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Rubrik: Lesen statt Hören
18. Juli 1998

Kaisermühlen-Blues II

von Katharina Zabransky, Gerhard Wagner

"Wir haben nämlich in Margarethen einen gehabt, der hat vor der Zeit des Nationalsozialismus geglaubt, er ist der Sechser, und er ist da über die Reinprechtsdorfer Straße gerannt und hat "Bimbim" gemacht." Ernst Hinterberger spricht über Hintergründe zum Kaisermühlenblues und über jene Menschen mit Behinderungen, die darin vorkommen. Auch Birgit Linauer, die Darstellerin von Franzis Freundin im Rollstuhl Sandra, berichtet über ihre Erfahrungen mit dieser Rolle.

Pichowetz, Portrait

www.pichowetz.at

Signation: Freak-Radio alt (Froschquaken, EAV)

Moderation, G. Wagner: Ernst Hinterberger spricht in der heutigen Sendung über seine Erfahrungen, die in verschiedene Szenen seines Buches, des "Kaisermühlen-Blues, derzeit beliebte Fernsehserie, eingeflossen sind.

Willkommen, liebe Hörerinnen und Hörer, bei unserer heutigen Ausgabe von Freak-Radio. Gestalter dieser Sendung sind Katharina Zabransky und Gerhard Wagner.

Im ersten Teils unseres Schwerpunkts "Kaisermühlen-Blues haben wir uns mit der Figur des geistig behinderten Franz Meierhofer befasst. Ernst Hinterberger spricht heute über die Vorbilder für diese Figur. Wussten Sie etwa, dass der Fünfer ein reales Vorbild hatte?

Ernst Hinterberger: Wir haben nämlich in Margarethen einen gehabt, der hat vor der NS-Zeit geglaubt, er ist der Sechser, und er ist da über die Reinprechtsdorfer Straße gerannt und hat "Bimbim" gemacht. Das hat keinen Menschen gestört. Wie dann die Nazis gekommen sind, war er natürlich weg! Man weiß aber nicht, ob sich die Mutter mit ihm das Gas aufgedreht hat, denn das hat man damals noch können, denn sie waren Juden, das weiß man. Oder ist er nach Hartheim oder wo andershin gekommen, weil er ja nicht nur Jude war, sonder auch als lebensunwert gegolten hat, aber das kann man im Fernsehen nicht bringen: Da wird sofoert abgewachelt und die Verantwortlichen sagen: "Das ist schon alles vorbei, das zieht ja runter und wir wollen ja lustig sein": Das war ja eigentlich das Vorbild.

Moderation, K. Zabransky: Für die Schwierigkeiten bei der Integration in einem Gemeindebau gibt es noch ein anderes Vorbild

Ernst Hinterberger: Ich habe einen Freund gehabt, der hat drei Kinder und war "normal" bis zum 50.Lebensjahr. Er war Dachdecker, doch dann hat er ein Blutgerinsel im Gehirn bekommen ? und als er aus dem Spital zurückgekommen ist, hat er das Niveau eine vielleicht fünfjährigen Kindes. Dann haben sie die Wohnung gewechselt, und er ist in einen Gemeindebau gekommen, der im fremd war. Und, seinem Niveau entsprechend, ist er in die Sandkiste gegangen und hat sich mit den kleinen Kindern gespielt. Darauf sind die Eltern zur Polizei gerannt und haben gemeint: "Da ist ein Kinderverzahrer" Das war also eine "Mordtrumm-Sache". Bis die Leute begriffen haben: Der ist ganz normal und so etwas kann auch mir passieren. Jetzt kennt man ihn und jetzt wissen die Leute dort in dem Komplex das auch und haben nichts dagegen, wenn er mit den Kindern spielt. Was soll er denn sonst auch machen? Ich bin prinzipiell gegen alle diese Ausgrenzungen!


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