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Rubrik: Freak-MP3
18. Dezember 2012

Der behinderte Mensch als Leistungssubjekt (Kopie 1)

von Margarete Endl

Michael Turinsky ist Philosoph, Tänzer und Choreograph. Im Gespräch mit Margarete Endl spricht er über seinen Vortrag im Rahmen der Disability Studies an der Universität Salzburg sowie eine Wiederaufführung seines Stücks "Heteronomous Male", eine tänzerische Auseinandersetzung mit der Widersprüchlichkeit von Männlichkeit und körperlicher Nicht-Selbständigkeit. Und er nimmt eine neue Tendenz bei der öffentlichen Wahrnehmung von behinderten Menschen wahr: "Es gibt diesen Anspruch auf Leistung, auf Disziplin, auf Interesse bezüglich dessen, was man zu leisten imstande ist, bei gleichzeitigem tendenziellem Nicht-zur-Kenntnis-nehmen-Wollen von anderen, privateren, affektiveren Geschichten."

Diese Sendung können Sie kostenlos als MP3 anhören. Klicken Sie einfach hier.

Transkript des Gesprächs:

Michael Turinsky, Sie sind Philosoph, Sie haben gerade einen Vortrag in Salzburg gehalten, worum ging es da?

Den Vortrag habe im Rahmen der offenen Ringvorlesung zu den Disability Studies an der Universität Salzburg gehalten. Die Disability Studies sind ein relativ neues Forschungsfeld, das eigentlich aus dem angloamerikanischen Raum zu uns gekommen ist. Die Disability Studies in Österreich sind noch relativ jung. Das ist meines Wissens jetzt die zweite Ringvorlesung. Mein Vortrag hatte den Titel: „Die Erfahrung von Behinderung und der Standpunkt der Reproduktion“. Im Grunde hat dieser Titel auf zwei Fragen verwiesen. Einerseits auf die Frage, wie wird Behinderung erlebt, und zum anderen die Frage, wie wird Behinderung reproduziert oder aufrechterhalten. In den Disability Studies ist oft anstelle von Reproduktion von Konstruktion die Rede. Es wird immer wieder danach geforscht, wie wird Behinderung rekonstruiert. Ich ziehe den guten alten marxistischen Begriff der Reproduktion vor, um zu unterstreichen, dass es sich bei Behinderung um eine wirkungsmächtige Realität handelt, die allerdings als solche verschiedener sozialer Kräfte und Wirkungsmechanismen bedarf, um aufrechterhalten zu werden. Also wenn man Behinderung als ein soziales Verhältnis der Handlungseinschränkung oder der Ausgrenzung oder wie auch immer begreift, dann kann man sich eben fragen, wie wird diese Ausgrenzung, wie wird diese Handlungseinschränkung aufrechterhalten? Ich habe versucht, diese zwei Fragen, die Frage nach der Erfahrung, nach dem Erleben und die Frage nach der Reproduktion zusammen zu denken, und habe mich hier vor allem auf den Begriff der Ideologie gestützt. Für mich war der Begriff der Ideologie, wie er in der marxistischen Theorie ausgearbeitet wurde, das konzeptuelle Scharnier, wodurch beide Fragen miteinander verbunden werden können.

Hat es auf der Universität eine Diskussion gegeben, und wie ist die gelaufen?

Die Diskussion war sehr spannend. Die erste Wortmeldung war, mein Vortrag wäre der erste gewesen, der das Thema Disability Studies getroffen hätte. Später ist es vor allem um meine Darstellungssprache gegangen. Eine Frau hat sich gefragt, wie könnte man diese Inhalte in einer leichten Sprache vermitteln. Dann hat sich die Diskussion hauptsächlich auf die Sprache bezogen. Was aber für mich nicht irgendwie ungut war, sondern es war interessant. Für mich ist es schon immer auch ein Thema: Wie gehe ich mit Sprache um? Will ich mich an die Standards einer einfachen Sprache anpassen? Muss ich das? Will ich das? Können das andere Leute machen? Muss ich selber das unbedingt machen?


Dateien:
Michael_Turinsky_Interview_01.MP3
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