr wichtig in unserer Kultur, dass wir sehr mit dem Leben vor dem Tod beschäftigt sind. Da möchten wir optimales und möglichst leidfreies Glück in der Liebe, in der Arbeit, im Amüsement. Wir möchten, könnte man überspitzt sagen, fast schon den Himmel auf Erden erleben, und alles was da stört, das blenden wir aus.

Wir blenden ja schon während des Lebens unsere Ängste aus, ich könnte krank werden, ich könnte behindert sein, ich könnte verunfallen, ich könnte so krank werden, dass ich nicht mehr arbeiten kann, meine Partnerschaft könnte zerbrechen. Alles, was uns bedroht und das schöne und gute Leben gefährdet, das verdrängen wir im Grunde. Ich glaube, Männer sind da noch strammer im Verdrängen als die Frauen!

Hubert Wallner: Ich bin ein Mensch, der gerne Entschuldigungen sucht: Ich glaube, man muss dieses Problem in zwei Hälften teilen, in ein gesellschaftliches und in ein persönliches Problem. Das gesellschaftliche Problem macht die Sterbebegleitung, das Befassen mit dem Tod, nicht mehr leicht. Es gibt keinen Raum mehr zu sterben. Die modernen Wohnungen, die man sich gerade noch leisten kann, die haben vielleicht noch Raum für ein, zwei Kinder... Ja wo bleibt denn da noch der Raum für die Mutter, für den Vater? Und damit beginnt´s!

Univ.Prof. DDr. Paul Michael Zulehner: Das ist ja auch richtig. In der Geschichte gab es so etwas wie die Enthäuslichung des Sterbens. Im ländlichen Raum, im landwirtschaftlichen Bereich ist das ja noch der Fall, dass man zuhause sterben kann. Aber dann gab es die erfreulichen und unglaublichen Entwicklungen in der Medizin.

Natürlich ist es so, wenn jemand schwer krank ist, das ist häufig vor dem Sterben der Fall, dann sagt, man, wir tun jetzt alles, was wir tun können und man bringt den schwer Kranken oder den Sterbenden dann ins Krankenhaus, weil man glaubt, man tut ihm was Gutes. Und dann siedelt der Schwerkranke weg aus der Familie und es ist oft so, dass sie nicht mehr zurückkehren können, sondern dass das Sterben außerhäuslich stattfindet. Das hat eine Nebenwirkung gehabt, dass wir dann auch verlernt haben, Sterbende zu begleiten, weil sie nicht mehr in unserer Mitte waren, sondern anderswo. Wir haben Sie besucht, aber wir konnten sie nicht mehr begleiten. Ich glaube einer der Gründe, der auch in ihrem Sinn dafür sprechen, dass es ja nicht Bosheit ist, dass die Menschen nicht aus Bosheit den Tod verdrängen, sondern dass es auch ein Schicksal unserer modernen Kultur ist, das hat auch damit zu tun, dass nicht nur die Familien kleiner geworden sind, sondern dass Männer und Frauen berufstätig geworden sind. Es ist schlicht niemand mehr so verfügbar wie früher die Frauen, die an der Seite der Pflegebedürftigen und der Sterbenden verweilen würden. Deshalb ist die Verhäuslichung des Sterbens nicht nur eine Frage des guten Willens sondern auch eine der Gesellschaftspolitik. Nur eines beobachten wir bei dieser Frage. Nach vielen Jahren des außerhäuslichen Sterbens beobachten wir bei den Menschen immer mehr den Wunsch, daheim sterben zu können. Da gibt es eine Statistik: In unserer Österrech-Statistik haben wir bemerkt, dass immer mehr Menschen (fast 75 Prozent) das für sich wünschen, daheim, also im Kreise der Menschen zu sterben, mit denen sie das Leben verbracht haben, wahrscheinlich, wir müssen dabei auch die Großstädte berücksichtigen, können dies aber nur 10 bis 15 Prozent der Menschen verwirklichen. Es klafft also eine große Lücke zwischen dem, was sich die Leute wünschen, und dem, was tatsächlich stattfindet.


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