Inhalt:
.Aktuelles:
Freak-Casters: Debora Maboya – Inklusion mit Comics und Animationsfilmen
Klicken Sie hier, um diese Folge zu hören!
In unserer heutigen Folge stellen wir euch Tai...
Wanted: Superassistenz – mit Monika Haider
Menschen mit Behinderungen wollen selbstbestimmt leben, dafür brauchen sie die Unterstützung von...
Gebärden mit Barrieren
Zukunftsaussichten für Gebärdensprache an Österreichs Schulen und Universitäten
Podiumsdiskussion im Rahmen der Tagung Sprache Macht Wissen
Barbara Gerstbach: Ich möchte jetzt gleich beginnen, Ihnen das Podium vorzustellen. Zuvor muss ich Ihnen leider mitteilen, dass Ministerialrat Dr. Johann Popelak vom Wissenschaftsministerium leider am Freitag absagen musste und auch keine Vertretung mehr schicken konnte. Er war für das Podium angekündigt. Das tut uns sehr Leid, weil gerade Ministerialrat Popelak wichtig war, vor allem sein relativ rasches OK zur Finanzierung der Studie. Er hat das sehr schnell ins Rollen gebracht, und wir haben ihn jetzt leider nicht da als Ansprechpartner des Wissenschaftsministeriums. Aber ich freue mich sehr, dass Frau Ministerialrätin Mag. Lucie Bauer vom Unterrichtsministerium, die ja schon den ganzen Tag bei uns ist, hier vorne sitzt und für Ihre Fragen zur Verfügung steht. Sie ist zuständig in der Sektion 1 Abteilung 8 für die Sonderpädagogik, also zuständig auch zum Beispiel für die Gehörlosenschulen. Aber näheres, denke ich einmal, können Sie dann direkt die Frau Bauer fragen.
Weiters am Podium werden noch die Katharina Schalber und die Verena Krausneker sitzen. Das heißt, sie stehen jetzt auch noch für detailliertere Fragen zur Verfügung. Und wir haben jetzt eine knappe Stunde Zeit, um genau das zu diskutieren, was Ihnen am Vormittag präsentiert wurde: Die Situation an der Uni Wien, an den Universitäten bzw. an der Bildungssituation, sei es jetzt Gehörlosenschulen oder Integrationsschulen in ganz Österreich. Ich möchte gerne die Diskussion beginnen und eingangs Frau Mag. Bauer fragen, wie die Studie von ihrem Ministerium aufgenommen wurde. Sie haben die Studie mit beauftragt, mit herausgegeben, mit finanziert, waren für Sie die Studienergebnisse überraschend in der Form, wie sie jetzt da liegen oder war es das, was Sie erwartet haben?
Lucie Bauer: Natürlich mit großer Spannung und mit großem Interesse! Ob die Ergebnisse überraschend waren, nun, wir haben natürlich so eine Studie zum allerersten Mal gemacht und daher konnten wir natürlich nicht wirklich wissen, was jetzt im Detail herauskommt. Es hat schon viele Vermutungen gegeben, aber wir haben das bis jetzt noch nie wissenschaftlich abgesichert, daher haben wir jetzt einmal hier schwarz auf weiß Ergebnisse, mit denen wir uns natürlich mit großem Interesse auseinander setzen werden.
Barbara Gerstbach: Gibt es da Fragen direkt, gleich anschließend oder ganz anderer Natur aus dem Publikum? (Pause) Niemand noch? Niemand? Dann werde ich weiterfragen. Ich habe mir ein paar Fragen überlegt, mich würde nämlich interessieren, weil Sie gesagt haben, es geht um die Umsetzung. Ich denk mir es waren sehr viele Vorschläge, es sind ja wahnsinnig viele Vorschläge in vielen Details, wo ich es mir vorstellen kann, dass es in beiden Ministerien, in beiden betroffenen Ministerien eine Reihe von Schritten nötig ist, um zu überlegen, was man und wie man das umsetzen kann, aber vielleicht können Sie schildern, was vielleicht schon passiert ist, seitdem Sie die Studienergebnisse kennen oder was geplant ist an Umsetzung, Veränderung, Ideen.
Lucie Bauer: Also, was schon geschehen ist, das wurde heute am Vormittag schon einmal angesprochen, das hat jetzt direkt mit der Studie nichts zu tun, aber wir haben ja einen neuen Lehrplan für die (immer noch) Sonderschule für gehörlose Kinder - so heißt diese Schulart - so steht es im Schulorganisationsgesetz drinnen und das ist ein Lehrplan, der die aktuellen Entwicklungen in der Gehörlosenpädagogik ebenso berücksichtigt wie auch die aktuellen Entwicklungen, die sich im Schulwesen durch die Implementation der Integration ergeben haben und die dadurch zu sehr vielen Veränderungen geführt haben. Es gibt aber natürlich noch eine Menge von anderen Ansatzpunkten, mit denen wir uns in der Folge weiter beschäftigen werden.
Sie haben auch schon heute angesprochen, die Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer, wie Sie ja wissen, diese Ausbildung für GehörlosenlehrerInnen findet berufsbegleitend statt, daher waren wir seit vielen Jahren immer in der Lage, diese Ausbildung bundesweit anzubieten. Das hat einen ganz einfachen Grund: In den Bundesländern finden sich in der Regel nicht so viele Lehrerinnen und Lehrer, die diese Ausbildung im Bundesland machen wollen, sodass wir das zentrieren müssen. Die Umstrukturierung der Pädagogischen Akademien, also ihre Umwandlung in die Pädagogische Hochschulen hat dazu geführt, dass wir hier jetzt mit einer neuen Ausbildung beginnen werden. Wobei ich aber schon dazu sagen muss, das wird Ihnen ja auch bekannt sein, dass die Pädagogischen Hochschulen natürlich eine weitestgehende Autonomie haben, auch was die Gestaltung der Curricula betrifft. Trotzdem haben wir eine sehr gute Vernetzung und Kooperation, wo wir auch unsere Vorstellungen mit den Zuständigen und Verantwortlichen kommunizieren können.
Mag. Helene Jarmer, Präsidentin des Österreichischen Gehörlosenbundes (in Gebärdensprache): Frau Ministerialrätin Bauer, wir kennen uns ja schon sehr gut, ich freue mich auch sehr, dass sie heute bei dieser Veranstaltung anwesend sind und ich möchte jetzt gern einige Punkte bezüglich des Lehrplans erwähnen. Zuerst einmal vielen herzlichen Dank, dass der österreichische Gehörlosenbund da involviert wird, obwohl viele DirektorInnen eigentlich dagegen waren und Sie uns diese Möglichkeit gegeben haben.
Bezüglich des Lehrplans, also des alten Lehrplans, der novelliert wurde: Die Universität Wien, der Bereich Sprachwissenschaft, das angewandte Institut für Verballinguistik und die Uni Klagenfurt, der Österreichische Gehörlosenbund und noch einige Institute haben eine Stellungnahme bezüglich des Lehrplanes geschrieben.
Das war im Herbst, das ist an Sie gegangen und ich frage mich jetzt, was bis dato passiert ist, der österreichische Gehörlosenbund hat klar aufgezeigt, was die Bedürfnisse sind. Der bilinguale Unterricht und auch die Gleichstellung der Kinder, das wurde klar aufgezeigt, vielleicht, einige wissen nicht konkret den Inhalt des Lehrplanes, also es wurde nicht dezidiert ausgeführt, bezüglich der Sprache, welche Sprache unterrichtet wird. Meine Frage ist nun: Wie schaut es jetzt nun im Zusammenhang mit dieser Studie aus? Das ist meine erste Frage an Sie. - Und auch, ob unsere Vorschläge darin berücksichtigt werden bzw. angenommen werden, auch in der LehrerInnenausbildung. Ich weiß, dass das nicht der Bereich des Unterrichtsministeriums ist, sondern eigentlich das des Wissenschaftsministeriums. Allerdings ist es auch die Frage: Wie steht es auch im Zusammenhang mit dieser Studie: Müssen dann alle LehrerInnen diese Sprachkompetenz auch aufweisen? Wird das auch überprüft werden? Wie schaut das aus, wie schauen die Maßnahmen konkret zu diesem Punkt aus? Die allgemeinen Punkte bezüglich der Kinderrichter sind nicht optimal, ich denke es ist gut, dass es hier thematisiert wurde und dass es auch klar aufgezeigt wurde. Ich denke, dahin gehend haben wir auch schon diskutiert, es gibt genügend Beweise in diese Richtung. Darum frage ich jetzt auch noch einmal, konkret: Wie wird es aussehen, in welche Richtung wird das gehen? Welche Umsetzungen sind zu erwarten? Ich weiß, dass das nicht von heute auf morgen passieren kann, aber trotz all dem: in welche Richtung? Bitte um Ihre Stellungnahme.
