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Freak-Casters: Debora Maboya – Inklusion mit Comics und Animationsfilmen
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In unserer heutigen Folge stellen wir euch Tai...
Wanted: Superassistenz – mit Monika Haider
Menschen mit Behinderungen wollen selbstbestimmt leben, dafür brauchen sie die Unterstützung von...
Folge 43: Evelyn Brezina: Insta-Bloggerin im Rollstuhl
Love to find beauty everywhere ist ein Motto von Evelyn Brezina und das tut sie in ihrer Heimatstadt Wien. Die Fotos auf ihrem Instagram-Account vienna_wheelchair_view zeigen verschiedenste Facetten Wiens verborgene Innenhöfe und Treppenaufgänge, aber auch das Glasdach der Wiener Albertina aus ihrer Perspektive. Auf Instagram zeigt Evelyn nicht nur schöne Seiten Wiens, sondern gibt auch einen Einblick in ihren Alltag als Frau mit Behinderung. Die 44-jährige hat Osteogenesis Imperfecta, besser bekannt als Glasknochenkrankheit. Bei einem Streifzug durch das Wiener Museumsquartier hat Sandra Knopp mit der Bloggerin über ihre Fotografien und Sammlungen, ihre Schulzeit und Berufstätigkeit, wie auch ihren Blick auf Inklusion gesprochen.
#Signation#
Herzlich Willkommen bei FreakCasters, sagen Christoph Dirnbacher und Sandra Knopp.
Christoph Dirnbacher: In unserem Podcast sprechen Menschen mit uns über ihre Leidenschaften und erzählen ihre Lebensgeschichte: „Love to find beauty everywhere “– lautet das Lebensmotto von Evelyn Brezina. Davon zeugen ihre Fotos, die sie via Instagram veröffentlicht.
Auf ihrem Account „vienna_wheelchair_view“ zeigt sie verschiedenste Facetten Wiens. So hat Evelyn etwa das Glasdach im Innenhof der Albertina aufgenommen – aus ihrer Perspektive. Aber sie faszinieren auch verborgene Innenhöfe und Treppenaufgänge. Manchmal gibt die Fotografin einen kleinen Einblick in ihren Alltag. Sandra Knopp hat sich mit Evelyn Brezina auf Motivsuche ins Wiener Museumsquartier begeben. Dabei haben sie nicht nur eine neue Skulptur entdeckt, sondern auch über Evelyns Erkrankung gesprochen und darüber, was sie braucht, um selbstbestimmt leben zu können.
Evelyn Brezina: Ich bin klein und goschert. Ich hoffe. Mit 1 Meter 12 gilt man nicht als Riesin. (Lacht.) Das muss man mit der Klappe wettmachen. (Lacht.)
Sandra Knopp: So pointiert beschreibt sich meine heutige Gesprächspartnerin. Über einen Zeitungsartikel bin ich im Juli 2021 auf ihre Fotografien aufmerksam geworden - und ich habe sofort ihren Instagram-Account abonniert. Es ist die Art und Weise, wie sie Wien erlebt und abbildet, die die Menschen bewegt.
Evelyn Brezina: Ich bin erstens kleinwüchsig und zweitens sitze ich im Rollstuhl, was mir eine komplett andere Perspektive gibt. Ich würde sagen, die eines fünf bis sechsjährigen Kindes, dass vielleicht die Welt entdeckt für sich.
Sandra Knopp: Es ist angenehm warm, wenngleich auch windig in Wien, an diesem Donnerstag-Vormittag Anfang September. Die Schule hat wieder begonnen, im Haupthof des Museumsquartiers tummeln sich noch relativ wenige Besucher und Besucherinnen. Der Blick von Evelyn Brezina wandert immer wieder nach oben, sie ist fasziniert von der neuen Netzskulptur der amerikanischen Künstlerin Janet Echelman im Haupthof des Museumsquartiers.
Evelyns elektrischer Rollstuhl ist höhenverstellbar. Sie hält ihr Smartphone mit dem linken Arm hoch und drückt mit dem Daumen auf den Auslöser. [Klick] Mit ihrer rechten, schwächeren Hand bedient sie den Steuerknüppel ihres E-Rollis. Wir suchen uns ein windgeschütztes Plätzchen nahe dem Museum für Moderne Kunst. Der Streifzug durch das Museumsquartier war Evelyns Idee.
Evelyn Brezina: Ja, ich mag diesen Ort unglaublich gerne. Ich bin jedes Mal wieder fasziniert, wenn man hierherkommt und es ist etwas Neues zu entdecken. Egal, ob es eine neue Installation ist, eine neue Ausstellung oder einfach nur die Menschen, die hier sitzen und die Sonne genießen. Ich mag die Architekturmischung irrsinnig gern. Ich habe die Libelle schon für mich entdeckt, ich mag es von oben nach runterzuschauen, Höhenangst habe ich definitiv keine.
Sandra Knopp: Jetzt muss ich dich fragen, wie hat deine Leidenschaft zum Fotografieren begonnen: hattest du die immer schon oder hat die sich in den letzten Jahren entwickelt?
