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Rubrik: Lesen statt Hören
14. September 2003

Differenzierung von Behinderung und Behinderungsarten

von Peter Singer

Wenn wir vom "Menschen" zu sprechen, "der eine Behinderung hat", dann erst kann verhindert werden, daß es zu einer Vermischung der Begriffe "Mensch" einerseits und "Behinderung" andererseits kommt, und so eine Person lediglich unter dem Aspekt ihres Handicaps gesehen wird!
Das sollte wiederum zu der Frage führen: "Ja was für eine Behinderung hat denn eigentlich jemand, von dem es heißt, er ist von einer solchen betroffen?"
Nein, keine Angst! An der Stelle wird es zu keiner Erklärung einzelner Behinderungen kommen. Denn das ist vielmehr Aufgabe der Medizin.

Dennoch wäre es gerade für das Zusammenleben in der Gemeinschaft gar nicht schlecht, sich bezüglich einer Behinderung einmal nicht allein nur von deren äußerem Erscheinungsbild her leiten zu lassen.
Vielmehr wäre es sinnhafter, darüber nachzudenken, welche Fähigkeitseinschränkung mit einem bestimmten körperlichen Leiden oder Gebrechen eigentlich verbunden ist.
Dabei wird man schließlich draufkommen, daß Leute, die sogenannt als "behindert" angesehen werden, es dann bei der Durchführung einzelner ihrer Lebensvollzüge nicht immer sind.

Dazu einige wenige Beispiele:

Ein Beamter, wenn er alle seine Utensilien am Arbeitsplatz verfügbar hat, ist im Moment der Ausübung der Beamtentätigkeit nicht behindert, selbst wenn er/sie vielleicht eine Beinschiene tragen muß oder auf die Benützung eines Rollstuhls angewiesen ist.

Jemand, der blind ist, wird dort, wo ihm alle Geräte für die Kompensation seiner fehlenden Sehfähigkeit zur Verfügung stehen, sein Gebrechen vielleicht gar nicht als ein solches empfinden, obwohl es natürlich da ist.

Ein Mensch, selbst wenn er mit noch so starken spastischen Verkrampfungen zu kämpfen hat, kommt sich sicherlich dann gar nicht so arg behindert vor, wenn er mit sich und seinem Defizit umzugehen gelernt hat und die Errungenschaften der heutigen Zeit (z.B.: Computer, soziale Dienste wie die der Heimhilfe, persönlicher Assistenz etc.) für sich nutzbringend einzusetzen versteht.

Zwar soll mit den zuvor angeführten Vergleichen die Tragweite des Behindertseins von Menschen nicht vereinfacht werden. Doch glaube ich, in Anbetracht meiner eigenen schweren Behinderung solche Vergleiche anstellen zu dürfen.

"Behindert ? in bezug worauf?"

Sowohl in meiner publizistischen Diplomarbeit als auch in meiner erziehungswissenschaftlichen Dissertation2 habe ich hier den Gedankengang "Behindert ? in bezug worauf?" angeregt. Damit habe ich gemeint, daß bei jeder Behinderung zunächst danach gefragt werden muß, was von ihr eigentlich betroffen ist und was nicht.
Die Psychologie kennt hier den Ausdruck "common sense", welcher im Deutschen soviel bedeutet wie "gesunder Menschenverstand". Er könnte genau bei der Beantwortung der Frage helfen, die oben angesprochen wurde.
Aber lassen Sie mich nochmals auf den Begriff "Behinderung" an sich zurückkommen. Zuvor habe ich zwar gesagt, nicht weiter auf medizinische Aspekte eingehen zu wollen. Dennoch meine ich, daß ein bestimmtes grundsätzliches Verstehen von Behinderung sehr wohl dazu beitragen kann, jemanden voll anzunehmen, anstatt ihn (etwa aus Furcht und Unsicherheit?!) auszugrenzen.
Behinderung ist niemals als ein Mirakel zu begreifen, sondern ergibt sich lediglich daraus, daß irgend etwas an einem menschlichen Körper nicht so ist, wie es eigentlich "normal" sein soll. Deswegen ist auch jede Behinderung auf der ersten Ebene zunächst als eine "Körperbehinderung" zu begreifen. (In meiner Dissertation habe ich das auch graphisch erläutert.)
Auf der zweiten Ebene läßt sich nun eine Unterscheidung dahingehend treffen, daß man zwischen einer Bewegungs-, einer Sinnes-, einer geistigen und einer psychischen Behinderung differenziert.


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