Lucie Bauer: Ja, wenn ich vielleicht von hinten nach vorne beginnen darf, eine ganz kleine Korrektur, Frau Magistra Jarmer, Sie haben erwähnt, dass die Pädagogischen Hochschulen in der Zuständigkeit des Wissenschaftsministeriums liegen, das stimmt nicht, sie sind nach wie vor in der Zuständigkeit, in der Verantwortung des Unterrichtsministeriums (Anm. der Redaktion: Das ist nur teilweise richtig: Die Verantwortung der Lehramtsstudien für Allgemeinbildende und Berufsbildende Höhere Schulen ist in Verantwortung des Wissenschaftsministeriums).
Ich habe vorher erwähnt, dass die Pädagogischen Hochschulen jetzt weitgehende Autonomie haben, was die Gestaltung der Curricula betrifft. Das Ministerium kann also nur mehr überprüfen, ob die Curricula rechtmäßig zustande gekommen sind. Ich habe aber auch vorher schon gesagt, dass wir trotzdem ein sehr gutes Netzwerk haben, sowohl auf der Ebene der PraktikerInnen, als auch auf der Ebene der verantwortlichen Pädagogischen Hochschulen, von denen wir natürlich diese Fragen auch diskutieren und thematisieren.
In der Ausbildung der GehörlosenlehrerInnen hatten wir bis jetzt immer schon einen bestimmten Stundenanteil, in denen Grundlagen der Gebärdensprache vermittelt wurden. Die neuen Curricula sind im Moment noch nicht fertig, daher kann ich Ihnen jetzt im Detail auch dazu noch nicht sagen, ob dieser Stundenanteil erhöht wurde. Aber, was mir ganz wichtig ist, das muss ich hier an dieser Stelle schon auch betonen, es ist im Rahmen dieser Ausbildung sicherlich nicht möglich, die Lehrerinnen und Lehrer vollständig mit Gebärdensprachkompetenzen auszurüsten. Das sind dann Maßnahmen, die in der LehrerInnenfortbildung fortgesetzt werden müssen.
Wie Sie ja wahrscheinlich wissen, ist es seit einigen Jahren so, dass PflichtschullehrerInnen jedes Jahr eine verpflichtende Fortbildung absolvieren müssen, daher sind hier auch die Schwerpunkte von den Lehrerinnen und Lehrern zu setzen. Ich darf nur erinnern: An den Pädagogischen Akademien, an den Akademischen Instituten, wurden berufsbegleitend für die LehrerInnenfortbildung Kurse für Gebärdensprache angeboten.
Das wird auch ein Auftrag an die pädagogischen Hochschulen sein, dass sie diese Fortbildungsmaßnahmen fortsetzen werden.
Ihre erste Frage hat den neuen Lehrplan betroffen und die Frage war, in wie weit die Stellungnahmen berücksichtigt worden sind. Es sind natürlich nicht nur vom Gehörlosenbund, von der Universität Wien und anderen Einrichtungen, die Sie genannt haben, Stellungnahmen gekommen, es sind auch Stellungnahmen von den Bundesländern, von den Landesregierungen, Landesschulräten eingelangt, und wir haben jetzt alle diese Stellungnahmen und Ergänzungen, die einfach eine sachliche und fachliche Verbesserung und Richtigstellung bedeuten, in diesen Entwurf eingearbeitet.
Sie haben auch die Frage angesprochen, ob der bilinguale Unterricht mit dem Lehrplan geregelt wird, dazu muss ich sagen, eine Unterrichtsform, eine Unterrichtsorganisation, kann nie durch einen Lehrplan geregelt werden, die Möglichkeit dazu besteht ja jetzt schon. Und wie die Studie gezeigt hat, gibt es auch bilingualen Unterricht in einigen Klassen. Der Lehrplan selbst kann nur die Voraussetzungen schaffen, dass bei entsprechender Unterrichtsorganisation, beim Vorhandensein der Schülerinnen und Schüler, die diesen Unterricht in Anspruch nehmen wollen, diese Möglichkeit dann auch besteht.
Wir können aber in einen Lehrplan nicht hineinschreiben, dass bilingualer Unterricht stattfinden soll, das lässt einfach die Lehrplansystematik nicht zu. Die Gebärdensprache, die bis jetzt nicht im geltenden Lehrplan der Sonderschule für gehörlose Kinder verankert war, haben wir jetzt im Lehrplan ebenso eingearbeitet, wie auch andere Maßnahmen für Kinder, die zum Beispiel lautsprachlich oder hörgerichtet gefördert werden.
Meldung aus dem Publikum, Gehörlosendolmetscher: Ich möchte eine Frage stellen, ich habe jetzt einige wichtige Punkte erfahren und ein Teil meiner Frage wurde durch Ihre jetzige Antwort schon beantwortet, aber ich habe das Gefühl, wenn ich so drüber nachdenke, ich frage mich: Was ist wichtig, sind die Kinder wichtig oder sind die Lehrer wichtig? Worauf kommt es in erster Linie an? Wer von beiden ist jetzt wichtiger? Die Kinder oder die Lehrer?
Lucie Bauer: Nun, ich denke einmal, dass die Schule für die Kinder da ist. Das heißt, dass Lehrerinnen und Lehrer alle jene Methoden beherrschen sollen, die erforderlich sind, um Kinder gut zu fördern. Das gilt für mich jetzt generell einmal, speziell natürlich auch für Kinder, die besondere Bedürfnisse haben.
Im Mittelpunkt stehen natürlich die Schülerinnen und Schüler. Die zweite wesentliche wichtige Gruppe sind natürlich die Lehrerinnen und Lehrer, dass sie jene Kompetenzen haben, die sie brauchen, um die SchülerInnen, die eben ganz unterschiedliche Bedürfnisse haben, auch entsprechend gut und individuell fördern zu können.
Verena Krausneker: Nachdem eine der Stellungnahmen zum Lehrplan vom Institut für Sprachwissenschaft kam, wollte ich wissen, gibt es jetzt eine zweite Runde, in der dieser Begutachtungsentwurf noch einmal angeschaut werden kann?
Lucie Bauer: Darf ich dazu nur ergänzend sagen: Die Begutachtungsfassung eines Lehrplans wird einmal ausgesendet und dann werden die Stellungnahmen vom Ministerium eingearbeitet, in die endgültige Verordnung.
Verena Krausneker: Danke vielmals für die Klärung. Zu der LehrerInnenausbildung, ich bin - Sie sind auch Lehrerin, Sie haben eine LehrerInnenausbildung, natürlich sind die Schüler und Schülerinnen wichtiger, es ist, glaube ich, durch die Studie sehr klar geworden, dass einiges nicht optimal ist und dass es den Bedarf gibt, etwas zu ändern. Und ich glaube, dass diese Änderung nicht bei den SchülerInnen passieren wird, sondern abhängt von den LehrerInnenkompetenzen und Lehrer, der Ausrüstung der LehrerInnen, und ich frage mich, ob es ausreichend sein wird, in den Angeboten für LehrerInnen das fortzusetzen, was es gibt. Ich frage mich, ob es da nicht die Möglichkeit gibt, etwas daran zu ändern, dass in Österreich LehrerInnen diese Kompetenzen nur berufsbegleitend erwerben können, oder ob es nicht die Möglichkeit gibt, bereits vorher etwas anzubieten? In vielen anderen Ländern ist das anders geregelt: Die Ergebnisse der Studie zeigen ja ganz klar, dass es nicht ausreichend ist, was LehrerInnen an Kompetenzen derzeit haben. So wie es derzeit aussieht, haben sie 30 Stunden gebärdete Kommunikation, das reicht einfach nicht! Das ist nicht einmal eine Grundlage!