Evelyn Brezina: Ich habe mit 10 Jahren meine erste Kamera von meinem Vater zum Geburtstag geschenkt bekommen. Er war auch schon mit Leidenschaft Hobbyfotograf. Er hat in unserem Garten jede Blume fotografiert in jedem Stadium und mit jeder Biene drauf. Er hat mir von Anfang an beigebracht nicht einfach loszuknippsen, sondern auf den besonderen Blickwinkel zu achten. Ich habe normal fotografiert mit meiner uralten Kamera von damals.
Dann bin ich zum Schreiben übergegangen, dann hat sich meine Grunderkrankung – der Osteogenesis Imperfecta – das sind die Glasknochen so verschlechtert, auch durch Unfälle verursacht, dass mit der rechten Hand nicht mehr schreiben, am Computer nicht mehr tippen kann. So bin ich immer mehr zum Fotografieren übergewechselt. Und jetzt bin ich eine Instagram-Bloggerin.
Sandra Knopp: Evelyn Brezina ist 1 Meter 12 groß und sie ist nicht mit dem berühmten Autor verwandt, wenngleich sie das oft gefragt wird. Sie hat kurze braune Haare und eine Brille. An diesem Tag trägt sie einen weißen Strickpulli, der einen scharfen Kontrast zur schwarzen Lehne ihres E-Rollis bildet. Dazu eine schwarze Hose und rote Schuhe in Covers-Optik. Ein Freund hat sie dazu motiviert ihre Fotos auf Instagram online zu stellen.
Evelyn Brezina: weil er gemeint hat das wäre genau die richtige Plattform für mich. Ich war zuerst auf Facebook, das ist eher beschränkt auf einen bestimmten Freundeskreis, den man sich selbst sucht. Neue Menschen finden einen dort weniger, beziehungsweise nicht aus den richtigen Motiven. (Lacht.) oder Motivationen besser gesagt. Auf Instagram kann ich durch das richtige setzen von Hashtags Menschen finden auf der ganzen Welt, die sich für die gleichen Dinge interessieren, wie ich.
Sandra Knopp: Auf Instagram macht die Wienerin also mehr als „nur“ Fotos zu posten.
Evelyn Brezina: Naja einerseits mache ich nicht nur Fotos, sondern auch kurze Reels, auch Videos, wo ich über meine Belange spreche. Und natürlich es wird viel darüber geswippt und nur die schöne Welt gezeigt. Ich interessiere mich auch für das schöne Wien, weil die unschönen Seiten werden genug von anderen gezeigt. Ich versuche es einfach zu kombinieren. Instagram gibt mir die Möglichkeit zu meinen Filmen und Fotos auch Texte zu veröffentlichen. Ich habe durchaus sehr viele Follower, die das auch lesen. Um international zu bleiben, schreibe ich auf Englisch und erreiche umso mehr Leute.
Sandra Knopp: Was ist denn für dich Schönheit? Die liegt im Auge des Betrachters. Für mich ist schön zum Beispiel ein Löwenzahn, der zwischen Betonplatten herauswächst. Es muss nicht die glitzernde Glammerwelt sein, oder ein traumhaft schöner Strand auf den Malediven. Das ist es nicht. Es ist manchmal etwas winzig Kleines, was man nicht erwartet.
Sandra Knopp: „Brittle Bones“, „blogger“, „passionate photographer“, mit diesen drei Schlagworten beschreibt sich Evelyn auf ihrem Instagram-Account. In Österreich nutzen aktuell fast vier Millionen Menschen die Sosical Media Plattform. Insta, so der Kurzname, gilt als Medium der schönen Bilder. Evelyn ist es wichtig einen Mix zu zeigen.
Evelyn Brezina: Ich habe begonnen mit Wien Fotos und habe gemerkt, dass die Leute immer mehr Interesse entwickelt haben zu erfahren, wer ist das hinter der Kamera? Und so habe ich eine Mischung gebaut aus Wien und meiner eigenen Geschichte.
Sandra Knopp: Im Frühjahr und Sommer ist Evelyn stets auf der Suche nach guten Motiven. Im Spätherbst und Winter ist das schwierig, denn ihr wird sehr schnell kalt. Das Smartphone hat die Wienerin fast immer bei sich. Für sie ist es quasi das Tor zur Welt.
Evelyn Brezina: Ja, ich habe eine eigene Konstruktion, wo das Handy quasi über meinem Kopf fixiert ist, und ich habe meine linke Hand und swippe mich quasi durch die Welt. Am Abend, wenn mein Pfleger schon schlafen geht, weil er ko ist von unserem langen Tag. Ich bin eine Nachteule, ich kann nichts dafür. Ich habe auch eine Schlafapnoe, ich habe Atemaussetzer, wenn ich schlaf.
Jetzt habe ich diese Beatmungsmaske auch noch auf und es gibt Nächte und da kann ich nicht einschlafen. Dann liege ich und ich kommuniziere ich mit Leuten in anderen Zeitzonen, die schon längst munter sind oder schon wieder und ich finde das total spannend mit Menschen aus anderen Kulturen zu kommunizieren, um Bilder zu sehen, Austausch zu haben. Mir taugt das.
