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Rubrik: Lesen statt Hören
14. April 2002

Das weiße Rauschen

von Gerhard Wagner

Ein faszinierender Film über Schizophrenie ist in die österreichischen Kinos gekommen.
Einfühlsam werden die Zuschauer durch die Person des Lukas mit dieser eigenen Welt konfrontiert. Sie hören die Stimmen mit und erleben beklemmende und befreiende Momente.

"Das weiße Rauschen" ist ein Film des jungen Regisseurs Hans Weingartner. Er ist in Österreich geboren, hat Neurochirurgie und Gehirnforschung studiert und gleichzeitig auch eine akademische Filmausbildung in Wien und Köln. Derzeit arbeitet er in Berlin.

Bei der Viennale 2001 wurde der Film vorgestellt. Damals habe ich mit Hans Weingartner über »Das weiße Rauschen« seine Arbeit und seine Erfahrungen mit Leuten gesprochen, die als schizophren gelten.

zum Inhalt des Films

Freak-Radio: Du hast lange vor Beginn deines Films "Das weiße Rauschen" einen Menschen mit Schizophrenie (Link in neuem Fenster) kennen gelernt. Wie bist du mit ihm umgegangen?

Hans Weingartner: Zunächst habe ich mir gedacht: Der spinnt doch! Das wirft man den Leuten dann auch vor: Die sollen sich doch zusammenreißen! Und mich doch in Ruhe lassen! Das ist eigentlich die erste Reaktion. Dann kommt noch die Angst dazu.

Derjenige, den ich gekannt habe, der war zwar nie aggressiv gegen mich, aber gegen Sachen: Er hat auch gedroht, sich umzubringen und hat vor allem etwas Unberechenbares gehabt. Er hat auch unverständliches Zeug geredet und es war anstrengend, ihm zuzuhören.

In unserem Film gewinnt man ein bisschen Einblicke in so jemanden.

Neues Fenster: Mehr über psychische Behinderungen und Selbsthilfegruppen...

Freak-Radio: Dadurch, dass wir die verzerrte Realität mitbekommen, die der Protagonist Lukas erfährt, nämlich die Stimmen oder auch Licht- und akustischen Effekte, bekommen wir mit, was Lukas denkt und fühlt. Anders als sonst verstehen wir hier die Behinderung, vor allem, wenn in der nächsten Szene wieder die Außensituation gezeigt wird, wie sie eben die Angehörigen mitbekommen. Da wird dann klar, warum er so handelt.

Freak-Radio: Der Film heißt »Das weiße Rauschen«. Das ist ja etwas sehr Umfassendes...

Hans Weingartner: Das ist ein sehr alter Begriff, den es bereits seit dem Mittelalter gibt. Er kommt aus der Mystik und ist ein Sprachbild für einen bestimmten Zustand: Wenn man alle Visionen, alle Gedanken, alle Träume, alles, was jemals ein Mensch gesehen hat, in einem Augenblick sieht, dann sieht man das weiße Rauschen - also alle Visionen aller Menschen aller Zeiten in einem Augenblick. Wer dieses weiße Rauschen sieht, der wird sofort wahnsinnig, außer wenn er schon wahnsinnig ist, dann wird er gesund.

In unserem Film steht das für einen Zustand, den der Lukas sucht. Er sucht das weiße Rauschen, denn er will seine Stimmen los werden. Es hat in unserem Film aber auch noch eine zweite Bedeutung, denn es gibt diesen Begriff auch in der Physik, und da bedeutet das weiße Rauschen die Summe aller Frequenzen in der Akustik. Der Lukas denkt dann, dieses Rauschen könnte seine Stimmen abdecken, ganz so wie bei Winnetou und Old Shatterhand: Wenn die sich ungestört unterhalten wollten, dann sind die immer hinter den Bach gegangen, weil das Bachrauschen die Stimmen abdeckt.


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