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Rubrik: Lesen statt Hören
28. Oktober 2001

Dorothea Brozek - Ein Freak - Menschenbild

von Walter Lindner

Schlussendlich absolvierte ich den Polytechnischen Lehrgang, weil es zu spät war, mich an einer fortführenden Schule anzumelden. Danach besuchte ich die Handelsakademie in Wiener Neustadt, wo ich die einzige behinderte Schülerin in meiner Klasse war. Ich konnte weiter im Internat in der Waldschule wohnen. Das war eine sehr anstrengende Zeit. Ich kam mir immer sosehr wach vor. Ich war immer so auf der lauer, dass ich funktioniere, dass ich gut bin. Ich muss aber sagen, dass die anderen Schülerinnen und Schüler ziemlich gut damit zurecht kamen. Ich bin ihnen ja auch ein Stück entgegen gekommen. Ich habe ihnen viel erklärt, wie das mit der Behinderung so ist. Es hat sich eine sehr gute Klassengemeinschaft entwickelt, wozu die Lehrer und mein Klassenvorstand viel beitrugen. Es war für sie normal, einen Wandertag oder Ausflug so zu gestalten, dass auch eine Schülerin im E-Rollstuhl mitfahren konnte.

Ich kann mich erinnern, in der vierten Klasse HAK, als wir so redeten, was wirst du machen, und die meisten sagten "Handelswissenschaften", war er ganz entsetzt, dass auch ich dies antwortete. »Was, Sie auch? Ich dachte, Sie studieren Slawistik.« Er war fertig, so enttäuscht, dass ich nicht die Sprache nützen wollte, die ich kann. Er hat mich inspiriert, und ich habe das Studium auch gemacht und abgeschlossen. Von den Bedingungen her habe ich mir das Schwierigste ausgesucht, weil das Institut war mindestens auf drei Orte aufgesplittert und das war zweiter Stock ohne Aufzug. Das zu organisieren, war wirklich eine Herausforderung. Wenn ich es noch einmal machen müsste, würde ich es nicht mehr tun. Dort konnte ich nicht meinen E-Rollstuhl benutzen, sondern musste mit dem mechanischen unterwegs sein, weil ersteren kann man nicht über Stufen tragen.

Ich musste immer Leute organisieren, die mich über die Treppen trugen. Meinen Stundenplan musste ich so ausrichten, dass sich das auch auszahlt. Ich war also nicht nur für eine Stunde im zweiten Stock, sondern schaute, welche Angebote es für mich gibt und saß dazwischen vier Stunden im Lesesaal. Die Abhängigkeit war nicht immer lustig. Wenn es mir gut ging, war es eine nette Möglichkeit, Leute kennen zu lernen, beispielsweise auch zu flirten, war das aber nicht der Fall, war es einfach nur ... schlimm. Die Organisation kostete jede Menge Geld. Ich habe Treppenhilfsdienste bezahlen müssen, weil ich mich nicht nur auf die Studienkollegen und -kolleginen verlassen wollte. Das war zu viel Abhängigkeit. Das hat schon gereicht, dass die mich innerhalb des Geländes herumgeführt haben oder eingesprungen sind, wenn die Dienste einmal nicht gekommen sind.. Was auch sehr beschwerlich war, war das Angebot der Fahrtendienste.


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