Sandra Knopp: Nun zurück zum Anfang der Geschichte: Evelyn Brezina wird am 01. Mai 1977 in Wien geboren. Sie scheint gesund zu sein, ist ein quirliges Mädchen, mit feuerroten Haaren und einer Liebe zur Farbe Pink. Sie erinnert sich noch gut an jenen Tag im September 1984, der ihr Leben in zwei Hälften teilt.
Evelyn Brezina: Ich habe am Abend gespielt, ich war ein Kind, das nie ins Bett wollte. Das hat sich bis heute nicht geändert. (Lacht.) Und mir ist etwas aus dem Bett rausgefallen und ich wollte das holen und bin dabei mit dem Knie aus dem Bett gerutscht und am Knie am Boden gelandet. Ich hatte kein sehr hohes Bett, ein normales Kinderbett. Ich bin am Knie gelandet und habe einen leisen Knacks gespürt.
Ich habe gemerkt: ohje, ich kann nicht mehr alleine aufstehen und ins Bett. Ich habe nach meiner Mutter gerufen und sie kam. Sie fragte mich was los ist. Sie hob mich ins Bett zurück, wollte mich beruhigen und nimmt mein Bein und macht Radfahrbewegungen mit dem Bein. Während sie das machte ist in ihren Händen mein Oberschenkel komplett durchgebrochen. Den Knacks, den ich vorher nur leicht spürte, der war dann komplett. Durch die Bewegung des Radfahrens hat sich der Bruch auch noch verschoben.
Sandra Knopp: Der Oberschenkel ist kompliziert gebrochen und muss operiert werden. Ein Nagel stabilisiert Evelyns Knie. Gewichte setzen das Bein unter Zug, damit der Bruch heilt. Nach vier Wochen im Krankenhaus, wird sie mit einem Liegegips entlassen. In den nächsten Jahren folgen geschätzte 100 weitere Brüche: Als Evelyn aus Ärger über eine Rechenaufgabe ihren rechten Unterarm auf die Tischkante knallt, kracht es. Ein andermal bricht ihr der linke Oberschenkel beim Hinsetzen aufs WC. Erst im Jugendalter steht die Diagnose fest: Osteogenesis Imperfecta, besser bekannt als Glasknochen-Krankheit.
Evelyn Brezina: Die Tatsache, dass man nicht genau gewusst hat, was ich habe, über so viele Jahre, hat natürlich zu etlichen Fehlbehandlungen geführt, was mir mein Leben im Nachhinein sehr erschwert hat.
Sandra Knopp: Wie fühlt sich so ein Bruch an?
Evelyn Brezina: Viele Menschen glauben, weil man die Glasknochen-Krankheit hat und sich öfter was bricht, dass es weniger weh tun würde. Was absolut nicht stimmt. Wenn der Bruch nicht komplett gerade verheilt kommt es zu Verformungen der Knochen oder auch durch die Belastung verformen sich die Knochen und das erschwert das Leben massiv.
Ein Gips in meinem jetzigen Zustand ist so schwer für mich. Wenn ich mir vorstelle: Ich breche mir, Gott bewahre, den linken Unterarm, den ich am meisten brauche und ich bekäme einen Gips: hätte ich sofort massive Probleme mit meiner Wirbelsäule, weil das Gewicht ungleich verteilt ist. Jetzt ist alles in einer ganz feinen Balance: mit einem Gips wäre das alles über Bord geworfen.
Sandra Knopp: Die Ursache für die Glasknochenkrankheit liegt in einem genetisch bedingten Defekt im Kollagenstoffwechsel. Dieses Protein ist zentral für den Aufbau des Bindegewebes im Körper. Man kann es sich als Gerüst, um das der Knochen errichtet wird, vorstellen. Durch den Kollagendeffekt wird der Knochen spröde und bricht leichter, heißt es auf der Website glasknochen.at, die von der Selbsthilfegruppe „Osteogenisis Imperfecta Austria“ betrieben wird. Evelyn erzählt, wie ihre Familie mit der Erkrankung umgegangen ist:
Evelyn Brezina: Nachdem man meinen Eltern viele Jahre erzählt hat, dass sich das mit der Pubertät wieder legen würde und dann wäre ich ein normales, gesundes Kind, waren sie sehr skeptisch, was die Diagnose betrifft. Mein Vater wollte es überhaupt nicht wahrhaben, bei einem Gendeffekt hat er sich die Schuld gegeben, was eigentlich völliger Blödsinn ist, vor allem weil in unserer Familie Generationen hinweg niemand diese Krankheit hatte.
Das kommt einfach oft vor, diese sogenannten Spontanmutationen. Meine Mutter war einfach, sie sagt noch heute, sie war der funktionierende Roboter. Du kannst als Mutter, wenn du siehst, dass deinem Kind etwas passiert ist, nicht die Nerven wegschmeißen, du musst richtig reagieren. Welche Papiere brauche ich, nicht achten, dass das Kind jammert und schreit, einfach funktionieren. Erst dann die Nerven schmeißen, wenn ich außer Blick bin.
Sandra Knopp: Evelyns Mutter hat für die vielen Krankenhausaufenthalte eine gewisse Routine entwickelt. Auch ihr Vater und ihr jüngerer Bruder müssen damit umgehen lernen. Ihre Kindheit erlebt Evelyn als die Zeit vieler Operationen. So werden ihr beispielsweise Metallstäbe in die Oberschenkel eingesetzt. Es folgen monatelange Reha-Aufenthalte.
