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Rubrik: Lesen statt Hören
02. März 2003

Blinde Menschen fahren mit dem Auto?

von Walter Lindner

Ich möchte durch die ganze Stadt fahren, egal, ob da ein netter Busfahrer ist oder nicht, ob der mich kennt oder nicht. Auch ein Freund von mir möchte in Wien fahren, auch ein fremder Mensch, der aus irgendeinem anderen Erdteil kommt, will selbständig unterwegs sein.

Freak-Radio: Vielen Dank, Katharina.

Musik

Freak-Radio, Hubert Wallner: In der Presseaussendung für die heutige Sendung habe ich gelesen: »Blinde Menschen fahren mit dem Auto.« Ich dachte, das ist eine reine Übertreibung, das ist doch unmöglich. Neben mir sitzt Franz Kirnbauer. Er ist blind. Er kommt aus der Umgebung von Tulln. Er hat selbst einmal probiert, Auto zu fahren. Wie war das?

Franz Kirnbauer: Das war ein ganz faszinierendes Erleebnis. Der ARBÖ veranstaltete gemeinsam mit Fahrschulen und einigen Organisationen schon zweimal in Österreich, einmal in Graz und einmal in Wien, »Autofahren für Blinde«. Es war für mich ein traumhaftes Erlebnis, einmal selbst am Steuer zu sitzen, die Pädale zu bedienen, zu schalten. Was beide Seiten sehr erstaunte, was sehr imponierte, war die Tatsache, dass bei blinden Menschen sehr viel Gefühl vorhanden ist. Das Schöne war, dass die Fahrschullehrer restlos begeistert waren. Wie die Sache funktioniert, kann ich mir so erklären: Als blinder Mensch ist man andauernd angewiesen, als Beifahrer mitzufahren. Bei mir ist es zumindest so, dass ich das schon sehr oft tat. Das Autofahren hat eine gewisse Melodie. Man hört, wie der Motor laufen muss, welche Drehzahlen der Motor haben muss, wann man schalten muss. Ich kann ziemlich genau sagen, wenn Jemand schon schalten müsste und das nicht tut. Das konnte ich bei diesem Versuch ausprobieren. Da war der Punkt, wo die Fahrschullehrer total begeistert waren. Sie sagten, sie würden sichw ünschen, dass die Anfänger in der ersten Stunde so viel Gefühl für das Auto entwickeln, wie die Blinden das tun. Das Erlebnis war gigantisch.

Freak-Radio: Es kommt noch ein wichtiger Punkt dazu. Ein nicht behinderter Autofahrer weiß nicht, wie ein Blinder reagiert. Ein Blinder weiß allerdings nicht, wie ein Autofahrer reagiert. Wenn nun die Erfahrungen gemacht werden können, das natürlich mit Hilfe von Fahrlehrern, merkt man, wie lange das Vehikel braucht, bis es steht. Das sind einige hundert Kilo, die in Schwung gebracht werden. Wenn nun ein Blinder auf die Straße steigt, muss das gebremst werden, und das geht nicht so schnell.

Franz Kirnbauer: Das ist richtig. Wir haben bei diesem Fahrtag auch einige Versuche unternommen. Die Fahrlehrer waren da sehr einfallsreich. Wir legten eine Strecke zurück, während der er sagte: »So, und nun steige aufs Gas, wenn du schalten musst, dann schalte. Ich zähle bis zehn, und so lange hast du Zeit, zu beschleunigen. Dann zähle ich von zehn wieder runter, und da hast du Zeit, zu bremsen. Teile es dir aber so ein, dass du auch wirklich bei null stehen bleibst - nicht schon bei fünf oder bei minus-drei. Da spürt man es allerdings schon. Das war sehr interessant. Reinsteigen ins Gas kann Jeder, aber sich den Bremsweg so einzuteilen, dass man gleichmäßig zum Anhalten kommt, ist schwer. Da sieht man erst, was bei den Autofahrern für Fahrpraxis dahinter sein muss. Als Mitfahrer bemerkt man nur, dass er gleichmäßig bremst und bremst.


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