Und die Verantwortung dafür, oder die Entscheidung darüber jetzt den neu gegründeten PHs zu überlassen: Könnte man sich da irgendwie konstruktiv einbringen und sich zum Beispiel Modelle aus anderen Ländern zu Rate ziehen könnte, anstatt jetzt - ja, das Rad von Neuem zu erfinden?
Lucie Bauer: Wollen wir sammeln, oder soll ich gleich drauf antworten? (Pause) Ja, ich weiß, Sie haben das heute am Vormittag auch schon als ein Studienergebnis erwähnt, dass es aus Ihrer Sicht sinnvoll erschiene, eine Ausbildung anzubieten, die bereits ansetzt, bevor die Lehrerinnen und Lehrer in Hörbehinderteneinrichtungen unterrichten.
Das ist eine Frage, mit der wir uns vor langer Zeit schon beschäftigt haben, ob das eine sinnvolle Maßnahme ist. Es gibt verschiedene Überlegungen dazu, die dann dazu geführt haben, dass, eben bei diesen berufsbegleitenden Ausbildungen schon eine gewisse Anzahl an Jahren von Unterrichtspraxis sinnvoll erscheint. Und das wollen wir eigentlich auch beibehalten. Was aber nicht dagegen spricht, dass LehrerInnen, die wissen, dass sie eine Integrationsklasse bekommen, dass sie ein hörbehindertes Kind unterrichten, ja schon im Vorfeld dann entsprechende Angebote von den Pädagogischen Hochschulen in Anspruch nehmen können. Nur die Ausbildung zur Gehörlosenlehrerin, die wird also auch künftig berufsbegleitend durchgeführt werden.
Barbara Gerstbach: Wir haben jetzt 4 Wortmeldungen, ich möchte jetzt alle 4, der Georg fängt an, und dann hinten in der letzten Reihe gab es eine Wortmeldung, und dann wieder zu Ihnen.
Meldung aus dem Publikum, Gehörlosendolmetscher: Frau Ministerialrätin Bauer, vor 3 Jahren gab es eine sehr gute Idee, das Festival »Hände hoch«: Da ging es auch um das Thema Bildung, wir haben nach Schweden geschaut, in andere Länder Europas, es kamen Vortragende aus - Herr Johansson aus Schweden oder Matthias Johansson. Er hat gezeigt, wie das Bildungssystem in Schweden aufgebaut ist und wie gehörlose Kinder in Schweden Gebärdensprache verinnerlichen.
Und er hat selbst gesagt, er hat damals bei der Veranstaltung auch gesagt, dass Sie herzlich eingeladen sind, einmal nach Schweden zu kommen und sich das breite Angebot, das es dort gibt, anzuschauen, oder die gute Struktur, die dort vorhanden ist. Und meine Frage ist jetzt; Haben Sie schon die Möglichkeit genutzt, einmal über die Grenzen Österreich hinweg zu sehen, zum Beispiel nach Schweden? Und haben Sie auch das Recht der Kinder berücksichtigt, das in der UNO Konvention verankert ist? Geht hier eigentlich was weiter? Ich habe persönlich das Gefühl, dass sich der Bildungsbereich wie eine Schnecke, bewegt. Es wird viel über Formulierungen gestritten, sehr viel Papier erzeugt, aber was wird da wirklich getan? Wir haben Interesse daran, dass etwas weiter geht und wir möchten natürlich auch gerne zusammenarbeiten. Wir sind bereit zusammenzuarbeiten, um Fortschritte zu erzielen, die Frage ist wie.
Barbara Gerstbach: Gut, ich möchte noch ein paar Fragen sammeln, zuerst in der letzten Reihe. Da war eine Wortmeldung? Ganz am Ende?
Meldung aus dem Publikum: Ich frage mich auch bei den Ausführungen von Frau Bauer, warum es nur um die Pädagogischen Hochschulen geht und nicht auch um die Lehramtsfächer an der Uni Wien, weil ich es da für unerlässlich halte und auch aus dem internationalen Kontext kenne, dass Gebärdensprachpädagogik an den Unis unterrichtet wird, nur in Österreich nicht.
Ich vermisse es an den Lehramtsfächern an der Uni Wien (Klatschen im Publikum) - und, ja, ich kenne es eigentlich aus Berlin, ich habe mit Gebärdensprachpädagogen zusammengearbeitet und da gibt es gibt es das gar nicht. Und ich denke, dass sehr wohl von den Instituten an den Unis die Bereitschaft da wäre, Gebärdensprachpädagogik auch zu institutionalisieren und Gebärden zu erforschen. Woran es scheitert, ist die Finanzierung, und die liegt nicht an uns, sondern am Ministerium.
Meldung aus dem Publikum: Ich wollte noch einmal zurückkommen auf die Pädagogische Hochschule, wie sie jetzt heißt, und auf die Möglichkeit, für PädagogInnen, dort eine Ausbildung in Gebärdensprache zu erhalten. So wie wir in der Studie bereits gehört haben, sind sehr viele GehörlosenpädagogInnen wirklich daran interessiert, Gebärdensprache zu lernen, und es gab auch in den letzten vier oder fünf Jahren die Möglichkeit, einen Akademielehrgang zu besuchen. Leider, und obwohl die StudentInnen wirklich urgiert haben, war es im heurigen Schuljahr nicht möglich, diesen Akademielehrgang fortzusetzen.
Ich habe heute ebenfalls erfahren, dass die Pädagogische Hochschule in Linz ihr Gebärdensprachangebot in diesem Schuljahr auch nicht fortsetzen konnten, das heißt, es fehlt jetzt ein Jahr an Gebärdensprachausbildung für die PädagogInnen. Meine Frage ist, wie schaut es im nächsten Schuljahr aus, werden die Pädagogischen Hochschulen nun so weit sein, dass sie diese Akademielehrgänge fortsetzen können? Denn PädagogInnen haben eine zweijährige Ausbildung genossen, eine fundierte, und mussten jetzt im dritten Jahr aussetzen, obwohl es ein Curriculum für ein drittes Aufbaujahr gegeben hätte. Dieses hätte sie auch dazu befähigt, in ÖGS zu unterrichten und hätten wir uns einigermaßen einem bilingualen Ansatz nähern können.
Barbara Gerstbach: Noch eine Letzte in der Runde, ja?
Meldung aus dem Publikum: Das ist vielleicht eine ganz naive Frage: Ich komme auch von außen, also ich kenne mich mit der ÖGS auch gar nicht aus. Ich komm eigentlich aus dem Bereich der Migrationsforschung, aus dem sprachwissenschaftlichen Kontext für Migration. Wir wissen aus diesem Bereich, dass das Sprachvermögen eines Kindes sich dann entwickelt, wenn es einen komplexen Sprachinput von Anfang an gibt. Und jetzt höre ich, dass es möglich ist, dass Kinder, die gehörlos sind, in Schulen gehen, die Gehörlosenschulen sind, und Lehrer gerade diese Sprache nicht sprechen, die die Kinder brauchen. Und dann habe ich auch gehört, dass es Eltern gibt, die diese Sprache nicht sprechen Und ich frage mich: Wo lernen die Kinder diese Sprache eigentlich und wer ist verantwortlich dafür, dass diese Kinder sprachlich kompetent aufwachsen? Denn sie brauchen eine Sprache, von Anfang an! Ich bin entsetzt, dass es so etwas wie eine Kunstsprache gibt, die eine Funktion hat, also die LGB, - die eine gute Funktion hat, wenn es um zweisprachig- also wenn sozusagen kontrastiv gearbeitet wird, um Deutsch als Zweitsprache zu lernen. Aber wenn die jetzt beginnt, eine Ersatzsprache zu werden, ist das spracherwerbstheoretisch eine Katastrophe. - Weil sie die Komplexität, die notwendig ist, um Sprachvermögen zu entwickeln, nicht bieten kann, also das halte ich für sehr schlimm!
