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Rubrik: Lesen statt Hören
31. Mai 2016

Interview Christine Rosenbach

von Josef Heinz

Im Freak Radio Interview erzählt die Vorsitzende des NÖ Monitoringausschusses über ihre Arbeit und den Kampf für die Gleichstellung behinderter Menschen. Die Fragen stellt Josef Heinz.

Josef Heinz: Herzlich Willkommen bei Freak Radio. Am Mikrofon begrüßt Sie Josef Heinz. Heute Abend ist die Vorsitzende des niederösterreichischen Monitoring Ausschusses Doktorin Christine Rosenbach bei Freak Radio zu Gast. Bevor wir mit dem Interview beginnen, gibt es den Hinweis für unsere Hörerinnen und Hörer, dass wir uns off records duzen. Dies wollen wir auch im Interview heute beibehalten. Christine, ich habe es eingangs erwähnt: Du bist die Vorsitzende des Monitoring Ausschusses in Niederösterreich. Was ist der Monitoring Ausschuss und welche Aufgaben hat er?

Christine Rosenbach: Dankeschön. Der Niederösterreichische Monitoring Ausschuss ist ein weisungsfreies Gremium. Wir bestehen aus Fachleuten aus den verschiedensten Bereichen. Im Monitoring Ausschuss sind Selbstvertreter und Selbstvertreterinnen vertreten. Das heißt: Menschen mit Behinderungen, Menschen aus Organisationen, die Menschen mit Behinderungen vertreten, Menschen aus der Wissenschaft und Menschen aus Organisationen, die sich mit Menschenrechten befassen. Zur Frage was der Monitoring Ausschuss macht: Unsere Aufgaben sind im Gesetz festgelegt. Unsere Hauptaufgabe ist es, Landesgesetze und Entwürfe von Landesgesetzen von Verordnungen zu begutachten. Und dabei kontrollieren wir ob diese Gesetze die Behindertenrechtskonvention einhalten. Das heißt, dass wir genau darauf schauen, dass die Menschenrechte von Menschen mit Behinderungen eingehalten werden.

Josef Heinz: Wie schauen diese Menschenrechte aus und was beinhalten sie?

Christine Rosenbach: Menschen mit Behinderungen haben genau dieselben Rechte wie alle anderen Menschen. Sie bestehen darin, dass alle Menschen den gleichen Zugang zu allen Lebensbereichen haben sollen. Egal ob ein Mensch eine Behinderung hat oder nicht: Er soll genauso ins Kino gehen oder ins Theater gehen können, ein Lokal besuchen und natürlich einer Beschäftigung nachgehen können. Wie alle anderen Menschen. Darauf, dass dafür gewisse Voraussetzungen geschaffen werden, achtet der Monitoring Ausschuss.

Josef Heinz: Wie schaut es jetzt im Diskriminierungsbereich am Arbeitsplatz aus?

Christine Rosenbach: Das kann passieren und das ist auch heute noch möglich. Aber wenn Diskriminierungen in der Arbeitswelt passieren, dann gibt es Einrichtungen und Stellen an die man sich wenden kann. Für den Bereich des Landesdienstes der Gemeinden bin ich zuständig als Gleichbehandlungsbeauftragte. Wenn also bei uns im Landesdienst an einer Bezirkshauptmannschaft in einem Gemeindeamt eine Dienstnehmerin oder ein Dienstnehmer auf Grund seiner Behinderung diskriminiert wird, dann kann er sich an uns wenden und wir versuchen eine Lösung zu finden.

Josef Heinz: Wie schaut es aus, wenn die Person nicht im Landesdienst sondern in einer Privatfirma arbeitet?

Christine Rosenbach: Wenn jemand in einer privaten Firma oder in einem Unternehmen arbeitet und diskriminiert wird, dann kann er sich einerseits an den Bundesbehindertenanwalt und auch an das Sozialministeriumservice wenden.

Josef Heinz: Ich war einmal beim Herrn Doktor Buchinger und er hat das Selbe gesagt: Es ist ganz schwierig. Die Gesetzte sind zwar dar, aber die Unternehmer halten sich nicht daran.

Christine Rosenbach: Das sind klassische Vorurteile, wenn man von Vornherein sagt, dass man diesen Menschen nicht in seinem Betrieb haben möchte, weil er eine Behinderung hat.