Als Jugendliche wünscht sich wieder gehen zu können, ist aber auf den Rollstuhl angewiesen. Dieses Hoffen und Bangen spiegelt sich in ihrer lesenswerten Autobiografie „Zerbrichmeinnicht und Löwenzahn“ wider. Einige Kapital widmet sie der Schulzeit.
Evelyn Brezina: Am Schlimmsten waren für mich die Stufen in diesem Haus. Es gab im Vorhaus alleine zwölf Stufen, die meine Mutter jeden Tag mit dem Rollstuhl hinauf und hinter gefahren ist. Und je weiter ich aufgestiegen bin, von den Schulstufen her, war dann auch Nachmittagsunterricht dabei. Ich konnte nicht von 08 bis 18:00 durchsitzen und musste zwischendurch nachhause. Diese Prozedur zweimal/viermal am Tag.
Für meine Mutter ein Wahnsinnsaufwand, eine irre Anstrengung und für mich ein Horror. Ich habe so Angst gehabt vor diesen Stufen, weil einmal was passiert ist. Nicht mit meiner Mutter, mit jemand anderem Für mich war das in die Schule gehen einfach immer nur mit Angst verbunden.
Sandra Knopp: Noch heute denkt die 44-jährige mit gemischten Gefühlen an ihre Schulzeit zurück. Anfangs fühlt sie sich wie eine „Außerirdische“, darf das Klassenzimmer nicht verlassen, zu groß ist die Gefahr, dass sie sich im Getümmel verletzt. Auch manche Klassenkameraden und Kameradinnen wissen nicht, wie sie mit ihr umgehen sollen. Dass sie immer die beste Jause mithat und auch gerne einmal teilt oder tauscht, ist der Startschuss zu ihrer Freundschaft mit Birgit.
Evelyn Brezina: Sie ist weiterhin meine beste Freundin. Wir kennen uns seit unserem zehnten Lebensjahr. Sie ist… Ich kann das gar nicht beschreiben. Auch wenn wir uns manchmal 1-2 Wochen nicht hören, ist das, wie wenn wir uns gestern das letzte Mal gehört hätten. Das hat schon fast was Schwesterliches.
Sandra Knopp: Freundschaft hat für Evelyn generell einen sehr hohen Stellenwert.
Evelyn Brezina: Freunde sind das Salz des Lebens überhaupt. Ohne Freunde ging gar nichts. Ich verdanke meinen engsten Freunden so viel. Das ist ein sehr emotionales Thema. Es war erst vor sehr kurzer Zeit, dass ich sie sehr gebraucht habe, zwei ganz liebe Freunde von mir, die mir wirklich geholfen haben. Sonst hätte ich drei Wochen im Bett bleiben müssen, obwohl nichts gebrochen ist und alles in Ordnung war.
Ich bin unendlich dankbar für die Menschen, die in meinem Leben aktiv eine Rolle spielen und, die mich nicht als Behinderte sehen, sondern einfach als ihre Freundin, die sie anrufen können. Vor Covid gab es Zeiten, da war ich mit einem ganz lieben Freund jedes Monat im Theater – ich habe ein für „mich normales“ Leben geführt. [Seufzt] Ja, das vermisse ich jetzt auch schon.
Sandra Knopp: An diesem Vormittag ist Evelyn nicht alleine zum Gespräch ins Museumsquartier gekommen. Begleitet wird sie von ihrem 24-Stunden-Betreuer Valentin Friegel. Der aus Rumänien stammende Vater einer 14-jährigen Tochter sorgt zurzeit – abwechselnd mit einer anderen Betreuerin dafür, dass sie ihren Alltag selbstbestimmt leben kann.
Evelyn Brezina: In der Früh kommt Valentin zu mir, nimmt mir die Beatmungsmaske runter. Dass ist der erste Akt des Tages. Weil ich es nicht einmal schaffe mir die selber runterzunehmen, zwar mit einer Hand, aber nicht mit der zweiten. Dann bekomme ich einen Tee, dann werde ich in den Rollstuhl gesetzt, ins Badezimmer gebracht dort unterstützt beim Waschen oder Duschen. Dann Frühstück, anziehen natürlich.
Sandra Knopp: Valentin ist 41 Jahre alt, hat lockige, kurze braune Haare. Er trägt ein Sport-Shirt und eine Jeans. Aber lassen wir ihn doch sich selbst vorstellen.
Valentin Friegel: Grüß Gott mein Name ist Friegel Valentin, 24 Stunden selbstständiger Personenbetreuer bei Malteser Care. Ich pflege rund um die Uhr.
Sandra Knopp: Wie lange bist du Betreuer?
Valentin Friegel: Diesen Beruf mache ich seit 13 Jahren in Österreich und ich liebe diesen Beruf, ein Job ohne Menschen wäre für mich unmöglich. Seither bin ich überall in Österreich zum Pflegen, besonders jetzt in Wien.
Sandra Knopp: In Österreich nehmen rund 30.000 Familien die 24-Stunden-Betreuung in Anspruch. Die Betreuer:innen leben im Haus und unterstützen bei der Körperpflege und der Nahrungsaufnahme. Sie dürfen aber keine medizinischen Pflegedienstleistungen erbringen. Valentin hat sich bewusst für diesen Beruf entschieden.
