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Rubrik: Lesen statt Hören
11. April 2010

Durch Partizipation zum Erfolg!

von Redaktion

2010 ist das "Europäische Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung". Seit Jahrzehnten fordern Menschen mit Behinderungen eine gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.

 

In dieser Freak-Radio Sendung geht es um die Arbeitsmarktchancen von Menschen mit intellektuellen Einschränkungen und psychischen Erkrankungen.

Ein letzter Puzzleteil wird eingefügt.

copyright: s. hofschlaeger

Olaf Lingenhöle: Man muss entweder supergut funktionieren, um einen Vierzig Stunden Job auszuhalten, oder man ist quasi ein Sozialfall. Dazwischen gibt es irgendwie nichts.

Oliver König: Wir sehen in den Lebensgeschichten der Menschen einen Mangel an Unterstützung, der die Menschen wirklich dort hin führt, wo sie auch wirklich hin wollen.

Christoph Dirnbacher: Willkommen bei Freak-Radio! Am Mikrofon begrüßt Sie Christoph Dirnbacher. Unser Thema heute: Politik partizipativ – mit Partizipation zum Erfolg.

Wir werden uns heute unter Anderem über Teilhabe – Erfahrungen und über die Teilhabe von Menschen mit Behinderung am Arbeitsmarkt unterhalten.

Zu diesem Berufe haben wir uns hierher in RadioKulturCafe drei Gäste eingeladen. Das ist zum Einen Herr Oliver König. Sie sind tätig an der Universität Wien und forschen für Menschen mit Lernschwierigkeiten. Können Sie unseren Zuhörern kurz erläutern, worum es in dieser Studie geht, bevor wir näher ins Detail gehen.

Oliver König: Grüß Gott! Danke für die Einladung! Also, wir versuchen in diesem Projekt den Weg ein bisschen anders zu gehen, also auch nicht ÜBER Menschen mit Lernschwierigkeiten zu forschen. Wir versuchen in unterschiedlichsten Konstellationen, Menschen mit Lernschwierigkeiten in diesem Projekt auch aktiv als ForscherInnen mit einzubinden, um eben nicht „über“  die Personengruppe zu forschen, sondern MIT ihnen gemeinsam.

Der Titel dieses Forschungsprojektes, ein bisschen passend auch zum Thema dieser Sendung lautet: Teilhabeerfahrungen von Menschen mit Lernschwierigkeiten in ihrer beruflichen Biographie. Wir schauen uns an, wie sich auf der einen Seite in der Biographie, also im Lebenslauf von Menschen mit Lernschwierigkeiten Erfahrungen des Teilhaben – Könnens beziehungsweise des Ausgeschlossen – Seins oder Ausgeschlossen – Werdens auf ihre Vorstellungen von Erwerbsarbeit auswirkt.

Christoph Dirnbacher: Sie verzeihen, wenn ich Sie an dieser Stelle unterbreche und Herrn Olaf Lingenhöle vorstelle. Herr Lingenhöle, Sie haben eine psychische Erkrankung und haben die sogenannte „Schreibwerkstatt“ gegründet.. Was ist das genau und wer kann aller daran teilhaben?

Olaf Lingenhöle: Schreibwerkstätten gibt es viele, soviel ich weiß. Die Schreibwerkstatt die ich gegründet habe heißt „Gesund-Schreiben“ und ist eine Schreibwerkstatt für Menschen mit Psychiatrieerfahrung. Ich schreibe selbst Texte und lese diese vor, es funktioniert also in etwa wie eine Selbsthilfegruppe an der teilnehmen kann, jeder der schon mal in der Psychiatrie war.

Christoph Dirnbacher: Ich würde jetzt gerne weiter fortfahren, indem Sie, Herr Oliver König uns vielleicht ein bisschen mehr erzählen über den Teilhabeprozess von Menschen, die Teilhabeerfahrungen haben im Zuge der Studie, die Sie durchführen. Wie darf man sich diese Teilhabe von Menschen mit Lernschwierigkeiten in einem Forschungsprojekt in der Praxis vorstellen?