Ich muss sagen, dass man sich bei jedem Bediensteten immer vorher anschauen muss, für welchen Arbeitsbereich er geeignet ist. Da muss man sich die Fähigkeiten und das Können anschauen und dann diesen Menschen entsprechend einsetzen. Das gilt für alle Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer. Vorurteile wie, dass man im Vorhinein sagt, dass jemand einfach nicht passt, weil er eine Behinderung hat, ist ein klassisches Vorurteil und das ist von vornherein schon diskriminierend. Da kann ich mich zur Wehr setzen.

Josef Heinz: Es gibt auch noch die Arbeitsassistenten. Wenn jemand auf Grund seiner Behinderung am Computer nicht so gut tippen kann, dann macht das die Assistentin für ihn. Das kann man alles abklären, oder?

Christine Rosenbach: Das kann man alles im Vorhinein abklären. Auch mit dem Chef oder der Chefin natürlich und dann funktioniert es. Wichtig ist, dass man vorher miteinander redet.

Josef Heinz: Soweit ich weiß, werden diese Menschen in dem Bereich sogar gefördert, wenn jemand zum Beispiel um eine Unterstützung ansucht, wenn er eine behinderte Arbeiterin nimmt und das kann man dann ausgleichen. Stimmt das, dass der Unternehmer dann einen Zuschuss kriegt?

Christine Rosenbach: Das stimmt meinem Wissen nach. Es ist sozusagen auch ein Lockmittel für Unternehmen, Menschen mit Behinderungen einfach faire Chancen einzuräumen.

Josef Heinz: Ich habe mir das jetzt durchgeschaut. Da wir ja eine Sendung über die Arbeitslosigkeit machen. Es sind 30 Prozent der behinderten Arbeitnehmer arbeitslos. Wie kann man das senken?

Christine Rosenbach: Das ist sehr schwierig. Es gibt im Land Niederösterreich zum Beispiel den Verein „Null Handicap“. Wenn jetzt ein Mensch mit Behinderung von mindestens 50 Prozent arbeitslos ist, dann kann er sich an diesen Verein wenden und dann gibt es die Möglichkeit einer Beschäftigung. Ich würde vorschlagen, wenn Menschen arbeitslos sind und keinen Job finden, dann mögen sie mit dem Verein „Null Handicap“ Kontakt aufnehmen.

Josef Heinz: Die können sie dann an Stellen vermitteln?

Christine Rosenbach: Der Verein „Null Handicap“ sucht Einsatzmöglichkeiten für Menschen mit Behinderungen: Einerseits bei privaten Firmen in Niederösterreich, aber auch beim Landesdienst. Dann erfolgt eine Anstellung direkt beim Verein für eine bestimmte Zeit und wenn die Leistung passt und wenn alle zufrieden und glücklich sind, dann besteht auch die Möglichkeit einer Übernahme in ein reguläres Dienstverhältnis zu diesem Unternehmen oder zum Land Niederösterreich.

Josef Heinz: Kann der Arbeitssuchende in der Zeit, in der er dort arbeitet auch, weiterhin schauen, dass er einen Job bekommt?

Christine Rosenbach: Er kann sich natürlich auch selbst umschauen und schauen, dass er einen Job findet.

Josef Heinz: Ich habe beim Recherchieren herausgefunden, dass der Landeshauptmann Doktor Erwin Pröll im Land Niederösterreich 120 Prozent der Quote erfüllt hat. Stimmt das?

Christine Rosenbach: Das stimmt. Das Land Niederösterreich ist da sehr fleißig und rührig.

Wir haben wirklich eine große Anzahl von Menschen mit Behinderungen, die bei uns im Landesdienst sehr gut eingesetzt werden und die auch zur Zufriedenheit aller arbeiten. Es sind alle glücklich und zufrieden: Die Betroffenen selbst, aber auch die Arbeitsumgebung.

Josef Heinz: Ich habe vorne weg immer den Eindruck, dass ein Behinderter nicht das leisten kann, was ein anderer leisten kann. Das stimmt so nicht!

Christine Rosenbach: So pauschal kann man das überhaupt nicht sagen. Man muss sich bei jedem Bediensteten oder jedem Menschen genau anschauen, was jemand leisten kann. Das gilt auch für Menschen ohne Behinderungen. Ich kann auch nicht jeden Menschen auf jeden Arbeitsplatz hinsetzen, da nicht Jeder dieselben Fähigkeiten, Kenntnisse und Eignungen mitbringt. Genau dasselbe gilt für Menschen mit Behinderungen. Ich muss mir anschauen was jemand leisten kann und wo diese Leistung nachgefragt wird. Dann muss ich diese zwei Bereiche, sprich den Menschen und den Arbeitsplatz, zusammenbringen. Wenn das gut gelingt, dann sind beide Seiten Gewinner.