Es ist also eine ähnliche Diskussion im Kontext der Migration: Muss die Schule nicht auch in einer Gesellschaft, die vielfältig ist, die mehrsprachig ist, sicherstellen, dass Kinder in ihrer Sprachkompetenz wachsen können und in dem speziellen Fall der ÖGS, sicher stellen müssen, dass die Kinder die ÖGS in der Schule lernen? Denn die Eltern werden das vielleicht nicht gleich leisten können.
Barbara Gerstbach: Wir machen jetzt einen kurze Antwortphase und dann gibt es die nächste Fragerunde.
Lucie Bauer: So, jetzt mache ich es wieder anders herum, ich beginne mit dem Herrn, der zuerst gesprochen hat, und zwar: Sie haben mich an die Veranstaltung »Hände hoch!« erinnert, bei der ich ja auch - zumindest teilweise - dabei gewesen bin und Sie haben mich gefragt, ob ich in der Zwischenzeit in Schweden gewesen bin. Also, nach Schweden bin ich leider nicht gekommen, allerdings arbeite ich seit vielen Jahren im Rahmen der European Agency for Development, especially Needs Education mit.
Das ist eine europäische Organisation, in der alle EU-Staaten, auch Norwegen, Schweiz und Island vertreten sind, das heißt: Dort hab ich natürlich auch Kontakte zu schwedischen Kolleginnen und Kollegen. Sie haben das schwedische Modell erwähnt, und auch auf die Strukturen hingewiesen: Ich weiß natürlich Bescheid, wie Gehörlosenpädagogik in Schweden organisiert wird. In der Mittagspause habe ich mit einer Kollegin jetzt etwas ganz ähnliches diskutiert:
Es gibt immer wieder Modelle, die sehr bestechend sind. Nur ist es dann meistens schwierig, diese Modelle 1:1 in ein anderes Land zu übertragen, ganz einfach deshalb, weil die Strukturen und Rahmenbedingungen gänzlich unterschiedlich sind!
Ich sage nur als Stichwort: Die Zuständigkeiten in einem föderalistischen Land, wie es Österreich ist, machen bestimmte Dinge, die anderswo eben möglich sind, bei uns entweder gar nicht möglich oder es wird eben sehr sehr lang dauern, bis es da zu Veränderungen kommt. Ich glaube, das ist ja auch von Ihnen angesprochen worden, dass oft nicht klar ist, wieso eigentlich nichts bei uns weiter geht. Ich glaube, ohne dass das jetzt eine Ausrede sein soll, es ist natürlich in einem föderalistischen System sehr viel zeitaufwändiger als in einem zentralistischen System, Veränderungen auch durchzusetzen.
Die zweite Frage betrifft mich eigentlich nicht wirklich und zwar deshalb, da geht es geht es um das Lehramtstudium für Allgemeinbildenden Höhere Schulen. Da möchte ich dazu sagen: Das betrifft mich insofern nicht, weil es hier um eine universitäre Ausbildung geht. Da müsste man mit einer Kollegin / einem Kollegen aus dem Wissenschaftsministerium sprechen, das Unterrichtministerium ist für diese Ausbildungen nicht zuständig, denn die Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern ist eben getrennt - und für PflichtschullehrerInnen findet sie an der Pädagogischen Hochschule - und für Lehrerinnen und Lehrern an Allgemein Bildenden Höheren Schulen an der Universität statt. Habe ich Ihre Frage vorhin vielleicht falsch verstanden, weil Sie jetzt ein bisschen den Kopf schütteln?
Barbara Gerstbach: Nichts dazu? (Pause, es meldet sich jemand aus dem Publikum) Kann er jetzt direkt drauf antworten, Frau Bauer, ist das ok?
Meldung aus dem Publikum, Gehörlosendolmetscher: Vielen Dank für Ihre Antwort. Die Entwicklung bis jetzt ist mir jetzt klarer geworden, aber es gibt so viele Barrieren. Die PHs, die Pädagogischen Hochschulen, dass die den Gebärdensprachunterricht nicht im entsprechenden Ausmaß im Angebot haben: warum kann man nicht gleich für alle, die Interesse haben, am Beginn der Ausbildung sagen: "Ihr habt die Möglichkeit, Gebärdensprache schon von Beginn der Ausbildung an zu lernen." Wenn ich jetzt in der hörenden Schule sitze und mir sehr viel Information verloren geht, dann ist der Schulabschluss vorbei und ich habe eigentlich ein relativ geringes Wissen erworben.
Ich brauche doch vorher schon Information! Es gibt ja auch gehörlose Lehrer, es könnte ein gehörloser Lehrer als Begleiter eingesetzt werden, der hörende Lehrer unterrichtet. Trotz Anerkennung der Gebärdensprache, habe ich nicht das Gefühl, dass hier eine Gleichbehandlung stattfindet. Ich habe heute das Gefühl, dass ich als Gehörloser durch dieses Bildungssystem diskriminiert werde. Es tut mir leid, dass ich das offen sage, aber ich bin ein Betroffener und ich muss ganz ehrlich sagen, ich fühle mich durch Ihre Antwort sehr betroffen und diskriminiert.
Lucie Bauer: Ihre letzte Frage kann ich vielleicht gleich mit der Anfrage von der Kollegin verbinden, die gefragt hat, wann es wieder eine neue Ausbildung geben wird. Wie Sie wissen, sind die Pädagogischen Hochschulen ja jetzt erst mit 1. Oktober 2007 in ihren neuen Status übergetreten. Das heißt, Sie haben mit Oktober 2007 den Lehrbetrieb aufgenommen.
Da ist es natürlich im Augenblick noch, auch aus unserer Sicht, noch nicht zufriedenstellend, was alle Angebote betrifft. Wir hätten uns auch sehr gewünscht, dass wir sofort, und da komm ich jetzt auch auf Ihre Frage zurück, die Ausbildung für die gehörlosen und hörbehinderten LehrerInnen nahtlos anschließen können. Leider war das im Zug der Umstrukturierung eben nicht möglich. Die Ausbildung wird meines Wissens nach im Sommersemester 2008 beginnen, und, wie ich schon vorher gesagt habe, werden wir natürlich auch einen Auftrag an die Pädagogischen Hochschulen formulieren:
So wie bereits in der Vergangenheit wollen wir Ausbildungen im Rahmen der Fortbildung, Gebärdensprachkurse anbieten, die Lehrerinnen und Lehrer natürlich auch schon, bevor sie die Ausbildung machen, in Anspruch nehmen können.
Es ist jetzt noch die Frage jener Kollegin offen, die ihren wissenschaftlichen Hintergrund über die Migrationsforschung hat.
Ihre Frage war, wieso die Schule nicht sicher stelle, dass alle Kinder in der österreichischen Gebärdensprache unterrichtet werden. Nun, Sie wissen, das ist, glaube ich, auch schon am Vormittag erwähnt worden: Es war eines der Ergebnisse der Studie, dass es verschiedene Faktoren gibt, die dazu führen, dass Kinder eben nicht von Anfang an Gebärdensprache erlernen. Einer dieser Faktoren sind die Eltern.
Da gibt es sehr unterschiedliche Wünsche und Zugänge. Da die Schule ja erst eingreift, wenn die Kinder sechs Jahre alt sind - vorher gibt es ja keine Zuständigkeit seitens der Pflichtschule- dann kommen natürlich die Kinder mit einer bestimmten Vorbildung und auch mit den Wünschen, die die Eltern an die Schule heran tragen.
Und ich möchte jetzt nur als weiteres Stichwort erwähnen: Eltern von Kindern, die ein Cochlea-Implantat haben, haben sehr häufig den Wunsch, dass ihre Kinder eben in Lautsprache aufwachsen und auch unterrichtet werden und die Schule versucht, alle diese Wünsche und Anforderungen in bestmöglicherweise umzusetzen.
Barbara Gerstbach: Da gibt es ganz kurz noch etwas dazu, ja?