Oliver König: Also das Projekt läuft noch, es ist noch nicht abgeschlossen. Die Teilhabe von Menschen mit Lernschwierigkeiten an diesem Projekt ist ganz konkret. Also wir orten unser Forschungsprojekt in einer Forschungsrichtung, die im deutschsprachigem Raum noch wenig Geschichte hat, nämlich der Tradition der partizipativen Forschung, der „einbeziehenden“ Forschung.

Hier werden im Idealfall Menschen mit Lernschwierigkeiten in einem Prozess dazu befähigt, eigenständig ihre Interessen und diese Aspekte, die sie in ihrem Leben, in ihren sozialen Strukturen bewegen, zum Thema von Forschung zu machen. Das wäre jetzt so ein bisschen idealtypisch gezeichnet. Im Fall unseres Projektes, ganz ganz klassisch. Es findet an einer Universität statt, es musste ein Forschungsauftrag geschrieben werden. Hier waren Menschen mit Lernschwierigkeiten, das muss man auch offen sagen, nicht am Entstehungsprozess der Forschungsfrage mit eingebunden.

Wir sind dann erst in einem zweiten Schritt her gegangen und haben den Kontakt zu Selbsthilfegruppen hier in Österreich aufgenommen und sie eingeladen, auch an diesem Projekt zu partizipieren und teilzuhaben. Ganz konkret gibt es im Rahmen dieses Projektes die sogenannte Referenzgruppe. Das ist eine Gruppe, in der sich die mitforschenden Menschen mit Lernschwierigkeiten alle zwei Monate für zwei Tage treffen. Ich komme jetzt gerade auch von einem derartigen Treffen.

Wir haben uns, gerade zum Beginn (des Projekts, Anm. d. Redaktion) viel darüber ausgetauscht, was ist Forschung ganz konkret, was bedeutet Forschung, wie wird Forschung ausgeführt. Wir haben uns ganz ganz viel mit den Themen, die uns im Forschungsprojekt beschäftigen, auseinandergesetzt.

Wir versuchen auch die Interviews, die wir im Laufe des Projektes erhoben haben, die Lebensgeschichten von Menschen mit Lernschwierigkeiten, gemeinsam mit ExpertInnen, die teilweise auch ähnliche Erfahrungen gemacht haben, gemeinsam zu deuten und zu interpretieren, um zu schauen, welche Kräfte da wirksam sind. und wie es wirklich mit Teilhabeerfahrungen im Lebenslauf von Menschen mit Lernschwierigkeiten aussieht.   Das, um nicht sagen zu können ,es seien wieder nur nicht – behinderte ExpertInnen, die dann sagen, so und so ist es. Wir versuchen, das eben in einem gemeinsamen Prozess zu machen.

Christoph Dirnbacher: Ich möchte an dieser Stelle die Gelegenheit nutzen, Herrn Franz Hoffmann, der bei uns im Publikum Platz genommen hat und der Teil dieser Gruppe war, um ein Statement aus dem Publikum zu bitten und ihn fragen, wie er diese Arbeit, wenn man sie so titulieren will, erlebt hat.

Franz Hoffmann: Schönen guten Abend! Nochmals die Frage bitte!

Christoph Dirnbacher: Ich würde Sie gerne fragen, wie Sie selbst die Teilnahme am Forschungsprojekt erlebt haben, was Sie selber daraus für sich mitnehmen konnten.

Franz Hoffmann: Wie gesagt, wir arbeiten an Interviews, die zum Beispiel Herr König auch schon geführt hat und wir treffen uns alle zwei Monate entweder hier in Wien oder auch in Innsbruck und wir arbeiten an den Interviews und schauen sozusagen, was uns auffällt, was zum Beispiel einem Menschen mit keiner Behinderung, oder Lernschwierigkeiten besser gesagt, auffällt. Wie man den Menschen dann halt sieht..  

Christoph Dirnbacher: Also wenn man so will,  auch eine neue Sichtweise rein bringen.

Franz Hoffmann: Ja, oder auch so auf die Art, es geht darum, die Interviews. die geführt werden, was man herausfindet.

