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Rubrik: Lesen statt Hören
23. April 2000

Der Flirt

von Mag. Dorothea Brozek

Katharina: Ja. Aber es macht mir Spaß, dem bewusst entgegen zu wirken.

Freak-Radio: Zustimmung aus dem Publikum. Walter, Du hast gemeint: Flirten kann man lernen?

Walter: Ich habe mich durch Huberts Wortmeldung davon überzeugen lassen, dass man es lernen kann. Ich dachte bisher, dass für mich als Sehbehinderten das nicht machbar ist, aber da wurde ich eines Besseren belehrt.

Freak-Radio: Hat man da manchmal Angst vor Körben? Fragt man sich nicht: Wie reagiert der potentielle Balzpartner auf mein Anbandeln?

Walter: Ich glaube nicht, dass die Behinderung eine große Rolle spielt. Der Balzpartner, wie der Ausdruck so schön gefallen ist, legt für einige Zeit die Behinderung auf Eis, wenn ihr oder ihm an der Person etwas liegt. Ich denke, dass die Persönlichkeit des Anbandlers eine große Rolle spielt. Wenn sich dann daraus eine Beziehung ergibt, kann man die Behinderung zum Gesprächsthema machen. Man kann erklären, was man nicht kann oder wo man sich schwer tut. Beim Anbandeln, bei der Kontaktaufnahme, spielt das keine Rolle.

Freak-Radio: Wie siehst Du das, Kathi?

Katharina: Ich denke ähnlich. Am Anfang, beim Kennenlernen, muss ich nicht über meine Behinderung sprechen. Zwei Leute ohne Behinderung bandeln an, ohne über einander zu wissen. Sie wissen also nicht, welche komische Eigenschaften der hat, die sie überhaupt nicht wollen täten. Das kommt mit der Zeit zu Tage. Wenn man einen Rollstuhlfahrer sieht, Jemand, der mit Krücken geht oder blind ist, ist das unverrückbar.

Walter: Es wurde vorhin das Wort »Behinderung« als Joker angesprochen. So gesehen stimmt das schon. Man wird als Fußgänger einem anderen sehenden Menschen nicht wirklich über die Straße helfen wollen. Bei einem blinden Menschen macht man das schon. Das ist die Chance, Kontakt zu knüpfen. Das ist natürlich nicht gleich unbedingt als Flirt zu bezeichnen, aber wenn man einen längeren Weg gemeinsam geht, kann es schon vorkommen, dass man sich nicht nur über das Wetter unterhält, sodass der Funke rüberspringen kann.

Freak-Radio: Kathi! Hast Du auch schon solche Situationen erlebt? Du stehst bei der U-Bahn, brauchst Hilfe beim Einsteigen? Wenn Dir danach ist, sprichst Du die Person ganz gezielt an?

Katharina: Ja. Ich suche mir natürlich schon die nettesten Leute aus. Ich freue mich natürlich auch, wenn mir der in der U-Bahn sagt: »Soll ich Ihnen wieder raus helfen?«, obwohl ich eigentlich alleine raus kann.

Walter: Diesen Vorteil hat ein Sehbehinderter nicht. Der kann sich nicht die Leute aussuchen, die am Bahnsteig stehen. Wenn ihm eine Blondine besonders gut gefallen würde, hilft ihm das nicht viel. Die Kontaktaufnahme muss meist vom Helfenden durchgeführt werden.


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