Meldung aus dem Publikum: Auch hier wieder die Frage: um wen geht es hier, um die Eltern oder die Kinder? Um die Lehrer oder die Kinder? Ich denke, das ist ja auch, und das kam ja auch deutlich heraus, es gibt ja eine Miss-Information. Das alles beruht ja meines Erachtens- und ich bin wirklich von außen, auf einem großen Missverständnis, das ideologisch oder aus anderen Gründen immer in irgendeine Richtungen geschoben wird. Aber letztendlich ist es so: ein Kind, das die Lautsprache lernt, kann ja trotzdem auch die Gebärdensprache lernen.
Das eine schließt das andere ja nicht aus! Das könnte man den Eltern sagen - und dann ist ja alles wieder gut, könnte man meinen. Aber, ich glaube, deshalb ist ja heute auch gesagt worden, das Problem ist, dass es von der medizinischen Seite kommt, die Beratung, also denk ich, das ist klar, aber ich glaube, dass es hier ähnlich wie bei Kindern aus Migrationshintergrund ist: Dort geht auch darum, schon viel früher damit zu beginnen und nicht vor der Schule wurde ja auch schon angesprochen, und trotzdem. Ich kann es kaum glauben, dass Lehrerinnen und Lehrer an Gehörlosenschulen unterrichten und diese Sprache nicht schon vorher lernen müssen.- Dass das nicht Verpflichtung ist, das versteh ich nicht! (Applaus aus dem Publikum) - Dieses Argument »Naja, das ist nicht darin enthalten«, das ist eigentlich schwer zu erklären, oder?
Barbara Gerstbach: Gut, ich möchte noch, es haben sich jetzt noch drei, vier Wortmeldungen - wir haben zuerst hier, dann dahinten, dann, Rudi, bist das du, und der Nicki.
Meldung aus dem Publikum: Ja, ich möchte das von eben nur noch einmal tatkräftig unterstützen. Es ist so, als würde ich nach Japan gehen und würde dann berufsbegleitend japanisch lernen und dort in einer Schule unterrichten müssen. Wir selbst in Hamburg haben es so getrennt, dass es einmal die universitäre Ausbildung gibt und dann das Referendariat, die praktische Ausbildung. In dieser universitären Ausbildung sind zwei Kurse etabliert, ich selbst hatte eine Referendarin jetzt, die also kam und diese zwei Kurse absolviert hat und sie Sachunterricht unterrichten sollte. Sie kam dann und wusste nicht einmal die Gebärden für Bruder, Mama, Auto, Papa, Ball und sollte den Wasserkreislauf, Wassermoleküle, Wasserdichtung unterrichten und man kann sich ja vorstellen, auf welchem Niveau das Ganze dann abgelaufen ist. Also wir sprechen ja hier auch darüber, dass das Bildungsniveau in den Gehörlosenschulen wieder steigen soll. Da frag ich mich, wie das funktionieren soll, wenn es um berufsbegleitende Maßnahmen geht.
Barbara Gerstbach: Dahinten, bitte.
Meldung aus dem Publikum: Ich wiederhole jetzt wahrscheinlich auch, was heute am Vormittag schon gefallen ist. Aber ich möchte die Frage auch noch an Sie richten: Sie haben argumentiert, dass man eben auch auf die Wünsche der Eltern Rücksicht nimmt, die nicht wollen, dass ihre Kinder in Gebärdensprache unterrichtet werden. Was ist jetzt nun mit den Eltern, die sich sehr wohl wünschen, dass ihre Kinder bilingual unterrichtet werden bzw. in Gebärdensprache unterrichtet. Wieso wird auf diese denn keine Rücksicht genommen?
Barbara Gerstbach: Ich möchte jetzt ganz kurz - schließen wir - Rudi, du darfst gleich - da gibt es noch eine Wortmeldung. Wir machen jetzt den sogenannten Hörendenblock, ich habe jetzt interessanterweise hintereinander ein paar hörende Personen Dann habe ich noch sechs Wortmeldungen von gehörlosen Personen. Die nehme ich dann noch dran - und damit ist unsere Fragerunde dann beendet.
Meldung aus dem Publikum: Also, ich möchte eigentlich das beantworten, wie es dazu kommt, dass man keine Gebärdensprache kann, wenn man in einer Gehörlosenschule unterrichtet. Ich bin 33 Jahre an der Salzburger Gehörlosenschule, ich bin auch die Lehrerin, die eine gehörlose Wäscherin in die Schule gebracht hat, und von der viele Gebärden gelernt habe. Ich habe sicher 10 Gebärdenkurse gemacht und nichts gelernt, aber wir haben seit einigen Jahren immer wieder gehörlose Praktikanten und auch zurzeit eine finnische gehörlose Frau bei uns. Seit diese da sind - ich habe auch wieder eine gehörlose Frau aus Linz, seit die da ist, lerne ich Gebärde, die Kinder lernen ordentlich Gebärde und es entwickelt sich alles viel besser.
Also, wenn, dann müsste man eigentlich in jede Klasse gehörlose hinein holen, dann würde man uns Lehrern helfen! Denn ich habe ja auch das Recht, an dieser Schule, wo ich angefangen habe, wo ich am Anfang die Hände hinten hingeben musste, und nicht auch nur eine Gebärde machen durfte, und alles über die FM Anlage ging, und wo es in vielen Schulen noch immer so ist, dass die Gebärde absolut verpönt ist, nicht immer wieder angegriffen zu werden. Es ist auch nicht so leicht für Lehrer, die ihre Lebensaufgabe beenden wollen, an einer Schule - und ich denke also, das ist auch etwas, was man auch einmal sagen muss, dass wir Lehrer uns wirklich bemühen! Aber wir sind - also, ich lehre auch nicht Englisch, nur weil ich es in der Schule lerne und ich lerne nicht Gebärden, wenn ich es im Gebärdenkurs lerne, ich denke, ich lerne Gebärden von erwachsenen Gehörlosen.
Barbara Gerstbach: Danke, noch eine Wortmeldung von Rudi de Cilia und dann geben wir wieder zurück ans Podium.
Rudolf de Cilia: Ich möchte noch auf die Frage der bilingualen Schulformen zurück kommen, weil Sie gesagt haben, das sieht die Lehrplansystematik nicht vor, das stimmt wohl, ich denke man braucht andere Lösungen. Wir wissen, dass in Österreich sehr viele bilingualen Schulen existieren, dort, wo es um Englisch und Deutsch geht, ist es ein großer Erfolg bei den Eltern, Seit Existieren der Zweiten Republik gibt es bilinguale Schulen für die Burgenländischen Kroaten, für die Burgenländer in Ungarn und die Kärntner Slowenen, und da ist die Lösung ein eigenes Minderheiten-Schulgesetz für Kärnten bzw. für das Burgenland. Das heißt, was es in dem Fall wirklich bräuchte, ist ein eigenes Minderheitenschulgesetz für GebärdensprachbenutzerInnen seit der Anerkennung der ÖGS im Jahr 2005. Ich denke, das muss da nachgezogen werden, Wenn dieses Schulgesetz existiert, dass bilinguale Schulformen praktisch Normalform in der Schule sind, dann muss man der LehrerInnenausbildung auch ÖGS kompetente Lehrerinnen und Lehrer zur Verfügung stellen. Dann hat das Gesetz hat den Anspruch gestellt 'Wir brauchen LehrerInnen, die beide Sprachen in gleicher Weise beherrschen, um bilinguale Schulformen durchführen zu können'. Von der Spracherwerbsforschung her ist gerade diese Zielgruppe die geeignetste. Die bilingualen Schulformen sind für diese Zielgruppe die besten, das zeigen die Beispiele in Schweden und in anderen Ländern.
Lucie Bauer: So, jetzt fang ich einmal in der Mitte an, bei der Kollegin, die gefragt hat, ob die Wünsche von Eltern berücksichtigt werden, die bilingualen Unterricht wünschen: Dort, wo bilingualer Unterricht gemacht werden kann, dort wird er ja auch gemacht und das hat ja auch die Studie ergeben, dass es sehr wohl Klassen gibt.
Allerdings, es gibt natürlich schon einen Aspekt, den man hier nicht vergessen darf. Es geht ja nicht nur um die gehörlosen Schulen. Wir haben ja auch sehr viele Kinder in Integrationsklassen und dort ist die Organisation eines bilingualen Unterrichts um ein Vielfaches schwieriger, besonders dann, wenn es im ländlichen Raum um Einzelintegration geht. Im städtischen Gebiet lässt sich so etwas leichter zu organisieren.