Christoph Dirnbacher: An dieser Stelle einmal „Danke schön“ für diese spontane Stellungnahme aus dem Publikum. Ich möchte aber doch noch einmal tiefer nach haken: Sie haben vorhin die Interviews erwähnt, ich glaube es waren zwanzig an der Zahl, wenn ich mich richtig erinnere. Sind Ihnen aus diesen Befragungen Geschichten in Erinnerung geblieben, die besonders gut funktioniert haben, was die Teilhabe im Leben und Arbeitsleben anlangt.

Oliver König: Ich würde einmal sagen, dass sehr sehr  viel an Möglichkeiten, die Menschen haben wirklich sehr stark geprägt von einem starken sozialem Umfeld.sind.  Davon, dass  Menschen an sie geglaubt haben, auf der einem Seite. Auf der anderen Seite, sind es auch Menschen, die den Sprung heraus aus einer Einrichtung geschafft haben, die zum Teil durch Selbstvertretungsgruppen Informationen bekommen.Diese konnten ihre Tätigkeit auch in Beziehung setzen.

Ganz ganz spannend auch die Frau Monika Rauchberger, Projektleiterin des Projekts „Wibs“, „Wir informieren beraten und bestimmen selbst aus Innsbruck. Sie selbst auch Expertin in diesem Forschungsprojekt, die in der Zeitschrift „Behinderte Menschen“ ihre Lebensgeschichte abgedruckt hat. Sie schreibt und sagt auch aus ihrer Biographie, sie hat in einer Einrichtung gelebt und ist dort aufgewachsen, für sie war lange Jahre nicht bewusst,  dass das was sie tut gar nicht richtige Arbeit ist, sie kannt einfach gar nichts Anderes. Bis zu einem Punkt, wo sie von Aussen diese Information bekommen hat: Es gibt auch etwas Anderes.

Wir sehen in den Lebensgeschichten der Menschen ganz ganz massiv einen Mangel an guter Information, einen Mangel an Unterstützung, der die menschen wirklich dorthin führt, wo sie auch wirklich hin wollen, es sei denn, wie ich gesagt haben, es gibt eben dieses soziale Umfeld, es gibt den Kontakt beispielsweise zu Selbstvertretern oder es gibt einfach auch Personen, wo Kräfte in diesen Menschen sind, die setzen sich immer wieder durch, haben ein besonderes Durchhaltevermögen, können Kräfte mobilisieren, die andere Menschen eben nicht haben. Es zeigt sich immer wieder, dass Teilhabe, die Unterstützung von Teilhabe, in diesen Biographien, einfach nichts selbstverständliches ist, sondern etwas, das ganz ganz hart erarbeitet werden muss.

Christoph Dirnbacher: Wenn ich Sie jetzt verkürzt zusammenfasse, könnte man sagen, je engagierter das Elternhaus, das Umfeld, desto eindrucksvoller die Karriere.

Oliver König: Könnte man in einigen Fällen sicher so sagen.

Christoph Dirnbacher: Herr Lingenhöle, wie ich Herrn Oliver König jetzt so sprechen hörte, fiel das Stichwort „richtige Arbeit“. Was ist das überhaupt in Ihren Augen? Gibt es das überhaupt? Soll man das differenzieren,  richtige Arbeit und nicht richtige Arbeit? Wie sehen Sie das als jemand, der nicht von Lernschwierigkeiten betroffen ist, sondern von einer ganz anderen Art der Behinderung, die man vielleicht nicht immer gleich nach Außen erkennt und zuordnen kann.

Olaf Lingenhöle: Na ja, man muss unterscheiden zwischen Erwerbsarbeit und Arbeit, wie zum Beispiel ein Hobby ausüben, oder Hausarbeit, oder Nachbarschaftshilfe, oder ehrenamtliche Arbeit, diesen Dingen. Für mich ist es wichtig, dass ich selbstbestimmt arbeiten kann. Dass ich entscheiden kann, was ich wann wieso machen kann. Für mich ist es nicht wichtig, dass ich eine bezahlte Arbeit ausüben kann. Für mich persönlich, aber das sieht jeder anders.

