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Rubrik: Lesen statt Hören
30. November 2003

Freak-Radio Magazinsendung: Sich frei bewegen mit Behinderung?

von Katharina Zabransky

Musik

Freak-Radio: Christian Horvath, Gründer und Präsident der Selbsthilfegruppe Crazy Industries sowie Vizepräsident der Schizophrenie-Gesellschaft hat als junger Mann vier Jahre lang unbehandelt sehr unangenehme Erfahrungen mit Psychose gemacht. Heute ist er überzeugt,

"dass es sogar, wenn man allein mit dem Rücken zur Wand steht und von dieser Krankheit keine Ahnung hat, dass man doch gewisse Chancen hat, mit dieser Erkrankung umzugehen. Und was ich gemerkt habe, dass es sehr ruhmreich war, diese meine persönlichen Erfahrungen mit dem Umgang mit dieser Erkrankung an andere weitergeben und es hat funktioniert: Wenn ich auch heute mit Menschen rede, die in einem psychotischen Zustand sind, in den allermeisten Fällen fällt mir das richtige Wort ein, kann ich mich hineindenken in das Zustandsbild und kann dann zurückdenken, was habe ich da durchgemacht, wie ich das gehabt habe und welche Strategie habe ich entwickelt, um da wieder rauszukommen und wenn ich das weitergebe, funktioniert es meisten: Jetzt könnte ich weitergeben, wie man es von vier Jahren auf vier Tage reduziert, aber das sind eben langfristige Prozesse. Was ich dann gesehen habe - und das hat auch damit zu tun, in die Verantwortung zu gehen, ist, dass immer mehr Betroffene zu den Gesundheitsstammtischen gekommen sind. Es waren dann 1995 schon 12, 15, und was für mich besonders interessant war, ist dass damals die Betroffenen am Gesundheitsstammtisch ganz anders gesprochen haben als auf der Ambulanz.
In der Ambulanz waren sie als Patienten und haben sich natürlich über Patiententhemen unterhalten. Aber wie groß ist eigentlich diese Welt, wenn man davon einmal abrückt! Oder wie viel ist noch da ohne die Patienten-Identität, was es noch in dieser Welt gibt! Und die interessanten Gespräche und viele Gespräche, die auf der Ambulanz nie geführt worden wären, sind in dem kleinen Cafehaus geführt worden!
Was ich auch erkannt habe, ist, dass wir voneinander profitiert haben: Die Ambulanz hat vom Gesundheitsstammtisch profitiert und der Gesundheitsstammtisch hat profitiert von der Ambulanz. Doch eines ist ganz eindeutig gewesen: Die Betroffenen, die zum Gesundheitsstammtisch gegangen sind, haben eindeutig viel weniger Rückfälle gehabt: Warum? in der Selbsthilfe merkt man einen Rückfall drei Wochen, bevor er stattfindet! Man kennt die Leute, man kennt die Fragen, die sie stellen, man kennt ihre Unsicherheit, man sieht das schon drei Wochen vorher und kann eingreifen! Der Arzt sieht den Patienten oft erst in dem Augenblick, wo schon alles zu spät ist.
Ich war 1989 in Bruneck und habe referiert und da hat ein Arzt zu mir gesagt: »Gesundheitsstamtische - das kann nicht funktionieren! Denn wenn er sich seine Patienten anschaue: Die können sich selbst nicht organisieren« Aber welche sogenannten Patienten, Betroffene und Psychiatrieerfahrene hat er denn gesehen? Er hat ja die Leute auf der Station immer im Akutstadium gesehen, er hat sie aber nicht drei Wochen später gesehen, wenn sie beim Eduscho bei einem Kaffee stehen. Und die können das dann sehr wohl! Dieser Gesundheitsstammtisch hat sich dann weiter entwickelt und am Ende sind dann schon vierzig Leute gekommen. Wir haben dann einen eigenen Gesundheits-Stammtisch für Frauen gehabt.Das waren die Anfänge und es war sehr schwer: Crazy Industries war in dieser Phase sicher die erste Selbsthilfegruppe für Psychosepatienten in Österreich. Erst mit den Jahren ist mir so richtig klar geworden, dass das Selbsthilfe ist, und erst durch andere Menschen bin ich draufgekommen, dass das wichtig ist, was ich da tue. Ich habe das nämlich gerne gemacht und nicht gewusst, wie wichtig das ist. Und dass es eine internationale Betroffenenbewegung ist, davon habe ich keine Ahnung gehabt.


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