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Rubrik: Freak-MP3, Newsletter Versand, Lebens und Arbeitswelten
12. Juli 2011

Freak-Classic: Wege zur Arbeit

von Gerhard Wagner

Die Arbeitslosigkeit von behinderten Menschen ist signifikant höher als die von anderen Menschen. Welche Initiativen und Modelle gibt es, damit Menschen mit Behinderungen leichter zu Arbeit finden? Wohin können sich Menschen wenden, die Arbeit suchen? Welche speziellen Förderungen gibt es? Oder kreative Ideen, die einfach Menschen mit Behinderungen Nutzen bringen? Wie sieht es im Journalismus aus, wenn behinderte Menschen »ganz normal« arbeiten möchten.
Gerhard Wagner spricht darüber mit Univ.-Prof. Fritz Hausjell vom Institut für Publizistik an der Universität Wien, mit Betroffenen, Arbeitgebern und Vertretern der zuständigen Ministerien.

Weißes Gebäude mit ORF Symbol und Aufschrift KulturCafe

Freak-Moderator: Herzlich willkommen bei Freak-Radio aus dem ORF-KulturCafe.  Am Mikrofon begrüßt Sie Gerhard Wagner.

Die Arbeitslosigkeit von behinderten Menschen ist zirka viermal höher als von Menschen ohne Behinderung. Viele behinderte Menschen wollen arbeiten, aber sie sehen oft keine Strukturen, die ihnen Arbeitsplätze ermöglichen würden. Darum geht es in der heutigen Sendung: Wege zur Arbeit.

Wir möchten zeigen, welche Wege Menschen mit Behinderungen in Österreich einschlagen können, um einen Arbeitsplatz zu finden, der zu ihren Talenten passt. Vielleicht muss noch der eine oder der andere Weg ausgebaut werden. Dazu begrüße ich herzlich meine heutigen Gäste, ich begrüße Herrn Dr. Haller aus dem Sozialministerium. Sie sind zuständig für Maßnahmen für Menschen mit Behinderung, vielleicht ein Aspekt der Ihnen und dem Sozialministerium besonders wichtig ist:

Alfred Haller: Für uns besonders wichtig ist, für Menschen mit Behinderungen Möglichkeiten zu schaffen, dass sie in den Beruf integriert werden können und ein besonderer Schwerpunkt für uns sind junge Menschen.

Freak-Moderator: Dann begrüße ich Herrn Universitätsprofessor Dr. Fritz Hausjell von der Universität Wien. Sie haben sich eingehend mit der Situation von Journalisten mit Behinderungen, nicht nur in Österreich, sondern international, beschäftigt. Was ist für Sie das ganz besondere an diesen Untersuchungen gewesen, was hier herausgekommen ist?

Prof. Fritz Hausjell: Dass es international Entwicklungen gibt, die als vorbildhaft bezeichnet werden können und dass es berechtigterweise einen entsprechenden Optimismus gibt, dass Entwicklung möglich ist.

Freak-Moderator: Und über diese Entwicklungen werden wir dann noch im Laufe der Sendung weiter berichten. Neben mir sitzt Herr Andreas Keplinger vom Verein "faktor i". Vielleicht können Sie ganz kurz vorstellen was ist "Faktor i"?

Andreas Keplinger: Das "Faktor i" ist das Informationszentrum für junge Menschen mit Behinderung und Benachteiligung in Wien. Unser Auftraggeber ist die Landesstelle Wien des Bundessozialamtes und wir beraten hauptsächlich zum Themenschwerpunkt Beruf und Bildung. Dazu haben wir auch eine Clearingstelle angeschlossen.

Freak-Moderator: Vielleicht kommen wir dann auch noch zu diesen Begriffen "Clearing" oder Arbeitsassistenz, nicht zu verwechseln mit der Persönlichen Assistenz am Arbeitsplatz, die auch wichtig ist und den Berufseinstieg fördert.
Erfahrungen mit Faktor i hat Herr Kiril Iliev gemacht, er betreut Lernplattformen unter anderem der pädagogischen Hochschule in Wien, aber nicht nur von der pädagogischen Hochschule in Wien, sondern auch von anderen. Welche Lernplattformen betreuen Sie denn noch?

