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Rubrik: Lesen statt Hören
18. Juli 1998

Kaisermühlen-Blues II

von Katharina Zabransky, Gerhard Wagner

Moderation, K. Zabransky: Ernst Hinterberger schöpft immer wieder aus den Erlebnissen seiner Arbeitswelt: Einiges davon ist auch in die väterliche Freundschaft zwischen Herrn Kudernak und Franzi eingeflossen. Andererseits zeigt sich aber auch die grundsätzliche Einschätzung Hinterbergers gegenüber Minderheiten und Ausgrenzung:

Ernst Hinterberger: Die Behinderten sind mir ein Anliegen. Ich war ja 23 Jahre in einer Fabrik Betriebsrat. Dort haben wir auch mehrere gehörlose Kollegen gehabt, aber einer ist mir besonders ans Herz gewachsen: Der hat nämlich Eltern gehabt, die waren zwar nicht behindert, aber Idioten: Die haben nämlich den Buben nichts lernen lassen. Der Bub war, wie ich ihn kennen gelernt habe, über dreißig und hat verschiedene Worte überhaupt nicht gekannt. Wir haben immer in der Mittagspause gesprochen. Da ist zum Beispiel irgendwo gestanden: Ein furchtbares Unglück. Was furchtbar bedeutet, das hat er nicht gewusst. Da waren verschiedene ähnliche Sachen. Der Mann war 1,80 Meter, ist dagestanden wie ein Baum, nur haben ihn die meisten für einen Trottel angeschaut. Was er aber nicht war: Er war eben nur taubstumm, gehörlos.
Immer wieder, wenigstens einmal in der Woche, habe ich wegen ihm einen Streit gehabt mit den Kollegen. In irgend einer Werkstatt waren acht oder zehn Leute, und es rennt der Schmäh: Es sind ja auch welche hinter ihm gestanden. Jetzt hat irgendjemand hinter ihm einen Witz erzählt und alle haben gelacht, jetzt hat er, Kurti hat er geheißen, aber nicht gewusst, warum. "Warum lachen?" Er hat geglaubt, die Leute lachen über ihn: Denn er war Kontrollor und wenn er etwas beanstandet hat, hat der Einsteller, der Dreher gesagt "Ja, ja", es aber nicht repariert. Wenn aber dann der Chef gekommen ist und einen Wirbel gemacht hat, hat man sich auf ihn ausgeredet: "Ja der hat mir ja nichts gesagt! Ich versteh´ ja nicht, was der Trottl sagt." Es waren immer irgendwelche Wickel (=Schwierigkeiten). Ich mag so etws eben nicht, wenn auf die Schwachen losgegangen wird.

Moderation, G. Wagner: Die Figur des Fünfers hat unterschiedlichste Reaktionen hervorgerufen, wie Ernst Hinterberger zu berichten weiß:

Ernst Hinterberger: Wie das angefangen hat mit dem Franzi, sind natürlich Anrufe gekommen. Da waren Leute, die keine Kinder gehabt, die nachgefragt haben, warum man "so was bringen muss". Sie haben zwar gerade nicht gesagt, "die ghern wegramt" aber sie sollen irgendwo hin, wo man sie nicht sieht, "weil das ist ja ka Anblick mit de Krippeln". Dann haben wieder andere angerufen, die haben ein behindertes Kind und die haben gemeint: "Wir würden jeden Tag eine Kerze anzünden, wenn unser Kind so ang´nomman würd wie ihr Franzi! Denn unser Kind schauen die Leute an, wie wenn es ein Monstrum wär"


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