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Rubrik: Freak-Science
10. Dezember 2008

Arbeitswelt von Menschen mit intellektueller Behinderung

von Oliver Koenig (Lektor am Institut für Bildungswissenschaft Universität Wien)

Was an Forschung in Österreich ausgemacht werden kann, ist überwiegend staatlich geförderte Auftragsforschung, die sich bislang auch – sicherlich bedingt durch den Charakter als Auftragsforschung – durch ein mangelndes Problembewusstsein oder zumindest durch einen Mangel eines kritischen Diskurses ausgezeichnet hat. Empirische Daten, die über die aktuelle Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen im Allgemeinen und von Menschen mit einer intellektuellen Behinderung im Speziellen Auskunft geben könnten, fehlen gänzlich. Dabei würden sich gerade in einem Land wie Österreich, welches europaweit im Sinne der Aufgaben- und Kompetenzaufteilung eines der differenziertesten Systeme der beruflichen Integration ins Leben gerufen hat, Fragen nach Synergien und Effizienz vermehrt stellen. Behindertenpolitik – und dagegen ist grundsätzlich nichts einzuwenden - wird gemäß der »Mainstreamingvorgaben« der europäischen Union als »Querschnittsmaterie« behandelt. »Querschnittsmaterie« bedeutet: Unterschiedliche politische Akteure auf Bundes- und Landesebene sowie deren Ressorts müssen sich für diesen Themenbereich verantwortlich fühlen. Das führt in der Praxis aber zu vielen Reibungsverlusten. Vieles davon wurde in der vorherigen Situationsbeschreibung im Kontext von Gehörlosigkeit schon deutlich: Wohin wende ich mich mit einem Problem? Welcher Fördergeber ist für mich zuständig? Die Person, die Hilfe und Unterstützung sucht, steht dabei meist vor einem undurchdringlich erscheinenden Dschungel. Es gibt in Österreich zwar ein breites Angebotsspektrum, aber – mit Ausnahme der Arbeitslosenversicherung als Versicherungsleistung - keinerlei Rechtsansprüche. Zudem können österreichweit große regionale Unterschiede beobachtet werden – auch dies hat Tobias Buchner schon angesprochen - sowie große Unterschiede in den Trägerphilosophien: Es gibt Träger, deren Philosophie sich sehr stark mit dem Thema der Inklusion und der Integration von Menschen mit Behinderung identifiziert. An vielen Stellen in Österreich wird dabei von engagierten und kompetenten Personen auch hochqualifizierte gesellschaftliche Pionierarbeit geleistet – dies sei an dieser Stelle auch nachdrücklich betont. Andere Träger sind aus anderen wirtschaftlichen Bereichen und mit zum Teil anderen wirtschaftlichen Interessen ebenfalls in diesen Markt gestoßen. Ein Markt ist auch in sozialpolitischen Handlungsfeldern nicht grundsätzlich als negativ zu bewerten, so lange klar ist, welche (Macht-)Mechanismen die Angebots-Nachfrage-Dynamik auf diesem Markt steuern. In Österreich sind nun sehr viele Träger auf diesem Markt tätig, welche zum Teil konkurrierende Interessen miteinander in Einklang bringen müssen. Auf der einen Seite steht das eigentliche gesellschaftspolitische Anliegen – nämlich die Inklusion von Menschen mit Behinderung zu unterstützen. Auf der anderen Seite steht das Interesse der wirtschaftlichen Behauptung auf einem Markt, auf dem das, was als Qualität definiert wird, zentral durch die Vorgaben des Fördergebers festgelegt wird. Qualität bemisst sich dabei einseitig entlang des Outputs dieser Maßnahmen. Dies führt dazu, dass Träger zur Sicherung ihrer bloßen Existenzgrundlage auf diesem Markt oft den wirtschaftlichen Interessen zu Ungunsten des gesellschaftspolitischen Interesses den Vorrang geben. Wenn sich nun beispielsweise eine Person um einen Ausbildungsplatz bewirbt (Arbeitsfähigkeit wird als Selektionskriterium ohnehin vorausgesetzt), wird von ihr bereits ein gewisses Ausmaß an »Job-Readiness« (also Berufsreife im weiteren Sinn) vorausgesetzt. Unterstützungsmaßnahmen sind in ihrer Dauer zumeist kurz angelegt, daher wird von Personen bereits wenn sie in eine derartige Maßnahme aufgenommen werden erwartet, dass sie bereit sind zum Arbeiten. Hierbei zählt oftmals jedoch nicht der Wille oder die Bereitschaft der Person, sondern die Einschätzung von Seiten des Maßnahmenanbieters, diese Personen in absehbarer Zeit auch vermitteln zu können.


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