Josef Heinz: Bei behinderten Menschen macht man das nicht. Bei Menschen ohne Behinderung wird das immer gecheckt. Da kann nicht irgendjemand irgendeine Arbeit machen. Das funktioniert nicht. Bei Menschen mit Behinderung macht man das eher nicht. Da heißt es dann: Den nehme ich nicht, weil er behindert ist. Oft sind sie auch in einer geschützten Werkstätte. Da bekommen sie maximal ein Taschengeld und sie glauben dann, wenn sie irgendwo in einem Betrieb sind, dass sie mit einem Minimum abgespeist werden. Das geht auch nicht. Wie schaut es da aus, dass zum Beispiel die Gehälter richtig bezahlt werden?

Christine Rosenbach: Entgeltgleichheit. Gleiche Leistung – gleiches Entgelt oder gleichwertige Leistung – gleiches Entgelt. Das ist auch eine alte Forderung, jetzt nicht nur für den Bereich für Menschen mit Behinderungen, sondern auch für Frauen und Männer. Es gibt noch immer da und dort Bereiche wo Männer und Frauen gleichwertige Arbeit leisten, aber sehr unterschiedlich bezahlt werden. Ähnliches wird es auch für die Menschen mit Behinderung geben. Da gilt es anzusetzen.

Josef Heinz: Ich bleibe gleich bei den Damen und Herren. Das verstehe ich auch nicht: Wenn eine Dame die gleiche Arbeit macht, die ihr Mann macht, dann bekommt sie weniger. Wieso? Nur weil sie eine Frau ist?

Christine Rosenbach: Wenn sie genau die gleiche Arbeit macht, dann müsste sie grundsätzlich das gleiche Entgelt bekommen. Das Problem denke ich, liegt eher in dem Bereich wo es um die Gleichwertigkeit von Arbeiten geht. Wo es verschiedene Arbeiten gibt, die aber von den Kenntnissen, von der Anstrengung und von den Möglichkeiten her gleichwertig, also vergleichbar sind. Dass es da unterschiedliche finanzielle Ströme gibt. Wenn ich einen klassischen Frauenberuf hernehme und einen klassischen Männerberuf: Da besteht eben doch hin und wieder die Gefahr, dass sie unterschiedlich bezahlt werden, weil die eine Berufsgruppe sehr stark Frauen dominiert ist. Das erklärt sich aus der Tradition und aus der Geschichte heraus. Aber da wird wie gesagt schon vieles gemacht. Da wird schon sehr viel verglichen und da gibt es auch die Möglichkeit Diskriminierungsansprüche geltend zu machen.

Josef Heinz: Wir haben jetzt über Männer und Frauen gesprochen. Wie schaut es im Bereich von behinderten Männern und behinderten Frauen aus? Wie ist das da eigentlich?

Christine Rosenbach: Ich glaube das kann man durchaus vergleichen. Frauen haben in vielen Bereichen einfach mit mehr Nachteilen zu kämpfen als Männer. Wenn diese Frauen noch dazu eine Behinderung aufweisen, dann haben sie es doppelt und dreifach schwer. Da sind behinderte Frauen noch um einiges schlechter dran. Da gilt es auch entsprechend zu helfen und zu unterstützen.

Josef Heinz: Behinderte Frauen sind schlechter dran, als nicht behinderte Frauen, wenn ich das jetzt richtig verstanden habe?

Christine Rosenbach: Ich würde sagen. dass es generell so ist, dass Frauen grundsätzlich gesagt mehr Probleme haben als Männer: Zum Beispiel beim beruflichen Aufstieg. Bei der Entgeltgleichheit muss man eben schauen, ob sie im öffentlichen Dienst oder in der Privatwirtschaft arbeiten. In der Privatwirtschaft schaut es mit der Entgeltgleichheit zwischen Frauen und Männern ein bisschen schlechter aus, als im öffentlichen Bereich. Dort ist die Welt etwas besser. Da ist man noch fairer unterwegs. Da sind die Entgelte halbwegs vergleichbar. Nur beim beruflichen Aufstieg gibt es noch immer Unterschiede. Auch im öffentlichen Bereich. Also Männer werden in gut dotierten Positionen leichter schneller Chefs als Frauen Chefinnen werden. Behinderten Frauen, die haben es denke ich aus meiner Erfahrung heraus, noch um Einiges schwieriger als nicht behinderte Frauen.