Christoph Dirnbacher: Also Sie persönlich, wenn man so will,  stellen den monetären Aspekt ein Stück weit nach hinten.

Olaf Lingenhöle: Ja.

Christoph Dirnbacher: Sie haben bei der Gesprächsvorbereitung mich gefragt, was ich denn unter Erfolg verstünde. Ich würde Ihnen diese Frage gerne zurück geben und Sie fragen, wann können Sie von sich selber sagen, Sie hätten Erfolg gehabt?

Olaf Lingenhöle: Das ist eine Ansichtssache. Das hängt davon ab, welchen Standpunkt ich einnehme. Ich kann ein und die selbe Sache einmal als Erfolg betrachten, ein anderes Mal als Misserfolg oder was auch immer. Das, was einem oft vorgegaukelt wird als erstrebenswert und erfolgreich, wenn man das verinnerlicht hat, oder – ich muss von mir sprechen -, wenn ich das verinnerliche, dann bin ich an vielen Dingen gescheitert im Leben. Für mich ist das keine gute Strategie, wenn ich  die üblichen Werte übernehme. Das heißt, ich muss mir meine eigenen Werte übernehmen und schaffen, meine eigenen Kriterien anlegen, dann kann ich sagen, dass ich da und dort erfolgreich gewesen bin, ja.

Christoph Dirnbacher: Gehen wir wieder ein Stück  weit zurück zu Menschen mit Lernschwierigkeiten. Welche Kriterien b raucht es da, damit eine Teilhabe gelingen kann? Welche Ergebnisse kann man aus heutiger Sicht schon präsentieren, Herr König, wo Sie sagen, wenn das der Fall ist, dann könnte es funktionieren

Oliver König: Also ich würde sagen, dass ich mich der Formulierung von Herrn Lingenhöle anschließen möchte,. Es gibt den starken Faktor der selbst bestimmten Form wie Arbeit aussehen kann. Dass Teilhabe, in der Form in der ich sie persönlich anstrebe, ist etwas, was erkämpft werden muss, wo ich ganz ganz viele Barrieren überwinden, Widerstände überbrücken muss., Das ist ein Prozess, in dem ich vielleicht auch scheitern kann, weil  mir vielleicht Unterstützung und Information gar nicht zur Verfügung steht.

Welche Kriterien es bräuchte, um Teilhabe umzusetzen? Das ist ganz einfach zu sagen: Österreich hat im Jahr 2008 die UN – Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung ratifiziert. Wäre die UN – Konvention umgesetzt,  wäre  genau das in Praxis. Teilhabe ist ein Rechtsanspruch des Individuums. Das bedeutet, Informationen, Wahlmöglichkeiten, das bedeutet, das Problem nicht im Individuum, nicht im Menschen  zu orten, sondern das ganze auch als ein systemisches Problem zu sehen.

Es sollte daran angesetzt werden, dass es  nicht der Mensch ist, der sich anpassen muss,  sondern das System ist, das den Menschen in seiner Situation und seinen Wünschen zur Teilhabe entsprechend auch  unterstützt.

Christoph Dirnbacher: Also anders formuliert: Nicht der Mensch solle sich dem System anpassen,  sondern es sollten  Systeme gefunden werden,  die  sich dem Menschen anpassen können. Ist das so korrekt?

Oliver König: Um wieder zurückzukommen zum Thema Politik. Wir sehen immer wieder Unterstützungssystem, in denen  der Mensch diese und jene Kriterien erfüllen muss, auch gekoppelt mit dem Thema Erfolg. Wo ganz klar von Außen festgelegt wird, welche Parameter  erfüllt sein  müssen, damit es Erfolg ist. Wir sehen Maßnahmen, die sehr sehr stark an den Defiziten der Personen ansetzen. Das drücktt die UN – Konvention aus, die sich ja ganz stark am sozialen Aspekt der Behinderung orientiert. Das heißt, Behinderung ist kein Problem, oder Phänomen, dass eine Eigenschaft einer Person darstellt, sondern Behinderung resultiert aus Barrieren und der Erfahrung von Diskriminierung im Lebenslauf von Menschen. Daran würde es gelten, anzusetzen.

