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Arbeiten an der Urknallmaschine
Angela Brett ist Programmiererin am CERN in Genf. Seit zwei Monaten arbeitet sie von Genf aus am MedAustron-Projekt in Wiener Neustadt mit.
In Wiener Neustadt war Angela Brett noch nie. „Ich hoffe, es gibt dort einen guten öffentlichen Verkehr“, sagt sie. Den braucht sie, wenn sie in drei oder vier Jahren von Genf nach Wiener Neustadt übersiedelt. Um diese Zeit herum wird dort MedAustron, ein neues und ultramodernes Ionentherapiezentrum, langsam in Betrieb genommen werden. Die Programmiererin Angela Brett könnte im Team mit dabei sein. Als Mensch mit Zerebralparese ist sie aber auf gute öffentliche Verkehrsmittel angewiesen, weil sie nicht weit gehen kann.
Derzeit ist Angela Brett eine von 17 Wissenschaftlern (eine Frau, 16 Männer), die vom CERN aus am MedAustron-Projekt arbeiten. Der in einem Vorort von Genf gelegene CERN ist die Hochburg der Hochenergiephysiker. Dort werden gerade die Ursprünge des Universums erforscht. Mit dem Teilchenbeschleuniger LHC, der vor zwei Jahren in Betrieb ging, sollen die Sekunden unmittelbar nach dem Urknall experimentell nachgestellt werden. Doch der LHC ist nicht bloß ein superteures Spielzeug, um den Erkenntnisdrang der Menschen zu befriedigen. Mit genau derselben Technologie kann man auch bösartige Tumore bekämpfen, die mit einer herkömmlichen Strahlentherapie nicht behandelbar sind. Am MedAustron-Zentrum wird es eine Art Mini-LHC zur Behandlung von Tumoren geben.
Mit acht Jahren programmieren gelernt
Bereits mit acht Jahren hat Angela Brett gelernt, Computer zu programmieren. „Meine älteren Brüder haben mir das beigebracht, sobald ich lesen konnte.“ Nicht jedes kleine Mädchen lernt programmieren. Schon gar nicht Ende der 1980er Jahre, als Personal Computer erst langsam Verbreitung fanden. Kurz darauf bekam Angela ihren ersten eigenen Computer, um ihre Schulaufgaben zu machen. Aus medizinischen Gründen. „Meine Ärzte stellten fest, dass ich ziemlich langsam beim Schreiben war, weil ich meine Hände nur zu 50 Prozent nutzen konnte.“
Als sie neun war, fanden die Ärzte noch etwas heraus. „Sie entdeckten, dass ich unmöglich sprechen könne, da in meinem Rachen offenbar etwas gelähmt war. Doch als sie das entdeckten, konnte ich schon längst sprechen.“ Bereits nach ihrer Geburt hatten Ärzte gemeint, dass sie wahrscheinlich nie gehen werde können. „Aber ich schien ein kluges Kind zu sein, also dachten die Ärzte, sie könnten mich vielleicht zum Gehen bringen, wenn meine Füße in der richtigen Position wären. Deshalb operierten sie mich viel früher, als sie das normalerweise tun.“ Glück gehabt. Nun kann sie gehen, wenn auch mit Schwierigkeiten.
Stur ihre Ziele verfolgen
Die nächste größere Operation hatte sie mit 16. Sie verbrachte fast ein gesamtes Schuljahr im Krankenhaus und auf Rehabilitation. Nur ihr Mathematiklehrer brachte ihr regelmäßig Hausaufgaben ins Spital. Was wohl mit ein Grund ist, warum sie später Mathematik studierte. Nach dem Bachelor nahm sie einen Job als Softwareentwicklerin für Windows-Produkte an und entwickelte in ihrer Freizeit Apple-Anwendungen. Mit 24 wollte sie zu einer Apple-Entwicklerkonferenz nach Kalifornien fahren und nebenbei eine kleine Weltreise machen. „Ich fragte mich, ob man wohl den CERN besichtigen könne und ging auf die CERN-Website.“ Dort fand sie heraus, dass man mit einem Stipendium am CERN arbeiten könne. Sie setzte sich in den Kopf, dort zu arbeiten. Sie bewarb sich für ein Stipendium, wurde abgelehnt, bewarb sich wieder, wurde genommen. Nicht jede junge Frau, die aus einem langweiligen Job ausbrechen will, geht gleich auf die andere Seite der Erdkugel – Angela Brett ist Neuseeländerin.
So "hatschte" sie im März 2005 zum Flieger, der sie zur Urknallmaschine nach Genf brachte. Am CERN war sie Teil des Teams am Compact Muon Solenoid (CMS)-Experiment, einem von zwei großen Experimenten, mit denen die vom LHC ermöglichten Kollisionen von zwei Protonenstrahlen untersucht werden. Sie arbeitete beim Triggersystem und in der Datengewinnung mit. Das Triggersystem filtert aus der schier unendlichen Menge an Daten die wichtigsten heraus und speichert sie. Angela Brett arbeitete hauptsächlich an Datenbank-Software, um den Status des Detektors zu dokumentieren und zu speichern.
Seit Jänner 2010 arbeitet Angela Brett nun also für MedAustron. Was möchte sie denn sonst noch gerne tun? „Cool wäre es, ein ganz neues Fahrzeug für die Venus-Expeditionen zu programmieren.“ Nur selber zur Venus zu fliegen hat sie nicht vor.
Dieser Beitrag ist im Rahmen des Projektes "Lebens- und Arbeitswelten" erschienen.
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