Josef Heinz: Das denke ich mir. Wie kann man das jetzt einmal entschärfen?

Christine Rosenbach: Ich kann die Sache jetzt nur so sagen: Ich wünsche mir einfach mehr Selbstbewusstsein bei Frauen, auch bei behinderten Frauen und dass sie versuchen, das zu erreichen, was sie erreichen können. Wenn sie der Meinung sind, dass ihnen etwas vorenthalten wird, was ihnen eigentlich zustehen würde: wenn sie zu wenig bezahlt bekommen, wenn sie benachteiligt werden beim beruflichen Aufstieg oder bei einem Job, dass sie sich auch zur Wehr setzen. Dass sie ihre Interessensvertretung oder ihre Gleichbehandlungsbeauftragte kontaktieren oder, dass sie auch an die Gleichbehandlungskommission herantreten und sagen da und da wurde ich meiner Meinung nach diskriminiert bitte schaut euch das an.

Josef Heinz: Kann das nicht passieren, wenn das im Privatbereich ist, dass der Unternehmer ein bisschen Mobbing betreibt und den Arbeitnehmer rausdrückt, weil ihm das auf die Nerven geht?

Christine Rosenbach: Ich glaube, dass man in der Privatwirtschaft doppelt und dreifach vorsichtig sein muss. Da gibt es sehr große Empfindsamkeiten. Ich würde eher raten, einmal die

Interessensvertretungen einzuschalten. Wenn es in einem Betrieb einen Betriebsrat gibt, dann den Betriebsrat oder die Betriebsrätin kontaktieren und sagen: bitte schaut euch das an, helft mir. Wenn das nichts nützt, dann gibt es auch die gesetzlichen Interessensvertretungen der Arbeiterkammer oder die Interessensvertretung des ÖGB. Was sicherlich auch besser ist, sofern es möglich ist, ist, dass man sich Beratung holt und dann selbst versucht im Gespräch mit dem Chef oder der Chefin das zu erreichen, was man möchte. Nur im allerletzten Fall, den Schritt zu einer Gleichbehandlungskommission gehen. Aber das ist natürlich in der Privatwirtschaft ein bisschen schwierig. Die Meisten reagieren dann ein bisschen kritisch.

Josef Heinz: Da könnte man dann praktisch parallel arbeiten. Dass man trotzdem die Gleichbehandlungsstelle beauftragt und dann schaut, dass man vielleicht einen anderen Job bekommt.

Christine Rosenbach: Wenn das möglich ist natürlich. Wenn man wirklich wechseln möchte. Aber viele möchten in dem Bereich bleiben, wo sie arbeiten. Sie fühlen sich eben nur ungerecht behandelt: vielleicht was das Geld anbelangt. Aber sie wollen auch nicht ihren Job wechseln. Weil ein Jobwechsel natürlich einiges an Unannehmlichkeiten mit sich bringt. Ich habe eine neue Arbeitsumgebung, muss mich neu einstellen, neu lernen. Also Viele wollen dann doch in dem Bereich bleiben und sind dann wahrscheinlich eher bereit das geringere Entgelt zu akzeptieren, als zu sagen: Ich probiere es und ich suche mir auch gleichzeitig einen anderen Job. Außerdem denke ich sind die Zeiten momentan auch ein bisschen schwierig. Freie Jobs gibt es auch nicht so viele. Also bevor man einen Posten oder einen Job aufgibt, muss man es sich gut überlegen. Wenn aufgeben, dann erst, wenn ich einen anderen fix habe.

Josef Heinz: Das Wirtschaftswachstum ist angeblich da. Aber das wirkt sich noch nicht richtig aus.

Christine Rosenbach: Das kann ich so schwer beantworten. Ich kann nur ermutigen: Auf jeden Fall nicht aufgeben! Also wenn ich arbeitslos bin, nicht aufgeben! Arbeit suchen, reden, nachfragen! Es sind sehr oft auch persönliche Kontakte, weil auf Grund persönlicher Kontakte, erfahre ich vielleicht eher wo etwas frei ist. Dann kann ich mich Ziel gerichtet bewerben. Ansonsten kann ich nur sagen: Es gibt Einrichtungen und Vereine, die auch Menschen anstellen, wie zum Beispiel der Verein „Null Handicap“. Der hilft dann auch nachher am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Ich würde solche Einrichtungen, die von Staatswegen oder von Landeswegen angeboten werden nützen.