Kiril Iliev: Das ist die Plattform von Kiril Iliev, das ist meine private Lernplattform, Plattform Integration, das ist eine Plattform von unserer Abteilung in der Arbeit, die von der berufspädagogischen Akademie des Bundes in Wien.

Freak-Moderator: Was macht man denn mit diesen Plattformen?

Kiril Iliev: Es geht um e-learning, da sind einerseits Seminare auf der Plattform, andererseits auch solche Kurse, die zum Lernen genutzt werden, an Berufsschulen zum Beispiel.

Freak-Moderator: Sie sorgen dafür, dass alles funktioniert in diesem Bereich und wenn es eine technische Panne gibt, dann ruft man bei Ihnen an und Sie bringen das Ganze wieder in Ordnung?

Kiril Iliev: Ja.

Freak-Moderator: Sie arbeiten jetzt - haben Sie mir vorher gesagt - bereits seit zweieinhalb Jahren dort und waren aber vorher bei »Faktor i«. Sie haben eine Handelsschulausbildung in der Ungargasse gemacht, wie war das damals? Was war damals, als Sie zu »Faktor i« gekommen sind, wie waren die weiteren Schritte, dass Sie dann zu diesem Beruf gekommen sind, wo Sie jetzt sind?

Kiril Iliev: Ich wurde zuerst ins Bürowerkstatt übermittelt, wo die Frau Manhartsberger, meine derzeitige Vorgesetzte, also eigentlich ehemalige Vorgesetzte, Projektleiterin war. Durch sie habe ich dann meinen derzeitigen Posten bekommen.

Freak-Moderator: An Sie die Frage, Herr Keplinger: Was waren aus Ihrer Sicht - wir haben hier konkret einen Menschen, der bei Ihnen war und beruflich einen Erfolg gehabt hat - die Schritte? Worauf schauen Sie bei »Faktor i« in diesem Aspekt?

Andreas Keplinger: Worauf wir bei Faktor i schauen? Es ist immer sehr schwierig, hier zu unterscheiden, darum muss ich jetzt ganz kurz wirklich zum Clearing gehen. Am Beispiel Kiril, oder auch anderen Beispielen, das ist eigentlich vom System her immer dasselbe, im Clearing - das ist eine Berufsvorbereitungs- und Berufsorientierungsmaßnahme für junge Menschen bis 24 - versucht man, junge Menschen auf den Beruf vorzubereiten, um mit ihnen ein realistisches Ziel zu erarbeiten.

Da gibt es als aller erstes die Interessen und die persönlichen Neigungen, auf die wir schauen und die wir mit dem Jugendlichen erarbeiten. Das wichtigste sind einmal die Träume und die Ziele eines Jugendlichen, an die sie glauben und selbst verwirklichen möchten, denn nur an diesen können sie sich wirklich auch festhalten. Das ist der erste Schritt. Dann versucht man das mit dem, was der junge Mensch mitbringt, mit den Erfahrungen, mit den Qualifikationen und auch mit den Benachteiligungen und Behinderungen, die sie mitbringen, die zum Teil zu ihnen gehören, zum Teil einfach ein Produkt der Gesellschaft, sind. So schaute etwa Kiril, wie er seinen Platz finden kann und wie er vielleicht diese Nische in seinem Leben finden kann, die umgesetzt werden kann.

Das Clearing ist jetzt noch keine Maßnahme, in der man den Job sucht. Das ist ein halbes Jahr, wo man Zeit hat. Gelingt es, dann ist das wirklich ein großes Glück. Der Kiril zum Beispiel hat nachher noch eine Qualifizierungsmaßnahme besucht, um in gewissen Bereichen nachzulernen, die ihm von seiner Ausbildung noch gefehlt haben. Er hat dann sich also in langen Praktika diesen Job erarbeitet, den er jetzt schon seit zwei Jahren halten kann.

