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Rubrik: Freak-Science
10. Dezember 2008

Neue Wege braucht Karriere, oder: »Wer A sagt, muss auch B sagen«

von Dorothea Brozek (Transkription des Vortrages)

Portrait Dorothea Brozek

Es gibt ganz wesentliche Punkte, die man sich ansehen sollte, um mehr als berufliche Rehabilitation von behinderten Menschen zu erreichen, um Chancengleichheit am Arbeitsmarkt, aber auch einfach am Leben zu ermöglichen. Das ist nämlich mehr als die »berufliche Rehabilitation«. Der erste Punkt ist der Paradigmenwechsel. Ein Begriff, der viel zitiert und viel bemüht wird. Doch was heißt das wirklich, diese Änderung des Blickwinkels auf Behinderung? Es ist ganz wichtig, dass wir - behinderte Frauen und Männer - diese Änderung des Blickwinkels auch wirklich im Kopf und in unsere Herzen hinein manifestieren, wir müssen dies verlangen. Nämlich, dass Behinderung nicht von Diagnosen aus und nicht in diesem medizinischen Modell wie bisher betrachtet werden kann. Dieser Blickwinkel bringt uns überhaupt nicht weiter. Dieser geht von Diagnosen aus - und wir alle wissen, wenn wir von Diagnosen aus beginnen, uns Lösungen zu überlegen, dann sind wir schon in der Sackgasse. Weil wir hier von Defiziten ausgehen, nämlich der Frage: Was geht alles nicht?

Das medizinische Modell ist natürlich sinnvoll, im Spital oder wenn Menschen krank sind. Behinderung ist eben keine medizinische Frage, sondern vor allem eine Frage von gesellschaftlichen Ressourcen und wie wir teilhaben und teilnehmen können - also eine höchst politische Frage. In der Theorie heißt es so schön: Behinderung im sozialen Modell betrachten. Es ist wichtig, das in der Praxis umzusetzen. Mit Leben zu füllen - was heißt denn das wirklich? Ich bin davon überzeugt, dass wir hier auch uns selber schulen müssen. Ich möchte darauf jetzt nicht näher eingehen, weil wir hier in einem kleinen Rahmen von überwiegend Expertinnen und Experten sind, die dieses Thema ohnehin gut kennen und daher den Unterschied, was es heißt im medizinischen Modell oder im sozialen Modell zu betrachten, kennen. Das erspare ich mir im Detail. Das Wichtigste ist wirklich, dass wir es ganz bewusst vor uns her tragen - mit Stolz und Selbstbewusstsein. Daraus soll man natürlich auch die Rahmenbedingungen ableiten und einfordern - von der Politik, der Verwaltung, und jedoch auch von uns selber.

Nun der zweite Punkt, der ganz österreichspezifisch ist - hier muss sich wirklich etwas ändern. Das hat sicher auch mit unserer Haltung zu tun, inwieweit wir das einfordern. Das ist der Punkt dieser Kompetenzverteilung von Bund und Land, wer wann zuständig ist, wenn wir Förderungen für Hilfsmittel, für den Arbeitsbereich, Förderungen für unsere Persönliche Assistenz, Pflegegeld oder ganz andere Förderungen brauchen. Das sind alles Rahmenbedingungen, um einen guten Weg zu haben, um los zu starten, um arbeiten und bestenfalls auch Karriere machen zu können. Da muss rundum alles passen. Ich persönlich finde es in so einem kleinen Land wie Österreich wirklich unerträglich, dass sich ein kleines Land wie Österreich einen derartigen Föderalismus leistet. Dass im Sozial- und Gesundheitsbereich, im Bildungsbereich, im Bereich Bauen und so weiter, wir uns in so elementaren Bereichen neun verschiedene Gesetzgebungen, noch dazu die Bundesgesetzgebung leisten können, und dass dabei Menschen auf der Strecke bleiben. Das ist ein ganz wesentlicher Punkt, der einfach geändert gehört. Kompetenzen hin und her, die mögen aufgeteilt werden. Aber uns behinderte Menschen - behinderte Frauen und Männer - darf das im Alltag nicht tangieren. Wir brauchen eine Stelle, wo wir hingehen, beantragen können - und die Sache hat sich erledigt. So ganz auf den Punkt gebracht. Ich glaube, das müssen wir viel vehementer einfordern, dass wir diesen Kompetenzdschungel einfach nicht wollen, weil diese Situation uns mehr als behindert und auch berufliches Fortkommen wesentlich erschwert. Dass wir das auch nicht so zur Kenntnis nehmen. Wenn uns die Verwaltung und die Politik das wieder einmal sagt, dass wir uns dann nicht zu sehr auf diese Diskussion einlassen und darin aufgehen, sondern uns viel mehr für die Sache einsetzen.


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