Josef Heinz: Das wäre einmal ein Weg mit Sicherheitsnetz.

Christine Rosenbach: Richtig. Es ist ein Weg mit Sicherheitsnetz. Wenn ich arbeitslos bin, dann muss ich einfach alles daran setzen und alles tun, um einen Job zu finden. Nicht nur mich arbeitssuchend melden. Das ist einmal das Eine, das ist klar, sondern ich muss auch aktiv werden und aktiv suchen und ansprechen und fragen und Bewerbungen abschicken. Wie gesagt: Der Verein „Null Handicap“ in Niederösterreich ist eine sehr gute Einrichtung um hier zu vermitteln und auch Unternehmen davon zu überzeugen, dass Menschen mit Behinderungen ganz wertvolle Arbeitskräfte sind, wenn sie richtig eingesetzt werden.

Josef Heinz: Und trotzdem ist eigentlich die Behindertenquote sehr hoch.

Christine Rosenbach: Das ist auch klar. Aber wie gesagt ich kann nur sagen und ermutigen bitte Bewerbungen abschicken, nicht aufgeben und immer wieder schauen, dass man wo Fuß fasst!

Josef Heinz: Ich kenne das nur vom AMS: Die Leute müssen sich arbeitslos melden, wenn sie keinen Job haben. Dann müssen sie dort hin gehen. Sie schreiben wochenlang Bewerbungen und da kommt nichts. Gibt es da einen Weg oder ist das eher sinnlos?

Christine Rosenbach: Du hast es jetzt angesprochen: Die Tätigkeit des AMS, das ist einmal das Eine. Das ist außerhalb unserer Zuständigkeit. Das ist Bundessache. Aber ich kann nur noch einmal sagen: Was ich als Einzelmensch tun kann, ist aktiv suchen und möglichst viele Bewerbungen abschicken und alles nutzen, was angeboten wird. Also aktiv suchen, selber suchen, dann wird es vielleicht gelingen.

Josef Heinz: Die Talente sind ja beim behinderten Arbeitnehmer dar und der will seine Talente einsetzen, weil er sonst er ein Problem hat. Also muss er immer schauen, dass er aktiv bleibt.

Christine Rosenbach: Das ist richtig. Talente sind verteilt auf alle Menschen. Jeder Mensch hat seine Talente. Da spielt auch die Behinderung keine Rolle. Es geht einfach darum, dass ich als Arbeitgeberin oder Arbeitgeber dieser Talente erkenne. Das setzt voraus, dass ich zuerst einmal wissen muss, welche Fähigkeiten und welche Talente ich für meinen Job, den ich vergeben möchte, brauche. Dann suche ich mir auf dem Arbeitsmarkt diese Menschen. Da darf ich mir keine Vorurteile leisten: Indem ich zum Beispiel sage, der ist behindert, der kommt schon gar nicht in Frage. Damit gehen nämlich vielleicht wertvolle Talente verloren, die ich gar nicht sehe, weil ich gar nicht genauer hinschaue. Das zweite: Es gibt auch Vorurteile gegenüber Frauen. Auch noch vor zehn, fünfzehn Jahren, gab es sehr oft das Vorurteil: Na eine junge Frau nehme ich lieber nicht auf in mein Unternehmen, die könnte schwanger werden und ein Baby bekommen und dann weg sein. Da investiere ich vielleicht gar nicht so viel. Also auch dieses Vorurteil gab es gegenüber Frauen generell. Das hat natürlich Frauen das Fuß fassen in der Arbeitswelt sehr erschwert. Dasselbe gilt für Menschen mit Behinderungen. Auch darum geht es, dass Menschen mit Behinderungen die Chance bekommen, zu zeigen, was sie können.

Josef Heinz: Du hast es vorher gesagt: Den nehme ich nicht. Der ist behindert. Er hat ja seine Talente. Nur wenn der Arbeitgeber gar nicht einmal schaut, was kann er für meinen Betrieb leisten, dann kommt er gar nicht dran.

Christine Rosenbach: Wenn jemand gar nicht schaut was jemand leisten kann, dann entgeht dem anderen aber auch eine große Chance. Gerade, dass kann die richtige Arbeitskraft für diesen Job sein. Es geht eigentlich auch darum, dass man Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen sensibilisiert und darauf aufmerksam macht hinzuschauen. Nicht von vornherein auf Grund von Vorurteilen abzuklassifizieren und nein zu sagen. So wie man es früher oft bei Frauen für bestimmte Positionen gemacht hat. Auch das muss man sich abgewöhnen, im Bereich von Menschen mit Behinderungen. Es gibt genug Menschen mit Behinderungen, die ganz tolle Talente haben und die eine tolle Arbeitsleistung bringen. Man muss die richtigen Zwei zusammen bringen. Dann passt es und das ist das große Kunststück. Aber das sollten eigentlich Personalisten und Personalistinnen können, da dies ihr Geschäft ist.