Freak-Moderator: Das heißt also, in der Clearing-Phase kann man höchstens zu bestimmten Aspekten schnuppern und da entscheidet sich dann, was man tun kann, um möglichste gute Chancen zu haben um am Arbeitsplatz Fuß zu fassen? In diesem Fall war das eben ein Praktikum, das gemacht wurde? Es gibt auch noch eine andere Stufe, Clearing und Arbeitsassistenz. Die ist dann eher in Richtung Arbeitsvermittlung, das war aber in diesem Fall nicht der Fall?

Andreas Keplinger: In diesem Fall war es eine Entscheidung, die der Herr Iliev, seine Eltern und ich damals gemeinsam getroffen haben, weil der Kiril noch minderjährig war. Ich war Berater, die Entscheidung selbst wurde von den Betroffenen gefällt:

So wurde klar entschieden: Es braucht hier eben noch einen Zwischenschritt, um sich auf den Beruf optimal vorbereiten zu können. Dieses Ziel, das gerade bei behinderten oder benachteiligten Menschen einfach manchmal ferner ist als bei Menschen, die keine offensichtliche Behinderung haben. Es wird von behinderten Menschen zum Teil einfach noch mehr soziale Kompetenz erwartet, als vom Otto-Normal-Bürger.

Freak-Moderator: Das ist wahrscheinlich auch nicht immer einfach, bis die alle miteinander zusammenfinden. Das ist sicherlich kein einfacher Prozess, nehme ich einmal an. Das ist ja auch ein bisschen geschildert worden, aber es gibt eben immer wieder auch sehr erfolgreiche Wege - und einen von denen haben wir jetzt gesehen.

Ich möchte jetzt wieder ein bisschen zum Allgemeinen zurückkommen. Wir haben jetzt von den österreichischen Maßnahmen zur Förderung von Arbeitsplätzen für behinderte Menschen schon zwei gehört, nämlich die Arbeitsassistenz und das Clearing. Arbeitsassistenz, das ist eher eine Maßnahme um einen Arbeitsplatz finden zu helfen, ist nicht zu verwechseln mit Persönlicher Assistenz am Arbeitsplatz für Menschen - meistens mit Körperbehinderungen oder Sinnesbehinderungen - damit sie im Arbeitsprozess diese Leistungen erbringen können, die sie sonst nicht durchführen könnten, um eine höherqualifizierte Arbeit durchzuführen.

Es gibt eine bunte Palette an Maßnahmen. Herr Dr. Haller, Sie selbst sind zuständig für Projekte, die zur Förderung von Arbeit führen. Vielleicht können Sie uns ein bisschen einen Überblick geben, wie das denn strukturiert ist.

Alfred Haller: Unser Beispiel hat schon gezeigt, dass es oft nicht ausreicht, eine einzelne Maßnahme zu haben. Unsere Maßnahmen müssen so gestaltet sein, dass sie auf die besonderen Bedürfnissen eingehen. Das kann auch eine Kette von Maßnahmen sein, man beginnt mit Clearing, kommt zur Jugendarbeitsassistenz, es stellt sich heraus, dass der Jugendliche in der Lage wäre, eine Lehre zu machen, vielleicht keine Volllehre. Aber eine integrative Berufsausbildung mit einer verlängerten Lehrzeit oder mit Teilqualifizierung wird ja von uns unterstützt, auch in Form einer Assistenzleistung.

Oder, von Ihnen angesprochen, die Persönliche Assistenz. Bei ganz schweren Beeinträchtigungen hefen wir, dass nicht nur der junge Mensch, sondern jeder Mensch, der diese Leistung am Arbeitsplatz benötigt, eine Unterstützung bekommt.

Das können persönliche Dienstleistungen sein, Handreichungen sein, das geht bis zur Betreuung am Arbeitsplatz, am Weg zur Arbeit. Es gibt Unterstützungen für blinde Menschen, wenn sie zum Beispiel eine Dienstreise ins Ausland machen und dort eine Orientierung benötigen.
Aber nicht nur das, weil Sie diese breite Palette angesprochen haben: Weil die Behindertenarbeitslosigkeit ja sehr hoch ist hat jüngst Sozialminister Erwin Buchinger eine Aktion gestartet, die Aktion 500: Hier werden 500 zusätzliche Arbeitsplätze besonders hoch gefördert, sodass auch die Behindertenarbeitslosigkeit hier doch ein wenig gesenkt werden kann.