Wir haben da auf jeden Fall verschiedene Beispiele, ich möchte nur eins erwähnen: In Wien gibt es eine AHS, in der es eine Integrationsklasse - oder mehrere Integrationsklassen mit gehörlosen Schülerinnen und Schülern gibt, an der also mehrere hörbeeinträchtigte Schülerinnen und Schüler in einer Klasse sind. Das lässt sich eben im ländlichen Raum in der Einzelintegration so nicht umsetzen. Das ist sicherlich eine Problematik, auf der anderen Seite sind wir sehr stolz darauf, dass wir seit 1993 die »Integrationsgesetze« haben, die es den Eltern ermöglichen, die Schule, die ihr Kind besuchen soll, auszuwählen. Nämlich, ob es ein integratives Setting besuchen soll oder eine Sonderschule. Und ich glaube, das darf man auch nicht ganz aus dem Blick verlieren. Das führt mich jetzt auch zur Anmerkung vom Herrn Prof. de Cilia, der Gedanke an ein Minderheitenschulwesen, so ein drittes im Vergleich zum Kärntner- oder Burgenländer- Minderheitenschulwesen, hat schon was Bestechendes.
Allerdings sehe ich hier auch diese Problematik: Was machen wir dann mit diesen Kindern, die nicht in eine Sondereinrichtung gehen, sondern in der Integration sind? Also, es ist ein interessanter Gedanke und den müsste man vielleicht einmal auch weiterdenken, aber ähnlich wie mit Schweden, kann man glaub ich auch unser Minderheitenschulwesen, das bereits besteht, jetzt nicht mit einer - sag ich einmal - neu entstehenden Einrichtung vergleichen! Aber man kann sich auf jeden Fall einmal damit auseinandersetzen.
Die letzte Frage, die vorher die erste gewesen ist, das war die Frage, ob man sich Gebärdensprache überhaupt nur im Rahmen der Lehrerfortbildung aneignen kann: Ich glaube das hat die Kollegin aus Salzburg, die dazwischen ihre Wortmeldung gemacht hat, auch zum Teil beantwortet.
Wir haben Grundlagen in der Lehrerausbildung, und wir haben dann die Angebote in der Lehrerfortbildung- Außerdem wurde heute auch schon erwähnt, dass seitens der Universität Wien entsprechende Angebote bestehen, genauso wie es auch, glaube ich, in Graz diese Möglichkeiten gibt. Die Ausbildung, eine vollständige Ausbildung zur Erlangung der Gebärdenkompetenz ist im Rahmen einer berufsbegleitenden Ausbildung immer schwieriger für alle Beteiligten, daher muss man hier schauen, dass man Modelle findet, die sowohl eine Erstausbildung garantieren und dann eben im Rahmen der Fortbildung die weiteren Kompetenzen vermitteln.
Barbara Gerstbach: Wir haben eigentlich nur noch 5 Minuten, es gibt jetzt noch, ich habe jetzt noch sechs Wortmeldungen von sechs Personen. Ich würde diese sechs - naja, ok, sieben - sieben bitten, ihre Statements ganz kurz abzugeben. Die sieben Personen sind: der Miki, die Moni, der Lukas, der Günther, die Anna, der Reinhard und die Helene.
Meldung aus dem Publikum, Gehörlosendolmetscher: Zwei Fragen habe ich, Sie haben über die Ausbildung vorher gesprochen, über die berufsbegleitende Ausbildung, Lautsprache und hörgerichtet. Ich denke in diesem Zusammenhang in der Bildung oder Ausbildung für das Lehramt, da wird sehr viel für Menschen gemacht, die sehbehindert sind, aber für Gehörlose sehr wenig. Visuell schon sehr viel, aber wenn ein Gehörloser jetzt in die Schule kommt, wenn er nichts hört, er hat eine ganz andere Wahrnehmung, dann braucht er visuelle Wahrnehmung. Es geht sonst vieles verloren! Visuell behinderte Schüler bekommen ja, haben ja auch eine andere Sicht und auf die wird Rücksicht genommen (Anmerkung d. Red: das mögen sehbehinderte SchülerInnen wieder anders sehen, denn diese fühlen sich mitunter ebenso benachteiligt). Es ist einfach so, dass wir Gebärdensprache brauchen.
Und dass ein Lehrer nicht nur Gebärdensprache braucht, sondern auch lernen muss, wie er überhaupt visuell mit einem gehörlosen Schüler kommuniziert. Und er sollte nicht nur reduziert werden auf das Hörgerichtet sein.
Die zweite Frage, die ich stellen möchte, wir haben über das Thema gesprochen, wie Eltern - und dass die Kinder von 0 bis 6 Jahre eben Spracherwerb haben, dann kommen sie in die Schule, und die Frage ist dann: Wie kommunizieren die Eltern mit den Kindern? Das wäre doch der erste Schritt, dass die Eltern einmal lernen, mit den Kindern richtig zu kommunizieren, was wirklich getan wird in diesem Zeitraum 0 bis 6, bevor die Kinder überhaupt in die Schule kommen!
Ich habe einen hörenden Bruder, meine Eltern hören auch, aber meine Eltern haben auch nicht gewusst, wie sie mit mir wirklich kommunizieren können. Sie waren sehr mutig, mein Bruder war mutig, ich war auch mutig und es gab aber dann trotzdem - obwohl meine Eltern versucht haben, mich zu unterstützen, trotz der schlechten Kommunikation, haben sie dann doch auch den Mut aufgebracht, mich zu unterstützen, aber das Problem, das es trotzdem gab - Sie konnten nicht in meiner Muttersprache mit mir kommunizieren.
Meldung aus dem Publikum, Gehörlosendolmetscherin: Ich sehe auch, naja, Sie sind ja alle so schwammig und es sind immer die Zuständigkeiten Bereiche der Anderen, aber ich muss da schon kritisieren, weil die Politik, denk ich, muss irgendwie schon auch sagen: "Ok, das ist jetzt mein Zuständigkeitsbereich und ich muss mich auch darum kümmern", also, deswegen möchte ich jetzt als Erstes hier ganz konkret sagen, also, das betrifft mich doch sehr, wenn ich solche Aussagen höre. Und das zweite, wir sind hier die Betroffenen, und meine Schulzeit war wirklich eine Scheiß-Zeit (wird laut), muss ich sagen. Ja und ich muss auch sagen, dass sich das nicht auf die nächste Generation überträgt, das hoffe ich wirklich sehr und ich denke, das kann man nicht so akzeptieren, so wie bis jetzt und ich denke ganz einfach, wir Betroffenen wissen ganz einfach, was die Bedürfnisse sind, von uns, was wir brauchen, und ich wünsche mir sehr, dass Sie unsere Bedürfnisse respektieren und auch umsetzen. (Klatschen aus dem Publikum)
Meldung aus dem Publikum, Gehörlosendolmetscher: Danke fürs Kommen, Frau Ministerialrätin Bauer: Was mir nicht ganz klar ist, es steht doch im (Gleichstellungs-)Gesetz: Körperliche Behinderungen sind kein Hinderungsgrund mehr fürs Lehramt und jetzt sagen Sie, das ist wieder aufgenommen worden. Jemand, der körperlich nicht geeignet ist, darf kein Lehrer werden, hat das nicht sehr starke Auswirkungen, wieder Barrieren aufzubauen? Man sollte doch für alle Gehörlosen die Barrieren abbauen, um ihnen den Zugang zum Bildungssektor zu ermöglichen. Man sollte auch Gehörlose unterrichten lassen und dazu befähigen. Jetzt ist meine Frage, heißt das jetzt, dass in Zukunft Gehörlose gar nicht mehr die Ausbildung zum Lehrer machen können?
Meldung aus dem Publikum, Gehörlosendolmetscher: Er kennt die Cheers Studie, die im Jahr 2006 gemacht wurde, und als ich die gelesen habe, also, der Gehörlosenbund, hat er gesagt, dass trotz dieser Studie keine wirklichen Auswirkungen auf die verschiedenen Institutionen gemacht wurden, erfolgt sind.