Josef Heinz: Die Unternehmer zahlen lieber die Pönale bevor sie behinderte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einstellen. Warum das?

Christine Rosenbach: Das hängt mit dem Vorurteil zusammen. Denn wenn ich jetzt als Unternehmerin sage, dass ich keinen behinderten Menschen will, dass mir das zu viele Umstände macht und die Pönale ist nicht so hoch, dann ist es eine einfache Milchmädchenrechnung, dass ich sage, ich zahle lieber einen gewissen Geldbetrag und erspare mir damit Probleme. Da muss man einen Strich durch die Rechnung machen. Entweder man erhöht die Pönale oder man treibt die Sensibilisierung voran und schafft das Bewusstsein, dass Menschen mit Behinderungen Qualifikationen, Fähigkeiten, Einsatzbereitschaft und Motivation mitbringen. Das muss man als Unternehmer eben sehen und erkennen. Dann muss man den Menschen die Chance geben.

Josef Heinz: Aber auch sehen wollen. Du hast gerade gesagt man könnte es erhöhen. Was ist, wenn man es zum Beispiel auf ein normales Gehalt erhöht? Würde es dann vielleicht anderes ausschauen?

Christine Rosenbach: Ich würde einen anderen Weg beschreiten und sagen, wenn jemand einen Posten oder einen Job nicht bekommt und der Unternehmer oder die Unternehmerin sagt, wegen der Behinderung, also wenn es offensichtlich ist, dann besteht die Möglichkeit, Schadenersatz geltend zu machen.

Dann kann ich als Mensch mit Behinderung zum Sozialministeriumsservice gehen, einen Schlichtungsversuch anstrengen und dann, wenn eben keine Schlichtung zu Stande kommt, kann ich auch den Schadenersatzanspruch geltend machen. Das tut einem Unternehmen dann vielleicht schon auch weh! Aber ist vielleicht auch lehrreich, weil sie dann auch mitbekommen, dass da schon auch Qualifikationen da sind. Dann passiert es beim nächsten Mal vielleicht nicht so einfach. Es ist nicht dem Image förderlich, wenn bekannt wird, dass ein Unternehmen diskriminiert.

Josef Heinz: Ich sage einmal man muss die Unternehmen erziehen, stimmt das?

Christine Rosenbach: Ich würde sagen, dass ist von dir jetzt sehr gut formuliert. Richtig, man muss sie auch sanft und liebevoll erziehen und manchmal auch zu ihrem Glück hinbringen.

Josef Heinz: Also man muss sie zu ihrem Glück zwingen?

Christine Rosenbach: Zum Glück hinbringen sage ich jetzt einmal.

Josef Heinz: Es muss doch einen Weg geben, dass man das einmal eindämmt. Es kann ja nicht der Sinn sein, dass man das einfach so stehen lässt!

Christine Rosenbach: Ich glaube es ist einfach ein Prozess. Das ist eine Sache die nicht von einem Jahr zum anderen oder bis zum nächsten Jahr stattfindet. Das ist ein ziemlich langwieriger Bewusstseinsprozess. Immer, wenn es um Einstellungen von Menschen geht, brauche ich relativ lange um diese Einstellungen zu ändern. Wenn jemand die Einstellung hat: ein Mensch mit Behinderung kann nie das leisten, was ein Mensch ohne Behinderung leistet, dann habe ich viel Arbeit vor mir um dieses Vorurteil wegzubringen. Weil ich das Vorurteil im Kopf drinnen habe. Da nutzt im Grunde genommen kein Gesetz. Das Gesetz hilft mir nur dann, wenn ich mich zur Wehr setzen kann und derjenige dann Schwarz auf Weiß im Urteil den Schadenersatz aufgebrummt bekommt, weil er dann Schwarz auf Weiß, dass das nicht richtig war, was er gemacht hat. Dann hilft es. Aber der Prozess muss selber im Kopf passieren.

Josef Heinz: Bei mir ist es jetzt ungefähr 45 Jahre her. Also da hat sich nicht viel geändert.