Freak-Moderator: Es gibt ja eine breite Palette von sehr, sehr vielen Maßnahmen, ich möchte hier nur kurz ergänzen: auch zu Hilfsmitteln, die man bekommen kann, damit Arbeit ermöglicht wird, wo es jede Menge Unterstützungen gibt. Es gibt auch spezielle Projekte, die gefördert werden, Stichwort Behindertenmilliarde, die längst nicht mehr so heißt, aber in der Bevölkerung als solche bekannt ist, das ist die Beschäftigungsinitiative der österreichischen Bundesregierung.

Vielleicht können Sie auch dazu sagen, auf welche unterschiedlichen Dinge man da besonders achtet? Das ist nur ein Punkt, es gibt sehr, sehr viele andere, auch die europäische Union ist nämlich hier besonders aktiv und es gibt wirklich sehr, sehr viele Zugänge, aber sie sind für sehr, sehr vieles auch verantwortlich.

Alfred Haller: Die allgemeine Zielsetzung ist die Beschäftigung am allgemeinen Arbeitsmarkt. Wir möchten Menschen mit Behinderung die Arbeit ermöglichen, nicht die Beschäftigung in Form einer Therapie, sondern tatsächliche Arbeit mit eigenem Einkommen, mit Sozialversicherung, mit Pensionsansprüchen und allem, was dazu dient, unterstützen wir.

Das können Qualifizierungen sein, ein Qualifizierungsprojekt, bei dem man vielleicht auch Basiskenntnisse erlangt. Es können für Menschen, die länger aus dem Beruf ausgeschieden waren, sogenannte Transitarbeitsplätze sein, mit dem Ziel, sie an den Arbeitsplatz heranzuführen und dann in der Folge auch wieder unterzubringen.

Wir haben eine Vielzahl von Unternehmensleistungen: Wir können zum Beispiel die behindertengerechte Gestaltung des Arbeitsplatzes fördern, wir haben die Möglichkeit, Mobilitätstraining für blinde Menschen zu machen. Oder eine ganz neue Maßnahme: unsere jungen Menschen, die in keinem Lehrverhältnis sind, haben oft Schwierigkeiten, den Arbeitsplatz zu erreichen.

Freak-Moderator: Vor allem auf dem Land?

Alfred Haller: Ja, vor allem auf dem Land. Hier bieten wir an, dass wir die Beförderungskosten übernehmen. Jede Maßnahme ganz abgestimmt auf den persönlichen Bedarf ist von uns förderbar.

Freak-Moderator: Wir hören jetzt eine kurze Musikzuspielung und danach werden wir uns mit der Situation von behinderten Menschen im journalistischen Bereich beschäftigen.

Musik

Freak-Moderator: Sie hören Freak-Radio auf Mittelwelle 1476, heute zum Thema "Wege zur Arbeit". Ich habe es schon angesprochen: Ein Aspekt, der uns von Freak-Radio natürlich besonders interessiert, weil wir ja davon speziell betroffen sind, ist der Weg von behinderten Menschen in den Journalismus. Herr Professor Hausjell, Sie haben sich damit schon seit längerer Zeit beschäftigt: Wie sieht denn die Situation in Österreich aus und kann man sagen, dass es Impulse aus dem Ausland gibt, wo Österreich eigentlich noch ein bisschen etwas lernen könnte?

Univ.Prof. Dr. Fritz Hausjell: Die Situation in Österreich sieht jetzt aufgrund einiger Initiativen in den letzten Jahren im internationalen Vergleich nicht schlecht aus.