Valentin Friegel: Nein,früher habe ich was anderes gemacht, in Rumänien gearbeitet in einer normalen Fabrik. Dann habe ich entdeckt – ich werde einen anderen Job versuchen und bin zur Maltheser Care gekommen und die haben mich überzeugt, dass ich es schaffe mit Menschen zu arbeiten in der 24-Stunden-Pflege.
Sandra Knopp: Valentin sei quasi einer ihrer Schutzengel, sagt Evelyn Brezina lachend. Denn im Sommer 2021 zeichnet sich eine Krise ab: Eine ihrer langjährigen Betreuerinnen fällt krankheitsbedingt länger aus. Die andere hat dringende familiäre Verpflichtungen zuhause. Die Organisation schickt zwar einen Ersatz, doch die Betreuerin kann nicht mit Evelyns erfahrenem Team mithalten:
Evelyn Brezina: Die Pflegerin, die bei mir, die ist schon 12 Jahre bei mir: Sie hat ihr ganz genau erklärt, wie sie mich zu heben hat. Aber das Problem war: sie hat es nicht geschafft. Sie konnte mich nicht aus dem Bett heben. Sie war schlicht und ergreifend zu schwach. Nachdem meine langjährige Pflegerin am selben Abend unbedingt nachhause fahren musste, hatte ich keine andere Wahl: so schnell noch dazu in der jetzigen Situation bekommt man keinen neuen Pfleger.
Sandra Knopp: Evelyn will weder für sich noch für die Pflegerin ein Risiko eingehen. Denn wenn etwas passiert und die beiden etwa stürzen, kann das dramatische Folgen haben. Es scheint ihr nichts anderes übrig zu bleiben, als sich drei Wochen im Bett pflegen zu lassen. Diese Aussicht macht ihr Angst. Um diese Zeit besser auszuhalten, entschließt sie sich zu einem radikalen Schritt:
Evelyn Brezina: Nachdem es Sommer war und heiß. Ich weiß, dass wennman nicht duschen kann, ist es am besten Haare zu haben so kurz wie ein Soldat. Wo man mit dem Waschlappen den Kopf waschen kann. Ich wusste, dass ist meine Lösung. Da kommen die Freunde ins Spiel: Der eine Freund sagte: Erzähl den Leuten auf Instagram über deine Story, wie dein Leben gerade jetzt wirklich ausschaut.
Dass du nicht nur in Wien auf der Straße herumspazierst und schöne Fotos machst. Dass es auch eine andere Seite gibt. Das habe ich gepostet und das haben auch die Freunde von mir gesehen: sie haben ganz spontan gesagt: wir kommen, wir unterstützen deine Pflegerin, wir heben dich zweimal am Tag raus, und das haben sie fünf Tage am Stück durchgezogen. Und dann hat die Organisation Gottseidank mit viel Glück – da haben alle Schutzengel zusammengeholfen - meinen lieben Pfleger Valentin aufgetrieben.
Sandra Knopp: Valentin hat durch sie Wien von einer ganz anderen Seite kennengelernt. Ein Erlebnis hat Evelyn in einer Instagramm-Story verarbeitet.
Evelyn Brezina: Wir waren ein bisschen aus der Wohnung draußen, ein bisschen frische Luft schnappen. Eine Dame kam aus einem Haus um die Ecke, wo ich zig Mal vorbeigefahren bin. Die Türe war noch nie offen. Ich schaue hinein und sehe ein uraltes Wiener Stiegenhaus mit wunderschönen geputzten Glasfenstern in Blau-Weiß. Ich war fasziniert. Ich habe aber mein Handy zuhause liegen lassen, um meine Hand zu schonen und habe mich fast in den Allerwertesten gebissen, auf dem ich eh sitze.
Einen Tag später probierten wir es nochmal, ich sagte zu Valentin. Ich glaube nicht, dass wir zweimal hintereinander so eine Chance haben, wenn ich 20 Jahre da wohne und das noch nie gesehen habe. Er hat die Türe aufgedrückt. Normalerweise ist die nur mit Schlüssel aufzusperren. Warum die aufgegangen ist? Ich weiß es nicht. Wir hatten auch nichts Böses im Sinn. Auf einmal waren wir drinnen und ich konnte dieses Foto machen. Ich habe mich unendlich gefreut, dass er sich das für mich getraut hat.
Valentin Friegel: Das war für mich auch ein sehr schöner Moment, den ich genossen habe. Ich habe so etwas in meinem Leben nicht gesehen, das hat mich sehr berührt diese Fenster und Fensterrahmen, die wirklich wunderschön waren. Ich entdecke sehr viel, ich hab noch nie in meinem Leben das Wien gesehen - innen und außen – wie schön Wien ist.
Sandra Knopp: Valentin arbeitet vier Wochen in Österreich, vier Wochen verbringt er bei seiner Frau und Tochter zuhause in Rumänien. Für seine 14-jährige Tochter, die in Rumänien lebt, bezieht er rechtmäßig Familienbeihilfe. Diese wurde aber seit 2019 auf das Niveau der Lebenserhaltungskosten in Rumänien angepasst. Und damit um mehr als die Hälfte gekürzt. Dieser massive Einschnitt empört Evelyn.