Christine Rosenbach: Ich kann nicht auf diese reichhaltige Erfahrung zurückblicken wie du. Ich kann nur sagen, dass sich in den letzten zehn, fünfzehn Jahren hat schon einiges bei den Einstellungen geändert hat. Ich sehe es im Frauenbereich. Da ist schon einiges von statten gegangen und sehr viel zu einer positiven gleichwertigen Einstellung gekommen. Ich denke mir, dass wir noch nicht so lange so massiv im Behindertenbereich gearbeitet haben. Wenn wir das tun, dann wird es auch im Bereich der Menschen mit Behinderungen besser und es ändern sich sukzessive langsam die Einstellungen zu Menschen mit Behinderungen.

Josef Heinz: Könnte man das ein bisschen beschleunigen?

Christine Rosenbach: Ja, indem wir alle immer mehr darüber reden. Indem wir einfach das Thema anreißen. Indem wir einfach informieren. Indem wir darauf hinweisen. Aber nicht nur mit der Rute drohen, sondern auch das Positive und das Gute hervorkehren. Wirklich sagen Menschen haben Qualifikationen. Menschen haben Talente. Wir haben alle Talente mitbekommen. Es geht darum, dass man für jeden Menschen einen passenden Arbeitsplatz hat. Das Kunststück ist nur, diese zwei Richtigen zu finden.

Da braucht es einfach sehr viel Wissen aber auch die richtige Einstellungen und die Offenheit dazu. Da muss man einfach sehr viel reden und immer wieder darauf hinweisen.

Josef Heinz: Kann das auch der Monitoring Ausschuss machen?

Christine Rosenbach: Der Monitoring Ausschuss kann das indirekt machen. Indem er zu den Gesetzen Begutachtungen abgibt. Indem er Empfehlungen ausspricht. Indem wir auch einmal im Jahr eine öffentliche Sitzung abführen, wo auch Selbstvertreterinnen und Selbstvertreter, Organisationen und interessierte Menschen kommen können und ihre Statements, ihre Wünsche und ihre Vorstellungen sagen können. Dieser Austausch und diese Öffentlichkeitsarbeit sind einfach wichtig um das Thema in die Öffentlichkeit zu bringen. Wenn das viele Stellen machen, dann wird es in den nächsten Jahren immer besser werden.

Josef Heinz: Du hast vorhin gesagt, dass es sich in den Köpfen abspielt. Jetzt komme ich ein bisschen zur Barrierefreiheit. Was nützt eine bauliche Barrierefreiheit, wenn es nicht im Kopf frei ist?

Christine Rosenbach: Die Barriere im Kopf kann ich schwer rein mit einem Gesetz wegbringen. Die Barriere im Kopf muss die betreffende Person zunächst einmal selbst erkennen. Man muss selbst erkennen, dass man ein Vorurteil hat. Erst dann kann man daran arbeiten und schauen, dass man es wegbekommt. Gesetze können nur mithelfen, dass die Handlungen, die nach außen treten, korrekt sind. Wenn jemand diskriminiert, handelt er nicht korrekt und wäre schadenersatzpflichtig. Das ändert aber nichts daran, dass die Barriere im Kopf noch immer da ist. Also dieses Vorurteil. Da muss man einfach reden, reden und nochmals reden.

Josef Heinz: Ich will jetzt einmal eher das Positive herauskehren. Es gibt schon Betriebe, die sehr wohl behinderte Arbeitnehmer aufnehmen. Aber der Großteil sträubt sich ein bisschen. Das ist glaube ich diese Barriere die ich meine. Bauliche Barrieren die kann ich entfernen. Aber die Kopfbarriere nicht und wie kann ich das trotzdem hinbringen?