Aber sie ist natürlich in jeder Hinsicht ausbaufähig: Wenn man uns etwa mit Großbritannien vergleicht, dort haben sich die meisten Rundfunkveranstalter 1997 in einem Network zusammengeschlossen, um die Situation für Menschen mit Behinderung in dieser Branche zu verbessern und zwar in vielerlei Hinsicht. Sowohl für den Bereich der Beschäftigung, als auch für die Frage der Darstellung der Präsenz von Menschen mit Behinderung in den Rundfunkmedien.

Davon sind wir in Österreich sicher noch ein ganz gutes Stück entfernt, dieser Bewusstseinsprozess ist da eher in den Anfängen. Die Initiativen, wie der Integrative Journalismuslehrgang, haben zwar in Kooperation auch mit dem ORF stattgefunden, aber sie haben noch nicht diese Erweiterungen erfahren, die man sich eigentlich wünschen würde.
Das hat sicher dazu geführt, dass es eine Sensibilisierung gibt, auch in den großen Rundfunkanstalten in Österreich, oder in der einen großen Rundfunkanstalt. Aber dass es nun explizite Pläne gibt, wie etwa bei den meisten britischen Anstalten, bis zu konkreten Terminen bestimmte Ziele zu erreichen, davon sind wir noch ein sehr gutes Stück entfernt.

Freak-Moderator: Vielleicht eine Frage, die für den Journalismus im Speziellen gilt, aber vielleicht auch im Allgemeinen: Ich habe manchmal den Eindruck, dass Menschen mit Behinderungen oft nicht so viel zugetraut wird, wie anderen. Mir wurde schon öfter gesagt: Das wollen ja die Leute gar nicht sehen.

Jetzt die Frage: Warum gibt es eigentlich in Österreich so selten einen Rollstuhlfahrer ein Fernsehsprecher? Das wäre ja überhaupt keine Schwierigkeit, der Rollstuhl wäre dabei ja in keiner Weise eine Behinderung. Es wäre aber eine Frage des Symbols. Dann wird dann öfters gesagt, die Leute wollen das nicht. Ist das nicht eigentlich der Grund dafür, dass es auch viele Betriebe noch nicht so richtig sensibilisiert sind dafür, dass sie das noch nicht so verinnerlicht haben.
Wobei mir aber schon auffällt - vielleicht kann man das auch in Untersuchungen feststellen - es dürfte sich aber schon etwas verbessern. Die Situation, die Gleichstellung wird besser, aber es ist noch immer auf einem relativ niedrigen Level.

Prof. Fritz Hausjell: Ja es ist noch auf einem niedrigen Level und es ist wahrscheinlich auch damit einher gehend, dass sich im Bereich von Behinderung sehr viele NGOs auf dem Spendenmarkt bewegen und hier oft ein nicht nur veraltetes, sondern auch schon in der Vergangenheit eigentlich hinfälliges Bild vermittelt wird:

Ein Bild von Bedürftigkeit, von Mitleid und das ist eigentlich etwas, das in vielen Branchen den Blick darauf verstellt, was Menschen mit Behinderung können. Es gibt eine auf den ersten Blick fragwürdige Studie aus den USA, die aber genau das ausdrückt:
Mitte der 80er Jahre hat dort ein Kommunikationswissenschaftler in einem Experiment nachgewiesen, dass Menschen mit Behinderung die Kerntätigkeiten des Journalismus genauso gut können, wie Menschen ohne Behinderung. Das sind solche Dinge, von denen wir uns dann sagen, das brauche ich eigentlich nicht untersuchen.

Aber auf der anderen ist es Mitte der 80er Jahre offensichtlich notwendig gewesen, selbst in den USA, obwohl diese fünf Jahre später ein Antidiskriminierungsgesetz beschlossen haben und dadurch heute eigentlich relativ weit vorne sind. In Großbritannien kommt das zwei, drei Jahre später.

Wir in Mitteleuropa haben diese Entwicklungen noch später gemacht, oder zum Teil eigentlich noch nicht gemacht. Und warum der Medienbereich so wichtig ist, muss man schon sagen: Das ist ein Bereich, in dem visuell wird, wie Menschen arbeiten und es ist ein sehr attraktiver Bereich, nicht zuletzt ist aus diesem Grund auch das Studium an dem ich unterrichte, ein sehr nachgefragtes.