Evelyn Brezina: Es hat mich wahnsinnig geärgert, dass diese Kürzung überhaupt durchgeführt wurde. Ich finde, dass Pfleger in Österreich generell zu wenig verdienen. Die 24-Stunden-Pfleger aus dem Ausland, die extra ihre Familien zuhause lassen, um uns zu helfen, verdienen, dass man ihnen jede Unterstützung gewährt die möglich ist und ihnen nicht Steine in den Weg legt.
Wären die 30.000 Patienten, die in Österreich, die auf 24-Stunden_Pflege angewiesen sind alle in Pflegeheimen, würde das den Staat weitaus mehr kosten als die Kinderbeihilfe auszubezahlen, wie das vorher war.
Sandra Knopp: Die Situation ist dramatisch. Es fehlen die 24 Stunden-Kräfte.
Evelyn Brezina: Ja massiv. Es war vorher schon schlecht und Österreich ist ein bürokratischer Staat mit viel Papierkram. Die Pfleger bekommen da kaum Hilfe. Wenn sich die Familien sich nicht kümmern, sind die Pfleger mit dem Papierkram sich selbst überlassen. Man muss alle paar Tage sehen: wie ist die Situation an der Grenze, wie sieht es aus mit Impfungen und Tests?
Sandra Knopp: Evelyn betont, wie enorm wichtig die 24-Stunden-Betreuung für ihren Alltag ist. Ohne diese Form der Unterstützung könne sie ihr Leben nicht selbstbestimmt gestalten, sagt die Wienerin.
Evelyn Brezina: Ohne 24-Stunden-Pflege würde ich im Pflegeheim landen. Ich habe meinen Vater knapp ein Jahr im Pflegeheim besucht, er ist leider im Februar verstorben. Ich habe gesehen, dass selbst in den Pflegeheimen viel zu wenig Personal ist. Es betrifft nicht nur alte Menschen -auch Kinder, die im Familienverband integriert sind – wo der Vater arbeiten geht, die Mutter ein krankes Kind hat und vielleicht Geschwister da sind.
Dort wird genauso ein 24-Stunden-Pfleger gebraucht, wie ich ihn brauche oder sie, um mein Leben leben zu können. Ich finde es unfair, dass ich als junger Mensch darum kämpfen muss, mein Leben leben zu können, das ohnehin massiv eingeschränkt ist. Ich will nicht in einem Krankenhausbett liegen müssen und nach einer Schwester klingeln müssen, dass sie mir die Windeln bringt. So weit bin ich noch nicht!
Sandra Knopp: Die Corona-Pandemie mit den Lockdowns, zeitweiligen Grenzschließungen und den von Land zu Land unterschiedlichen Vorschriften in Bezug auf Quarantäne, Testen und Impfen hat Valentins Arbeitsalltag stark erschwert. Von der Politik fühlt er sich zu wenig gehört.
Valentin Friegel: Ich würde mir wünschen persönlich alle 24 Stunden Betreuer oder Pfleger, dass besser bezahlt wird und die Politiker den Beruf wirklich ernst nehmen, den wir machen. Dieser Beruf ist wirklich ein sehr wertvoller Beruf. Für uns 24-Stunden-Pfleger wir wollen, dass es uns bei der Grenze leichter gemacht wird. Schon jetzt hängt viel ab von der 24-Stunden-Pflege. Durch die Corona-Situation es ist komplett abgestrichen, es kommen weniger Pfleger.
Sandra Knopp: Auch Evelyn wünscht sich mehr Wertschätzung für 24 Stunden Betreuer und Betreuerinnen. Sie spricht sich für eine bessere Bezahlung aus.
Evelyn Brezina: Nehmen wir einen 40 Stunden-Job in Österreich: was der bezahlt wird und setzen den in Vergleich zu einem 24-Stunden-Pfleger: der nur das Recht hat auf zwei Stunden Pause pro Tag und der nicht einmal einen Bruchteil dessen verdient. Der trotzdem seine Sozialversicherung und Pension zahlen muss und seine Unfallversicherung. Er oder sie ist für ein Menschenleben verantwortlich – wie auch Ärzte, Pfleger in den Spitälern – die auch alle unterbezahlt sind.
Gerade die 24-Stunden-Pfleger, die zu uns kommen sollten noch mehr Unterstützung bekommen. Sind wir uns ehrlich: Ich kenne keinen Österreicher, der das machen würde, für diese Bezahlung bei mir 2 oder 4 Wochen zu wohnen, obwohl er oder sie in Österreich ein Zuhause hat - für diese Bezahlung. Ich bin Mindestpensionistin mit Pflegestufe 7 und bekomme vom Bundessozialamt einen Zuschuss, der reicht nicht aus, um die 24-Stunden-Pflege zu bezahlen, so zu bezahlen, dass sie menschenwürdig bezahlt würde: ohne Hilfe meiner Mutter, meiner Freunde, wäre das auch für mich nicht möglich.