Christoph Dirnbacher: Sie haben die Politik angesprochen. Was wünschen Sie sich denn, politisch betrachtet, damit Sie Ihr leben selbst bestimmt und glücklich führen  können?

Olaf Lingenhöle: Also was ich mir für „Meinesgleichen“ wünschen würde, da fallen mir spontan zwei Dinge ein. Das Eine ist,  dass man sich  mehr kümmert um Menschen, die aus der Psychiatrie entlassen  werden, die aus der Psychiatrie in die eigene Wohnung übersiedeln und unter Umständen von einem Moment auf den anderen allein  sind weil sie keine Angehörigen haben. Diese wissen dann oft nicht, wie sie ihren  Tag gestalten sollen und ziemlich  allein sind. Da gibt es zu wenig Hilfestellung für diesen Übergang. Das ist das  Eine was ich mir wünschen würde.

Das Andere ist, dass es zwischen erstem und zweiten Arbeitsmarkt nichts dazwischen gibt. Das es keine Formen gibt, wo man eine Unterstützung bekommt, ob es eine Unterstützungspension, eine Notstandshilfe ist oder was auch immer, mit der Möglichkeit, zwanzig, dreißig Stunden arbeiten zu können. Wenn man mehr als die Geringfügigkeitsgrenze verdient, das sind jetzt glaub ich 350 Euro im Monat, dann verliert man die Unterstützung. Da ist der Übergang der Wechsel sehr abrupt. Man mmuss entweder super gut funktionieren, um eine n vierzig Stunden Job auszuhalten, oder man  ist quasi ein „Sozialfall“. Dazwischen gibt es irgendwie nichts. Da würde ich mir mehr Übergangsbereiche.wünschen.

Ich hab es persönlich momentan ganz gut getroffen mit meiner Selbsthilfegruppe. Es hat lange gedauert, bis ich da das richtige gefunden habe, bis ich da den richtigen Arzt, das richtige Medikament gefunden habe... Das war ein langer Prozess, da könnte man sagen, das hätte schneller auch gehen  können.

Christoph Dirnbacher: Schnell vergeht bei uns nur die Zeit, aber wir haben noch genug davon, um eine der letzten Fragen abschließend zu diskutieren. Herr könig, wir haben lange Zeit in dieser Sendung und auch in der Vorbereitung dieser Sendung nach Parallelen gesucht. Ist das schon einer dieser möglichen Faktoren, der sowohl Menschen mit Lernschwierigkeiten, als auch Menschen mit psychischen Behinderungen betrifft, dass es scheinbar schwer ist,  dass man aus einer Einrichtung, in der man einmal drinnen steckt wieder herauszukommen . Ist das etwas, das Sie sozusagen von wissenschaftlicher Seite bestätigen können, oder ist das eine „Luftschlosstheorie“?

Oliver König: Mit Belegen tut man sich in Österreich immer recht schwer. Es gibt wenig bis gar keine unabhängig geführte Grundlagenforschung in Österreich, auch wenig politische Bereitschaft, sag ich jetzt aus meiner persönlichen Überzeugung heraus, gewisse Sachen durch unabhängig geführte Forschung auch ans Tageslicht zu fördern. Daraus würden sich ja dann auch politische Folgerungen ableiten. lassen.

Zu ihrer Frage: Das kommt wieder auf den Punkt zurück. Unterstützung in der Form, in der sie im österreichischen Sozialrecht gewährt wird, ist auch alles andere als eiinfach zugänglich. Es gibt Unterschiede in Bundesländern, es gibt Unterschiede ob ich  eine Behinderung von Geburt an erworben habe. Es gibt so viele unterschiedliche Stellen, an die ich mich hinwenden kann.. Im Regelfall sieht man, dass Unterstützung gerade bei Menschen mit Lernschwierigkeiten an Systeme gebunden ist. Bin ich in der Werkstatt, bekommt die Werkstatt einen Tagsatz für mich.