Viele junge Menschen wollen entweder in den Journalismus oder in andere Medienberufe gehen - und daher halte ich es auch für einen der Kernbereiche, dass man hier die Nagelprobe macht und sagt: Ja, hier gibt es die gleichen beruflichen Chancen, egal ob jemand eine Behinderung hat oder nicht. Das soll auch nach außen sichtbar sein: durchaus ein Stück Ermutigung für andere Berufsbereiche auch, sodass man sagt: In Großbritannien ist das gar keine Frage mehr, dass ich auch wenn ich blind bin, Fernsehjournalist sein kann!

Das ist etwas, wo man hier in Österreich schon noch Überzeugungsarbeit leisten muss, dass das geht. Ich meine mit den verschieden Hilfestellungen der Assistenz, die Menschen in dieser Situation zusteht, sind diese Dinge lösbar.
Die zweite Frage, die ja dann dazu kommt: Es ändern sich - und davon bin ich überzeugt und das zeigen auch manche Studien sehr deutlich - auch die Bilder, die von Menschen mit Behinderung vermittelt werden, wenn diese selbst daran beteiligt sind. Nicht weil diese dann in dieser Nische diese Berichterstattung machen, das sicher nicht, sondern weil sie in der Redaktion die Diskussionen mitprägen, die darüber geführt werden, welche Geschichten gemacht werden und wie sie gemacht werden und welche unnötigen und hemmenden Stereotype man künftig eigentlich nicht mehr im Journalismus transportieren sollte.

Freak-Moderator: Wir haben uns ja daran gewöhnt, wenn man von Frauenthemen spricht, dass das ohne Frauen nicht geht! Bei Menschen mit Behinderungen sollte das allmählich vielleicht auch gang-und-gäbe werden. Ich denke, das wird man leicht verstehen, dass das eine Forderung ist, die auch viel für sich hat.

Gestern hat die Unterrichtsministerin im Zuge der Pisa-Studie davon gesprochen, dass man die Kinder in den Schulen fordern und fördern muss. Nun spricht man bei behinderten Menschen viel öfters vom Fördern als vom Fordern. Ich glaube, Sie haben auch Studierende mit Behinderungen in Publizistik.

Ist es nicht so, dass man speziell auch sagen muss, behinderte Menschen können auch die gleichen Qualifikationen bringen, daher ist es auch notwendig zu fordern, denn das ist auch eine Art von Förderung. Haben Sie solche Erfahrungen auch gemacht oder können Sie das bestätigen?

Prof. Fritz Hausjell: Ich habe den Eindruck - allerdings muss ich dazusagen, dass ich auf der einen Seite den Eindruck habe - dass an der Universität - und ich denke, die Statistiken, die ich mir dazu angeschaut habe, belegen das leider - dass dort schon die deutliche Verengung in den Bildungschancen sehr stark schlagend wird. Wir haben vergleichsweise wenige Menschen mit Behinderung, die bei uns studieren. Die wenigen, die wir haben, da würde ich die Bilanz ziehen, es gibt einen kleinen Unterschied und der kleine Unterschied heißt: diese Gruppe fühlt - glaube ich - dass sie noch mehr leisten müssen, um das Gleiche zu erreichen.

Das ist ein etwas ähnliches Phänomen, das wir oft auch bei Frauen wahrnehmen, dass sie es uns erst beweisen müssen, dass sie etwas genauso gut können. Noch vor 20 Jahren war der Anteil von Frauen im Journalismus etwa bei 20 Prozent. Jetzt sind wir zum Glück etwa bei 40 bis 45 Prozent, wir sind noch nicht bei der Gleichstellung, aber es ist eine verhältnismäßig dynamische Entwicklung.