Sandra Knopp: Nachdem wir uns über eine halbe Stunde beim „Mumok“ unterhalten haben, setzen wir unseren Streifzug fort. Auf einer Wand unweit des Museums für Moderne Kunst entdecken wir ein Abbild von Donald Duck. Ein schönes Fotomotiv für Evelyn.
Sandra Knopp: Hast du nicht vorhin etwas von Comics gesagt?
Evelyn Brezina: Ja, Donald lässt grüßen.
Sandra Knopp: Beim Rundgang verrät mir Evelyn Brezina, dass sie die Farbe Pink bis heute liebt und sich nicht mehr dafür geniert. Das gilt auch für ihren Film und Musikgeschmack.
Evelyn Brezina: Ich höre schon gerne Klassik, aber ich bin ein Musical-begeisterter Mensch und von Les Miserable kriegt mich sowieso keiner weg.
Sandra Knopp: Seit sie mit ihrer Schulklasse Ende der 1980er Jahre eine Aufführung von „Les Miserabel“ im Raimundtheater gesehen hat, liebt sie dieses Musical. Evelyn hat eine Sammlung von Aufnahmen des Musicals in verschiedensten Sprachen. Sie sammelt auch Sneaksers. Auch ihre roten Schuhe schaffen es an diesem Tag auf ein Foto.
Evelyn Brezina: Ich mag die Perspektive, ich komme nie wirklich am Boden und das Gefühl über dem Boden zu schweben. Es ist eine fotografische Spielerei, sonst gar nichts.
Sandra Knopp: Unser nächstes Ziel ist die Libelle, eine im Herbst 2020 eröffnete Dachterrasse über dem Leopold Museum. (ATMO-Lift) Am Dach angekommen gibt es für Rollstuhlfahrer und RollstuhlfahrerInnen einen verglasten Treppenlift, der von einem Mitarbeiter bedient wird. Von oben haben wir eine wunderschönen Blick auf die Wiener Innenstadt. [Klick] An diesem Tag sprechen wir über Perspektiven und Motive – aber auch darüber, wie es sich für Evelyn anfühlt, von anderen betrachtet bzw. angestarrt zu werden.
Evelyn Brezina: Ich habe kein Problem, wenn mich Kinder anstarren, weil woher sollen sie es wissen. Ich beantworte gerne alle Fragen, die Kinder ihren Eltern stellen. Mama was hat diese Frau? Egal was. Womit ich nicht zurechtkomme, sind Eltern, die ihre Kinder von mir wegzerren als hätte ich Lepra. Die sagen: Schau nicht hin. Ich denke, dass ist so verletzend, unnötig. Gerade den Kleinen kann man es zumuten, dass sie verstehen, worum es geht.
Ich stand vor ein paar Jahren vor einer Kirche und ein 3-4-jähriger kommt auf mich zu und fragt mich warum ich im Rollstuhl sitze. Ich versuchte das kindgerecht zu erklären: wenn ich mit Glasknochen anfange, das hätte er nicht verstanden. Ich sagte: meine Beine sind zu schwach, darauf kann ich nicht stehen. Dann fragt er mich mit großen Augen: hat man das im Ultraschall nicht gesehen? Jetzt muss man sich einen Comic vorstellen, wo die Lade bis zum Boden runterklappt: Ich war komplett fasziniert und entgeistert.
Wo kam das denn her? Aus dem Mund eines 4-jährigen das Wort Ultraschall: Dann kam schon aus der Ferne die Mutter langsamen Schrittes, im 8 Monat schwanger, dann war mir klar, woher er das wusste. Das zeigt mir, den Kindern kann man es zutrauen und sie verstehen auch, wenn man ihnen sagt, was Sache ist.
Sandra Knopp: An Begegnungen, wie der ebenen beschriebenen, zeigt sich, dass Menschen oftmals eine Erklärung brauchen, um zu verstehen, was sie sehen. Evelyn Brezina plädiert für einen anderen Blickwinkel.
Evelyn Brezina: Ich wünsche mir, dass Menschen, die anders aussehen, aus welchem Grund auch immer genauso Mitglieder der Gesellschaft sein dürfen und als solche wahrgenommen werden, wie jeder andere. Wer definiert den Begriff normal? Mein größter Wunsch wäre, dass wir ein Miteinander leben. Wenn jemand etwas übergewichtig ist, wird er gehänselt, wenn jemand eine Brille trägt oder im Rollstuhl sitzt wird er gehänselt - dass muss aber alles nicht sein. Da kann ich mich wieder aufregen. Entschuldigung.
Sandra Knopp: Ein Miteinander hat Evelyn an ihrem Arbeitsplatz erfahren. Nach der Matura am Gymnasium, hat sie 1995 eine Berufsschule für Versicherungswesen absolviert. Nach dem Abschluss verschickt sie zahlreiche Bewerbungen, doch es folgen Absagen und Evidenzversprechen. Über Empfehlung von Bekannten bewirbt sie sich im November 1996 beim Wiener Roten Kreuz als Sekretärin und erhält eine Zusage.