Christine Rosenbach: Also mein Weg dafür ist einfach der: Ich kann es jetzt nur wiederholen, dass man einfach Menschen sensibilisiert und vor allem auch im Bereich der Menschen ohne Behinderungen. Meine Ideen dafür waren: Es gibt keinen Menschen, der nicht in seinem Verwandtenkreis oder in seinem Freundeskreis Menschen mit Beeinträchtigungen hat. Sei es jetzt Mobilitätseingeschränkte Menschen oder sei es sinneseingeschränkte Menschen. Jeder von uns hat Freunde oder Verwandte, die eine Beeinträchtigung haben. Wenn ich diese Menschen und diese Angehörigen erreiche, dann habe ich starke Befürworter und Befürworterinnen für Barrierefreiheit, weil ich dann selbst betroffen bin. Wenn ich mit meiner Mutter oder mit meinem Partner nicht mehr in ein Lokal gehen kann oder ein Theater nicht besuchen kann oder wenn der Partner, wegen diesem Vorurteil: Wir wollen keinen Behinderten in unserem Betrieb haben, einfach keinen Job findet, dann ist das für mich unmittelbar spürbar und tut mir weh. Dann setze ich mich auch für Menschen mit Behinderungen ein. Da kann man sehr viele Verbündete gewinnen. Das ist dann glaube ich eine sehr große Anzahl von Menschen. Wenn die alle dann darüber reden und positiv darüber sprechen, dann setzt sich etwas in Bewegung. Dieser Bewusstseinsprozess kommt dadurch auch ins Laufen. Irgendwann einmal wird das dann in die Köpfe hineinkommen, dass die Barrieren draußen sind, weil das so gehört.

Josef Heinz: Es gibt ja das alte Sprichwort: Durch das reden kommen die Leute zusammen. Wäre das so gut formuliert?

Christine Rosenbach: Das wäre sehr gut formuliert. Das ist ein altes Sprichwort, aber es passt.

Josef Heinz: Nur habe ich manchmal den Eindruck dass die Leute nicht mehr wirklich miteinander sprechen. Da spielt die Technik rein: Internet, Computer, Tablet. Die Menschen haben dann gar nicht mehr die Möglichkeit miteinander zu kommunizieren.

Christine Rosenbach: Ich bin eine große Verfechterin von unpersönlichen Kontakten. Also Telefongespräche gehen noch. Da habe ich auch noch einen persönlichen Kontakt zu einem Menschen. E-Mail Kontakt oder Facebook ist schon ein bisschen anonymer sage ich jetzt. Aber persönliche Kontakte sind für mich das Wichtigste, weil ich glaube, dass uns Menschen das ausmacht, dass wir miteinander in Kontakt treten. Da höre ich ja nicht nur die Stimme des Anderen sondern ich sehe auch seine Reaktion und seine Augen. Da kann ich den Menschen in seiner Gesamtheit erfassen. Was ich bei Facebook oder bei E-Mail nicht wirklich kann. Ein bisschen mehr zwischenmenschliche Kontakte, miteinander reden und auch ansprechen. Es gibt auch Berufsmessen zum Beispiel, wo Unternehmen Stände haben und wo man auch hingehen und ansprechen kann. Es geht einfach darum, miteinander zu reden.

Josef Heinz: Das könnte ja auch ein Punkt sein, dass sich jemand dann nicht vorstellen kann, wenn er zum Vorstellungsgespräch kommt. Der Andere glaubt dann, dass er es gar nicht kann obwohl er es einfach nicht mehr gewohnt ist.

Christine Rosenbach: Er ist es gar nicht mehr gewohnt. Richtig. Aber dazu gibt es auch Vorbereitungskurse, wo man zumindest die Grundsätze eines Vorstellungsgespräches mitbekommt. Ich würde auch empfehlen, dass ich mich vorher einmal erkundige, worauf ich bei einem Vorstellungsgespräch achten muss, wie ich angezogen sein sollte, wie mein Lebenslauf von Aussehen her gestaltet sein sollte und wie ich dort auftreten sollte, bevor ich komplett unvorbereitet in ein Vorstellungsgespräch gehe. Da wäre es nicht schlecht vorher ein Breathing zu machen. Das da zumindest keine formalen Fehler passieren, sodass dann der Andere sagt: Das passt vom Auftreten her nicht. Da kann man auch schon vorher in der Vorbereitung was machen.

Josef Heinz: Da kommt man schon ganz anders hin, weil er das schon durchgeschaut hat und dann hat er vielleicht ein anderes Bild von ihm.

Christine Rosenbach: Genau. Aber da gibt es meines Wissens nach Vorbereitungsmöglichkeiten und Coaching Möglichkeiten wie man sich richtig vorstellt bei einem Betrieb.

Josef Heinz: Wir müssen uns voneinander verabschieden. Ich sage herzlichen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast und ich darf mich jetzt von dir mit einer Absage verabschieden. Sie hörten ein Interview mit Doktorin Christine Rosenbach, der Vorsitzenden des Niederösterreichischen Monitoring Ausschusses. Nähere Informationen zu dieser und andere Sendungen finden Sie unter www.freak-radio.at. Am Mikrofon verabschiedet sich Josef Heinz.

Transkription von Nadine Fischl


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