In den Spitzenpositionen ist das noch nicht so erkennbar, wir freuen uns, wenn bei einer Tageszeitung endlich eine Chefredakteurin den Sessel erklimmt, wie etwa beim Standard. Aber das sollte eigentlich künftig kein Thema mehr sein. Es wird vorübergehend ein Thema sein, wenn nun jemand mit einer Behinderung zum Beispiel ein Fernsehmagazin moderiert und ich hoffe, dass ich es selber auch erleben werde, ich bin jetzt so Mitte, Ende 40, dass ich es in meinem aktiven Berufsleben erlebe, dass wir darüber möglichst nicht mehr diskutieren müssen.

Ich weiß, dass ist eine vielleicht eine utopische Forderung, aber sie heißt ja 20 Jahre, wir gehen ja als Beamte sicher nicht mit 65, sondern künftig eher mit 70 in Pension. Diese Entwicklungsspanne ist, glaub ich, realistisch und heißt aber auch, dass wir uns sehr anstrengen müssen. Ich glaube, dass wir sehr beharrlich dran bleiben müssen, das zeigen auch diese internationalen Entwicklungen, einzelne Initiativen sind sehr wichtig, dürfen aber dann nicht Alibi-Initiativen werden, sondern es heißt: Dranbleiben, weiter Druck machen! Sowohl von den Betroffenen, von dort kommt er sowieso, als auch von denen, die erkannt haben, dass das ein ganz wichtiger Bereich ist.

Freak-Moderator: Die Lebensarbeitszeit wird immer länger, unsere Sendezeit bleibt aber immer die gleiche. Sie hören schon die Hintergrundmusik. Wir nähern uns ganz rasch dem Ende. Wir haben noch einen Aspekt gehört, dass es offensichtlich doch nicht so ganz einfach ist, weil die Öffentlichkeit sehr viel mehr verlangt.

Ich hoffe, dass wir mit diesen Maßnahmen auch das Selbstbewusstsein fördern können, zu zeigen, dass Menschen mit Behinderungen sehr wohl das schaffen, was sie sich vorgenommen haben und das auch anerkannt wird. Ich bedanke mich ganz herzlich, dass Sie hier gewesen sind. Ich hoffe, wir werden uns auch ein nächstes Mal, vielleicht auch in unterschiedlicher Besetzung hier wieder zusammenfinden.

Ich möchte noch einen kleinen Programmhinweis für die nächste Sendung geben: Am nächsten Sonntag, den 30. Dezember 2007, hören Sie in der letzten Sendung diesen Jahres in einer Freak-Magazin Sendung vom "friends of fairness"-Preis, einem innovativen Projekt der Wiener Linien und einem Buch von Franz Josef Huainigg.

Ich möchte mich bei meinen Gästen für Ihr Kommen bedanken und auch bei Martin Leitner für die technische Unterstützung der heutigen Sendung. Namens des gesamten Freak-Radio Teams wünsche ich Ihnen allen noch erholsame Weihnachtsfeiertage und verabschiede mich am Mikrofon, Gerhard Wagner.

Musik: In dulci Jubilo (Fassung Mike Oldfield)
Freak-Homepagetrailer:

Sprecherin 1: Freak-Radio, jeden Sonntag und Dienstag ab 20:30?

Sprecherin 2: auch im Internet unter 1476.orf.at

Sprecher: Kennen Sie schon unsere neue Homepage?

Sprecherin 1: Auf www.freak-radio.at finden Sie Informationen über unser Team und Sendungen in Textfassung.

Sprecher: Übrigens, unter leichter Lesen auch für Leute mit Lernschwierigkeiten.

Sprecherin 2: Und Sie können die Highlights von Freak-Radio als mp3 auf Ihren Computer laden:

Sprecherin 1: www.freak-radio.at

Trailer Projekt Selbstbestimmt

Sprecherin: Sie hörten eine Sendung der Schwerpunktreihe:
»Selbstbestimmt mit allen Sinnen - ...

Sprecher: ...Wege zur Gleichstellung. Wege ohne Diskriminierung« ...

Sprecherin: ...die vom Bundessozialamt aus Mitteln der
Beschäftigungsoffensive der österreichischen Bundesregierung gefördert
wird.


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