Möchte ich aus der Werkstatt raus, gelte aber eigentlich als arbeitsunfähig, drum bin ich ja in der Werkstatt, ist es nicht möglich, österreichweit, – es gibt Ausnahmen, das Bundesland Vorarlberg zum Beispiel ist so eine positive Ausnahme – dass mir das gleiche Geld zur Verfügung steht. So würde ich Teilhabe als Recht auch verstehen , dass das was ich an Teilhabe anstrebe, in den Lebensbereichen die mich betreffen,  dass ich diese Unterstützung eigenveraantwortlich dann auch so organisieren kann. Dass die monetäre Unterstützung, die personelle Unterstützung, der Person dann zur Verfügung steht.

Christoph Dirnbacher: Wenn ich jetzt eine Kurzzusammenfassung dessen wiedergebe, was gesagt wurde, kann die in etwa so aussehen, dass Sie kritisieren, dass es für die Institution als solche unter Umständen mehr finanzielle Möglichkeiten gibt, als für den Betroffenen, der oder die alleine dasteht.

Oliver König: Ja, natürlich. Hier hängen ja auch politische Interessen dran. Persönliches Budget zum Beispiel: In Österreich ist persönliche Assistenz nicht einmal für Menschen mit Einschränkungen in allen möglichen Lebensbereichen konsequent umgesetzt. Bei Menschen mit psychischen Erkrankungen, bei Menschen mit Lernschwierigkeiten steht persönliche Assistenz überhaupt nicht zur Verfügung.

Christoph Dirnbacher:  Die Zeit läuft, sie läuft schneller als uns lieb ist. Ich würde aber trotzdem sie beide um ein Schlussstatement bitten und dieses mit der Frage einleiten, was muss denn geschehen Ihrer Meinung nach, damit Menschen mit Behinderungen am ersten Arbeitsmarkt Fuß fassen können?

Olaf Lingenhöle: Wenn ich an die Kurse denke, die mir das Arbeitsmarktservice vermittelt hat, wo es also darum gegangen ist, ein Bewerbungsschreiben und einen Lebenslauf zu verfassen, fällt mir ein, dass die halt stark unter Erfolgsdruck stehen, diese Institute und diese Betreuer und vielleicht zu wenig Rücksicht nehmen auf die individuelle Situation und Fähigkeiten der Kursteilnehmer. Da ist irgendwie ein Spannungsverhältnis, das man auflösen müsste.

Christoph Dirnbacher: Stichwort „Spannungsverhältnis“, Herr König, wo  orten Sie Verbesserungspotential?

Oliver König: Also man kann es nur immer wieder herausstellen: Konsequente Umsetzung der UN – Konvention nicht nur im Bereich Erwerbsarbeit sondern in allen in der UN – Konvention definierten Lebensbereichen, Teilhabe als Rechtsanspruch, als individueller Rechtsanspruch und auch das Zulassen und das Fördern alternativer Lebenskonzepte. Der Glaube „Vollbeschäftigung oder Erwerbsarbeit für alle“, auch für die, die es nicht wollen, zwanghaft umzusetzen, halte ich für den verkehrten Weg. Im Sinne auch von „Teilzuhaben an den Sachen, die mir subjektiv wichtig und bedeutsam sind.

Christoph Dirnbacher: Dann sage ich „Danke schön“ für´s kommen, Danke schön, dass Sie heute hier mit uns diskutiert haben.

Nähere Informationen zur UN – Konvention und zu den Sendungen von Freak-Radio finden Sie auch unter www.freak-radio.at . Bis zum nächsten Mal sagt Christoph Dirnbacher.

 

Wolfgang Slabansky: Sie hörten eine Sendung aus der Reihe „Lebens- und Arbeitswelten“. Das gleichnamige Projekt wird vom Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz gefördert.

Nähere Informationen finden Sie auf  www.freak-radio.at .

Dieser Beitrag ist im Rahmen des Projektes "Lebens- und Arbeitswelten" erschienen.


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