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Rubrik: Freak-Science
10. Dezember 2008

Durchblick mit Sehbehinderung - Porträt eines Managers

von Julian M. Hadschieff (Transkription des Vortrages)

Beispielsweise bin ich einige Jahre im Behindertenschiteam gefahren und so auch bei den »Paralympics« gewesen. Ich bin ein bisschen ein »Adrenalinfreak«. Manchmal brauche ich es, mich irgendwo hinunter zu stürzen und das mit - was weiß ich - 100 km/h bei einem Super-G. Ich fahre meinem Vorfahrer nach, wohlwissend, dass das ein gewisses Risiko darstellt. Wenn ich auf sein Kommando – hopp! - etwas zu schnell und zu stark auf die Kante gehe, krache ich ins Tor. Und das ist bei einem Steilhang nicht irrsinnig ersprießlich, wenn es einen mit 90 km/h da runterhaut. Ich fahre jetzt - meiner Frau zuliebe - seit 2006 keine »Speedrennen« mehr. Es hat lange genug gedauert, bis ich mir selbst zugestehen konnte, nicht alles machen zu müssen. Dieses Austesten: Was geht? Was bringe ich zusammen? Das ist mir geblieben. Das Bestreben, Besonderes erreichen zu wollen, hat mich, glaube ich, gerade auch im Beruflichen weiter gebracht. In puncto Willen, Ehrgeiz und Disziplin hat mir der Sport sehr geholfen. Das Lernen, dass es Schmerz und die Überwindung des Schmerzes braucht, um erfolgreich zu sein, hilft später auch im Berufsleben. Wenn man heute in einem Sport wie Eisschnelllaufen erfolgreich sein will, so bedeutet das, jeden Tag beim Training Schmerzen zu haben - sonst schafft man es nie bis in die Weltklasse.

Auch wenn ich mich heute nicht täglich nach Schmerzen sehne, weiß ich, wenn es hart auf hart kommt, wie ich Dinge durchsetzen kann. Zumindest überlege ich es mir und fürchte mich nicht vor einer Diskussion, vor einem Disput, vor einem Konflikt. Auch das waren Dinge, die ich erst lernen musste. Ich musste lernen, mich trotz eines sehr patriarchalischen Vaters quasi freizuschwimmen und für mich selber zu stehen. In der Jugend war mir der verhassteste aller Sätze: »Solange du deinen Fuß unter meinem Tisch hast, tust du, was ich dir sage.« Ich habe meinem Vater gesagt: »Du kannst mich gernhaben, mit dreißig habe ich meine erste Million und das will ich dir beweisen.« Es hat wohl ein paar Monate länger gedauert, aber ich habe mein Ziel erreicht. Und für mich war es auch wichtig, mir das selber zu beweisen - Schilling übrigens damals noch. Ich habe mir eine eigene Wohnung gekauft, meine Frau hat studiert – wir sind jetzt 26 Jahre zusammen. Meine Frau war übrigens ein ganz wichtiger Motor für mich. Sie hat mich dazu gebracht, dass ich wirklich studiert habe und nicht nur Schi und Surfbretter verkauft und Basketballtourneen für amerikanische Colleges in Europa organisiert habe. Ich habe viel getan, aber lange Jahre auch ohne wirkliches Ziel. Und irgendwann ist der Groschen gefallen und ich habe mir gesagt: »Ich muss konsequent an mir arbeiten, wenn ich erfolgreich sein will. So von selber kommt es nicht, von selber geht es nicht!« Insbesondere dann, wenn man eine Einschränkung hat, geht das nicht von selber. Man muss sich dieser Einschränkung stellen, man muss ein Ziel vor Augen haben und man muss hart daran arbeiten. Und ganz besonders muss man lernen, Gläser halb voll zu sehen und nicht halb leer.


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