Evelyn Brezina: Das war eine der besten Zeiten meines Lebens. Das Gefühl Verantwortung zu haben, wahrgenommen zu werden als vollwertiges Mitglied der Gesellschaft, sich als solches zu fühlen, Arbeit leisten zu können, Steuern zu zahlen. Auch wenn ich klein bin und das typische Kindchenschema bei jedem ausgelöst habe, ich war das Küken im Büro. Aber man hat gesehen, hey die Kleine hat was am Kasten, der kann man durchaus was zutrauen. Ich bekam im Lauf der Zeit andere Arbeiten übertragen und es tat mir gut zu sehen – ja man muss sich als behinderter Mensch immer mehr beweisen als gesunder Mensch. Ich bin so gerne arbeiten gegangen. Ich war sogar traurig, wenn ein Wochenende kam. Das ist schon ziemlich verrückt. (Lacht.)
Sandra Knopp: Evelyn zieht in eine eigene Wohnung, genießt ein Stück weit mehr Unabhängigkeit. Sie tigert sich in ihren Job hinein, gönnt sich zu wenig Ruhe. Ihr Körper rebelliert zusehends. Sie hat Schwindelanfälle, Kreislaufprobleme und Dauerschmerzen in Rücken und Beinen. Ihr Zustand verschlechtert sich:
Evelyn Brezina: Ich habe Marknägel in den Oberschenkeln und meine Knochen haben sich so massiv zurückgebildet, dass die Nägel an den Gelenken so stark gekratzt haben, dass ich kaum noch sitzen konnte. Ich hatte nur noch Schmerzen, war mehr im Krankenstand als in der Arbeit. Es folgten zwei sehr komplizierte Operationen und danach war klar, ich werde nicht mehr arbeiten können.
Sandra Knopp: Im September 2003 muss die damals 26-jährige um Berufsunfähigkeitspension ansuchen. Sie beginnt über ihr Leben zu schreiben. Sie verarbeitet ihre brüchige Kindheit und ihre oft als schmerzhaft empfundene Teenagerzeit. Sie schreibt über Aufbruchsstimmung und einen aufregenden Muscialbesuch in London, aber auch über Rückschläge. Auch Tagebucheintragungen, Gedichte und Fotos fließen mit ein. 2008 veröffentlicht sie ihre Biografie: „Zerbrichmeinnicht und Löwenzahn“, erschienen im Novum Verlag. Sowohl im Buch als auch im Gespräch schimmert ihr Humor durch, der durchaus schwarz sein darf.
Evelyn Brezina: Ich glaube, der ist anerzogen im Lauf der Jahre und der kann extrem schwarz sein, der Humor. Ich wache nicht in der Früh auf, der Valentin, kann ein Lied davon singen und lache gleich und bin gut drauf. Im Gegenteil, selbst in der Vorbereitung auf dieses Interview, die Stunde zuhause vom Aufstehen bis zum Weggehen war für ihn eine Herausforderung. Da bin ich alles andere als lustig drauf. Weil ich noch Schmerzen habe und bis ich jetzt langsam in Gang komme und je schlechter es mir generell geht, umso schwärzer wird mein Humor. Das ist klassisch bei mir.
Sandra Knopp: Weil sie selbst einen teilweise recht dunklen Humor hat, ist sie auch ein Fan von Kabarettisten, wie Josef Hader. Ihn hat sie schon einmal persönlich getroffen. In einem Gespräch hat Evelyn einmal verraten, wen sie gerne treffen würde: Sie hätte 1000 Fragen an Gott.
Evelyn Brezina: ich würde ihn nach dem Masterplan fragen. Ich wüsste gerne - ich will bei mir bleiben: Die Fragen der Welt wird mir niemand erklären, wahrscheinlich Gott auch nicht. Aber die Frage, die sich jeder einzelne Mensch stellt: Warum ist mein Leben, wie es ist. Warum habe ich nicht die Chance bekommen ein gesundes Leben zu führen? Warum wurden die Weichen an bestimmten Stellen so gestellt und nicht anders. Ich wüsste es gerne, ob es etwas verändern würde in meinem Leben, weiß ich nicht. Aber fragen kostet ja bekanntlich nichts.
Christoph Dirnbacher: Das war ein Rundgang mit Evelyn Brezina – wir haben viel über Fotografie, Inklusion und ein selbstbestimmtes Leben erfahren. Wer neugierig geworden ist und Fotos von Evelyn sehen will: Wir haben die entsprechenden Links in die Shownotes gepackt. Wir bedanken uns bei Evelyn Brezina herzlich für die Einblick in ihre fotografische Arbeit und ihren Alltag. Wenn Ihnen diese Folge gefallen hat, erzählen Sie doch Ihren Familien, Freunden und Bekannten davon.
Sandra Knopp: Unser „Masterplan“ für die nächste Folge in vierzehn Tagen steht schon fest: wir besuchen den jüngst neu eröffneten Wiener Narrenturm. Kustus Eduard Winter erzählt uns mehr über die skurrilen Seiten dieses faszinierenden Bauwerks.
Christoph Dirnbacher: Weitere Episoden können Sie auf freakcasters.simplecast.com hören. Mehr Informationen zu unserem Podcast erfahren Sie auf unserer FreakCasters-Facebook-Seite, unserem Instagram-Account und freak-online.at Wer uns einen Themenvorschlag schicken möchte, gerne via E-Mail an: freakcasters(at)gmx.at. Auf Wiederhören und bis zum nächsten Mal, sagen Christoph Dirnbacher und Sandra Knopp.