Es sind zwar viele Vorschläge gemacht worden, aber ob die jetzt umgesetzt worden sind oder nicht umgesetzt worden sind, weiß ich nicht. Wir Betroffenen warten, sind da sehr gespannt, und es geht mir auch noch um die Elterninformation: Eltern, die betroffen sind, weil sie ein gehörloses Kind haben, welche Information bekommen diese Eltern? Nur sehr wenig, sie können auf der Homepage der Gehörlosenschule oder in der Aula irgendwelche Informationen lesen, was bedeutet bilingualer Unterricht, was bedeutet Gebärdensprache, was bedeutet LBG? Gibt es kein Angebot für die Eltern, dass sie die Gebärdensprache lernen, was tun die Hörenden? Es werden verschiedenste Gehörapparate angeboten, ok, da wird sehr viel getan, aber bis jetzt hat es keine Änderung in der Informationspolitik des Bildungssektors gegeben.
Meldung aus dem Publikum, Gehörlosendolmetscherin: Es sind sieben gehörlose LehrerInnen, ich kann mir das ehrlich gesagt nicht vorstellen, ich weiß, dass ein paar den Abschluss haben. Ich denke, das ist eine eindeutige Diskriminierung, und in der Gehörlosenbildung ist es ja allerdings so, in der 30 jährigen Geschichte, ist leider wirklich schlecht, unter jedem Niveau. Und von der Politik her kommt auch immer wieder die gleiche Ausrede "Wir sind nicht zuständig dafür". Das möchte ich jetzt schon noch einmal sagen und die Diskriminierung nimmt seinen Lauf, nach wie vor.
Meldung aus dem Publikum, Gehörlosendolmetscher: Ich, obwohl ich so groß bin, steige trotzdem da drauf, auf dieses Podest. Ich glaube, dass das mit der Politik so eine Sache ist. Vielleicht hängt es mit den Finanzen zusammen, vielleicht ist das eine Möglichkeit oder eine Ursache, entschuldigt, dass ich das so offen sage. Ich möchte mich noch vorstellen, mein Name ist Grobbauer, ich bin vom Landesverband Salzburg. Ich glaube persönlich, irgendwie ist es eine finanziell schwierige Situation, und daher sträubt sich da alles und ändert sich nichts. Die Stützlehrer, die es bis jetzt gegeben hat, muss ich ganz offen sagen, das ist sehr gut, aber die kosten viel Geld, aber sie leisten eigentlich nicht sehr viel.
Ich denke, das ist hinausgeschmissenes Geld, das Geld für die Stützlehrer. Und es wäre doch sehr gut, wenn man dieses Geld für Gebärdensprachunterricht verwenden würde. Und die Stützlehrer dann streichen würde.
Meldung aus dem Publikum, Gehörlosendolmetscherin: Gut, ich will wieder zurückkehren zu einigen Punkten, und zwar zur LehrerInnenausbildung, das ist ja sehr wichtig für mich. Ich denke, jetzt gibt es Möglichkeiten für Veränderungen, dann wird wieder zehn Jahre lang nichts passieren. Ihr kennt wahrscheinlich alle den Inhalt nicht, ich kenne ihn wohl, und möchte ihn ganz kurz hier benennen. Und zwar ist es so, wenn der Lehrplan so formuliert wird, dass der bilinguale Unterricht im Lehrplan verankert ist, dann kann man die Kinder nach wie vor noch immer hörgerichtet erziehen oder in Gebärdensprache oder Hörgeschädigtenkunde gibt es dann vielleicht noch als Unterrichtsfach.
Das heißt, es ist wieder defizitär für gehörlose SchülerInnen und Schüler und es wird auch nicht explizit das Fach erwähnt, Gehörlosenkultur, und ich denke auch, es ist so ganz wichtig zu erwähnen, dass im März diese Frist abläuft. Und natürlich wird um die Zuständigkeiten gestritten, ich bin selbst auch Lehrerin. Leider muss ich jetzt betonen, und ich habe auch eine GehörlosenlehrerInnenausbildung gemacht, eine berufsbegleitende und ich denke, es ist sehr sehr wichtig, also es gibt, hier auch einige KollegInnen, die im gehörlosen schulischen Bereich arbeiten, für die Praxis, für die Umsetzung dann auch im täglichen Berufsleben. Aber bis dato hat sich leider nicht viel verändert. Wichtig ist es natürlich immer auch, auf die Sprache zu schauen, wie der Unterricht mit den Kindern ist, wie die Unterrichtsmaterialien sind, wie die Erziehung ist, und noch einmal der spezielle Umgang damit. Wie speziell auch das Unterrichtsfach Deutsch unterrichtet wird, dass es speziell auch angepasste Materialien gibt.
Da die Gebärdensprache eine ganz spezielle Grammatik hat, müssen hier angepasste Materialien zur Verfügung gestellt werden. Es bedarf also so vieler Dinge. Früher hat es das Fach Gebärdenpflege gegeben, nun heißt es Gebärdensprache und ich denke das ist sehr wichtig, in der LehrerInnenausbildung, kann ich das nicht alles erlernen. Viele denken sich: Ok, jetzt hab ich eine Ausbildung erhalten, aber es fehlen die Materialien. Ich denke, es fehlen auch so sehr viele Punkte, auch im Lehrplan.
Und ich denke auch, in die Schule hineinzugehen und gehörlose Kinder zu unterrichten: Es ist nicht einfach, wo ich Angebote bekomme, mich weiterzubilden und auch die Kinder dahingehend zu fordern, sich auch selbst zu artikulieren. Es ist auch ein Problem mit den Stützlehrern, was vorherweg schon angesprochen wurde, dass sie wenig Ahnung, bzw. überhaupt Kompetenz in Gebärdensprache haben.
Das heißt, das Bildungssystem stimmt nicht. Also 11 von ganz Österreich haben das Studium abgeschlossen und ich denke, hier, heute, an dieser Veranstaltung sitzt die Elite der gehörlosen Menschen, aber der Rest versäumt diese Veranstaltung, bekommt eigentlich nicht mit, was hier passiert.
Und es bedarf also einer dringenden Änderung, das läuft schon seit 200 Jahren in diese falsche Richtung. Ich bin auch Präsidentin des Gehörlosenbundes, Sie wissen das, und wir erwarten uns eine Änderung des Lehrplans und es muss auch gesetzlich verankert werden. Und man kann es nicht immer von heute auf morgen verschieben. Es geht so nicht weiter. (Applaus im Publikum)
Lucie Bauer: So, ich ersuche um Verständnis, dass ich jetzt vielleicht nicht auf jede Frage im Detail mehr eingehe: Ich glaube Sie haben jetzt schon das Problem, dass man die Kaffeepause noch unterbringen muss.
Jetzt beginne ich wieder einmal von hinten. Es wurde jetzt mehrfach der neue Lehrplan, der Gehörlosenlehrplan, angesprochen. Dazu möchte ich gern sagen: Wir wollen und können es nicht dabei bewenden lassen, dass der Lehrplan jetzt einfach verordnet wird. Selbstverständlich werden wir dazu auch Begleitmaßnahmen setzen und eine dieser Maßnahmen wird sein, dass wir uns auch für die verschiedenen Bereiche die Unterrichtsmaterialien anschauen, bzw. anschauen, wo Unterrichtsmaterialien fehlen.
Das heißt auch für den Bereich Gebärdensprache, da gibt es meines Wissens noch sehr wenig dazu. Da werden wir etwas entwickeln. Und ich lade daher Interessierte ein, auch daran mitzuarbeiten. Aber, wie gesagt, das wird ein Teil dieses Gesamtpakets sein. Zur LehrerInnenausbildung, da haben sich jetzt doch die Stellungnahmen und Fragen wiederholt. Es wurde eben immer wieder betont, wie wichtig es sei, dass LehrerInnen in der Ausbildung schon gebärdensprachkompetent werden. Wie gesagt, das habe ich jetzt auch bereits schon mindestens zwei Mal erwähnt, dass es selbstverständlich einen Auftrag an die Pädagogischen Hochschulen geben wird, hier verstärkt Angebote zur Verfügung zu stellen.
Eine Stellungnahme, die ich aus der Sicht der Betroffenen gut verstehen kann. Wir kommen als Staatsbürger ja immer wieder in eine Situation, wo wir an die Grenzen der Zuständigkeiten stoßen, da ging es eben darum, dass schon großer Frust darüber besteht, dass bestimmte Dinge eben von der Politik her nicht möglich sind oder nicht so schnell möglich sind, weil es unterschiedliche Zuständigkeiten gibt.
Nun, ich glaube, der ORF ist jetzt nicht mehr da, daher kann ich das auch so off-record sagen, als Beamtin würde ich mir den totalen Zentralismus wünschen. Aber leider gibt es den nicht, und das bedeutet auch, dass wir eben Dinge, die uns auch wichtig und sinnvoll erscheinen, eben nur sehr schwer oder nur sehr langsam umsetzen können.
Ich weiß, das ist nicht sehr tröstlich für jemanden, der auf etwas wartet, aber das sind eben die Rahmenbedingungen, die Strukturen, in denen unser Staat funktioniert. Auch wenn man sich Änderungen wünscht, dann muss man wohl eher mit viel Geduld bei manchen drauf hinarbeiten.
Ja, eine wichtige Frage im Zusammenhang mit der Lehrerausbildung, die möchte ich schon auch noch beantworten: Und zwar, das wurde vorhin auch schon einmal angesprochen und da habe ich aber vergessen, das zu beantworten.
Es geht um diesen Passus der körperlichen Voraussetzung, der gegeben sein muss, wenn man an einer Pädagogischen Hochschule ein Studium absolvieren möchte. Ich habe mich da erkundigt, was das jetzt wirklich bedeutet. So wie ich das jetzt verstanden habe, bedeutet das zum Beispiel, dass jemand, der eine Körperbehinderung hat, keine Ausbildung für Sport machen kann. Wir haben natürlich jetzt noch keinerlei Erfahrungswerte mit der neuen Ausbildung, ich weiß auch nicht, ob es Studierende mit einer Hörbehinderung oder mit einer Sehbehinderung gibt, die jetzt an einer pädagogischen Hochschule das Studium aufgenommen haben. Ich selbst kann mir eigentlich nicht vorstellen, dass jemand aufgrund der Gehörlosigkeit oder einer Sehbehinderung von vornherein vom Studium ausgeschlossen wird. Ich glaube, dass das rechtlich nicht möglich ist. Dass dieser Passus aber existiert, das ist mir bekannt, ich würde mir auch wünschen, dass er nicht drinnen steht! Sollte es tatsächlich einmal zu einem Problem kommen, dann wird das auf jeden Fall ausjudiziert werden müssen.
Verena Krausneker: Ja, ich möchte kurz zu diesem Passus etwas sagen. Ich weiß von einer gehörlosen Studierenden, die Lehrerin werden wollte, der man zum Beispiel eine Sportprüfung abverlangt hat. Also die irgendwelche Sonder - Zusatzprüfungen ablegen musste, damit sie als Studentin aufgenommen wird. Der Passus wurde immer ausgelegt auf die Fähigkeit, stimmlich zu entsprechen und Musik leisten zu können.
Das heißt zum Beispiel diese Studierende musste - ich weiß nicht wie lange - Klavierunterricht nehmen, um dann eine Musikprüfung als Lehrerin ablegen zu können. Das ist noch die alte Ausbildung, aber es ist derselbe Passus. Das ist der Passus der körperlichen Eignung, auf den sich das bezieht. Ja, wir haben heute irgendwie gemerkt, dass die Bereiche sich gegenseitig die Verantwortung zuschieben. Nicht nur im politischen Bereich, wo es zum Teil schwierig ist, zu sehen, wer jetzt tatsächlich einmal ein sogenanntes Machtwort sprechen könnte, sondern auch im Bereich Eltern, Schule, Frühförderung.
Schulen, die Kinder aus der Frühförderung bekommen, sagen, da wurde es doch schon lautsprachlich gefördert - wobei es keine gebärdensprachliche Frühförderung in diesem Sinn in Österreich gibt. Es scheint mir, dass es ein Gesamtkonzept für diesen Bereich bräuchte, damit diese verschiedenen Verantwortlichkeiten, die verschiedenen Altersstufen und auch die Elternberatung mit hinein genommen werden. Ich muss sagen, ich bin immer wieder beeindruckt davon, wie viel Sie wissen, Frau Bauer, weil Sie ja nicht nur zuständig für den Gehörlosenbereich, sondern für den gesamten Sonderschulbereich sind.
Es ist eigentlich unglaublich, wie sich jemand auskennen können soll und muss, der mit so vielen unterschiedlichen Bedürfnissen zu tun hat. An sich das ist schon eine Sache, zu der man sagen könnte "Ja, könnte, man personell aufstocken". Dass man eine Spezialisierung der Mitarbeiter zulässt.
Und dass sie sich in einem Sonderschulbereich ordentlich auskennen und sich nicht in allen auskennen müssen. Sie haben den Satz heute gesagt: "Es ist schwierig." Ja, es ist schwierig. Und ich glaube, es ist schwierig, weil die Bedürfnisse so unterschiedlich sind.
Hörbehinderte Menschen haben nicht alle die gleichen Bedürfnisse, es ist unglaublich komplex! Es ist auch schwierig, weil es unterschiedliche Interessen gibt und man sich da zerspragelt oder eingequetscht wird oder versucht, jedem das Seine zu bieten. Aber es ist machbar, es ist schwierig, aber machbar, Österreich ist ein unglaublich reiches Land, und an den Finanzen darf es wirklich nicht scheitern. Es ist machbar, dass jeder Mensch in Österreich mit den Anlagen, Bedürfnissen, die er mitbringt, hundertprozentigen Zugang zur Bildung bekommt. Das ist etwas, was machbar sein sollte. Schwierig von mir aus, aber machbar. Und ich denke mir auch, da kann man auch sich andere Länder anschauen, wie das gelöst wurde.
Wenn ein Staat sagt: "Bei uns hat jeder Mensch das Recht, in jede Schulform zu gehen und dort hundertprozentigen Zugang zu allen Informationen zu kommen, sei es durch "Rund um die Uhr-DolmetscherInnenbegleitung", siehe amerikanisches Bildungssystem, wenn das andere Länder vorleben und da schon visionärer geworden sind, und nicht sagen: Integration heißt aber, dass man völlig isoliert und alleine sein muss. Es gibt wirklich viele gute Ideen, die wir uns abschauen könnten - und es braucht den Mut, diese auch umzusetzen.
Barbara Gerstbach: Ich glaube, Mut gibt es vielen, es geht auch viel um Emotionen und ich glaube, das ist auch etwas in diesem Bereich sehr schwieriges. Vieles ist angesprochen worden, auch darum dieses Selbstbestimmte Leben, wir haben interessanterweise wenig über den universitären Bereich geredet, weil da die Gehörlosen, glaube ich, eher das Gefühl haben, sie können selbstbestimmt einfordern, was sie brauchen.
Und im Schulbereich ist es deswegen so schwierig, weil da andere Leute viel mehr entscheiden und vor allem auch Eltern mitentscheiden; Frühförderstellen, Schulen, Ministerien: Die Gehörlosen sich da emotional auch viel mehr ausgeliefert fühlen, glaube ich. Das ist nur mein Eindruck als nicht Gehörlose. Aber das macht das Thema auch so komplex, so schwierig, ich glaube trotzdem, dass zwei Dinge wahnsinnig wichtig sind, um diesen - da irgendwie Ergebnisse haben zu können. Das eine sind Daten, Fakten, dazu gibt es die Studie, und das zweite sind Kommunikation und Austausch, weil auch der gesellschaftliche Gesamtdruck in diesem Bereich wichtig ist: Wenn Eltern prinzipiell schon etwas über Gebärdensprache einmal gehört haben, werden sie, wenn sie ein gehörloses Kind bekommen, auch eher darauf kommen, und so wird einiges eher möglich werden.